Jean-Claude Juncker.
Berlin – Der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, hat die drohende Herabstufung von 15 Ländern der Eurozone durch die US-Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) scharf kritisiert. Nahezu alle Eurostaaten mit einem negativen Ausblick zu versehen sei eine «unfaire» und «komplett exzessive» Entscheidung, sagte der Luxemburgische Regierungschef in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
Am späten Montagabend hatte S&P in einem beispiellosen Rundumschlag 15 Länder der Eurozone mit einem negativen Ausblick versehen. Damit könnten mit Deutschland und Frankreich auch die führenden Volkswirtschaften der Eurozone ihre Bestbewertung «AAA» verlieren.
«Erstaunlicher» Zeitpunkt
«Die Drohung durch die Ratingagentur sei ein K.O.-Schlag für alle Staaten, die sich Bemühen, ihre Haushaltsdefizite zu senken, kritisierte Junker weiter. Vor allem der Zeitpunkt der Drohung kurz vor einem entscheidenden EU-Gipfel zur Schuldenkrise sein «erstaunlich». Trotz der negativen Aussagen durch S&P rechnet Juncker mit schnellen Fortschritten im Kampf gegen die Schuldenkrise. Laut dem Eurogruppen-Chef könnten eine Änderung der EU-Verträge bis Ende März 2012 erreicht werden.
«Überfälliger Schritt»
Der Ökonom Holger Schmieding ist hingegen der Ansicht, die drohende Massen-Abstufung der Kreditwürdigkeit der Euroländer sei überfällig. Das erhöhe den Druck auf die Politik, beim Eurogipfel am Freitag endlich ein ernsthaftes Reformpaket aufzulegen, schrieb der Chefvolkswirt der Berenberg Bank am Dienstag in einer Analyse.
Investoren folgen Ratingagenturen nicht blind
Der Europa-Chefanalyst von Standard & Poor’s, Moritz Krämer, verteidigte die Entscheidung der Ratingagentur. Investoren würden nicht blind Ratingveröffentlichungen folgen. Wer dies glaube, unterschätze die Intelligenz der Marktteilnehmer. Zudem könnte der EU-Gipfel Ende dieser Woche noch einiges bewegen. «Wir glauben, dass der Krisengipfel eine ganz massgebliche Chance ist, diesen Prozess umzukehren», sagte Krämer am Dienstag im ARD-Morgenmagazin.
«Wir glauben, dass die bisherige Erfolglosigkeit, die Krise wirklich effektiv und nachhaltig in den Griff zu bekommen, die Risiken einer realwirtschaftlichen Bremswirkung nach sich zieht», sagte Krämer. Die Gefahr einer Rezession im kommenden Jahr sei gestiegen – nicht nur in Europa, sondern weltweit. Eine Exportnation wie Deutschland werde davon stark betroffen sein. (awp/mc/pg)