Von Dieter Haas und Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch
Das zweitgrösste Land der Erde fasziniert durch unberührte Landschaften, Rohstoffreichtum und liberale Handelspolitik. Zunehmend gerät Kanada in den Fokus ausländischer Investoren. Das schafft attraktive Chancen – sowohl für risikofreudige als auch für konservative Investoren.
Aus europäischer Sicht kommt einem beim Stichwort «Kanada» sicher spontan ein Holzfäller in den Sinn, der mit Biberfellmütze und kariertem Hemd in der Wildnis seiner Arbeit nachgeht. Tatsächlich sind in Kanada über eine Million Menschen direkt oder indirekt in der Forstwirtschaft beschäftigt, doch dieser traditionelle Sektor (hoch korreliert mit der Hausbauaktivität beim Nachbarn USA) spielt nur eine zweitrangige Rolle. Der dominierende Sektor in Kanada sind Rohstoffe und damit verbunden auch die lokale Finanzindustrie.
Liberal und finanziell solide
Kanada ist eines der investitionsfreundlichsten Länder der Welt. Die Wirtschaft zählt zu den offensten auf unserem Globus. Nach Analysen des «Global Competitiveness Report», erstellt vom Weltwirtschaftsforum, bietet Kanada derzeit das solideste Banksystem der Welt (siehe Grafik). So stellte der kanadische Finanzsektor selbst wenige Tage nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008 einen Hort der Sicherheit dar. Der einzige Sektor, der massgeblich vom Einbruch im US-Immobilienmarkt getroffen wurde, war die eingangs erwähnte Forstwirtschaft – die Banken blieben immun.
Interessanterweise musste keine einzige kanadische Bank oder Versicherungsgesellschaft vom Staat oder den Aktionären gerettet werden. Die kanadische Finanzbranche samt Börse erfreut sich grosser Vitalität. Die robuste finanzwirtschaftliche Situation des Landes schlägt sich in niedrigen Steuern und Stabilität für Investoren nieder. «Unser Ziel ist es nach wie vor, für ein stabiles Makroumfeld zu sorgen», äusserte sich kürzlich der Notenbank-Governor Mark Carney. Er ist auch Vorsitzender des Financial Stability Board mit Hauptsitz in Basel.
Immobilienmarkt läuft auf Schweizer Niveau
Die Zinspolitik des G7-Staates bzw. der Bank of Canada (BoC) ist allerdings derzeit innenpolitisch umstritten. Als Antwort auf den Wirtschaftskollaps in den USA und dem Bailout der PIIGS-Staaten senkte die BoC den kanadischen Leitzins auf 1%. Das schlug sich in rekordtiefe Hypothekenzinsen in einem eigentlich intakten Immobilienmarkt nieder. Die Folge: Die Mehrheit der Kanadier wurde plötzlich zum Eigenheimjäger. Eine 5-Jahres-Festhypothek gibt es heute schon für unter 2,90% p.a. Der florierende Immobilienmarkt ist aber nach Einschätzung von Dr. Sherry Cooper, Chief Economist der Bank of Montreal, «eher ein Ballon, aus dem Luft entweichen kann, als eine bedrohliche Blase». Auch vier Jahre nach der Stunde Null am US-Immobilienmarkt und dem De-Leveraging sind die kanadischen Haushalte weniger verschuldet als die US-Amerikaner. Die Chefvolkswirtin führt weiter an, dass «in Kanada bis dato ein Hausbesitzer ein Drittel seines Nettoeinkommens für Zins und Tilgung aufwendet» und relativiert die Medienberichterstattungen der letzten Monate.
Geldschlange aus China
Alles andere als relativ sind dagegen die Zahlen, welche jüngst vom kanadischen Zoll veröffentlich wurden. Durch den zunehmenden Reichtum in Asien entwickelt sich der Pazifikanrainer Kanada zunehmend zum Magnet für erfolgreiche Chinesen – nicht nur wegen den schier unendlichen Rohstoffen. So wurden auf Kanadas zwei grössten Flughäfen, Toronto und Vancouver, zwischen April 2011 und Juni 2012 knapp CHF 13 Mio. an undeklariertem Bargeld von chinesischen Staatsbürgern beschlagnahmt. Tausende aus Chinas oberer Mittelschicht nutzten das «Canada Investors Visa» (CHF 1.6 Mio. Vermögen und CHF 800’000 als Investment in Kanada) als Sprungbrett in die Freiheit und brachten das nötige Kleingeld gleich im Koffer mit. Per 1. Juli 2012 wurde das Visa-Programm gestoppt. Zu gross wurde der innenpolitische Druck, nachdem in weniger als drei Jahren über 65’000 Festlandchinesen eine Investoren-Niederlassungsbewilligung für Kanada ergatterten.
Grenzen der Liberalisierung
Das Umdenken gegenüber China schlägt sich auch zunehmend auf die offene Handelspolitik Kanadas nieder. Die Asiaten kaufen sich wegen ihres immensen Rohstoffhungers immer stärker in lokale Energieproduzenten oder Bergbaufirmen ein oder übernehmen sie gleich ganz. So wie zuletzt der Kauf des Öl- und Gasförderers Nexen für 15 Milliarden US-Dollar durch den drittgrössten chinesischen Mineralölkonzern China National Offshore Oil Corp. vor ein paar Wochen. Das hat hohe Wellen geschlagen und letztlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Als Folge davon hat Kanadas Regierung die Investitionsvorschriften für ausländische Unternehmen überarbeitet und für ausgewählte Branchen drastisch verschärft. Vor allem in der Ölsandindustrie wurden die Hürden für ausländische Direktinvestitionen heraufgesetzt. Die Branche ist einer der Schlüsselsektoren der kanadischen Wirtschaft und verdient nach Auffassung der Regierung einen besonderen Schutz. Künftig dürfen ausländische Staatsbetriebe nur noch Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen aus dieser strategisch wichtigen Branche halten.
Wirtschaftsperspektiven 2013
«Chinesisches Risiko» hin oder her, am Ende trägt der Rohstoffexport immer noch bedeutend zum Bruttoinlandsprodukt bei. Für das neue Jahr 2013 stehen gemäss Bank of Canada und des IWF die Chancen auf eine Belebung des BIP gut. Der erwartete Aufschwung in der ersten Jahreshälfte wird vor allem durch eine Zunahme ausländischer Nachfrage im Rohstoffsektor begründet. So haben u.a. Transportengpässe zu einem starken Abschlag beim kanadischen Schweröl geführt. Beim Konsum sehen die jüngsten Prognosen ein moderates Wachstum, während sich die Geschäftsinvestitionstätigkeit beschleunigen sollte. Der Export dürfte nach Ansicht der Währungshüter sowohl 2013 als auch 2014 einen positiven Beitrag zum Wachstum des Bruttoinlandproduktes beisteuern, nach einer unerwarteten Kontraktion in 2012. Die Dynamik früherer Jahre wird aber vorerst unerreicht bleiben. Im Jahresdurchschnitt prognostiziert die Bank of Canada ein Wachstum von 2,0% in 2013 nach 1,9% in 2012. Für 2014 liegen die Erwartungen bei 2,7%.
Öl – die Schlüsselindustrie
In den vergangenen Monaten hat sich die Preisdifferenz zwischen dem von kanadischen Produzenten gelieferten Western Canada Select und der bekannteren Rohölsorte West Texas Intermediate wegen zwischenzeitlicher Begrenzungen des Pipelinedurchflusses und anhaltender Transportengpässe auf Rekordniveaus ausgeweitet. Das hinterliess auch Spuren beim BIP-Wachstum. Allein in der zweiten Hälfte 2012 kam es wegen der niedrigen WCS-Preise zu einer Reduktion um 0,2%. Der hohe Spread dürfte sich in den kommenden Monaten allmählich vermindern. Nebst einer generellen Belebung der Weltwirtschaft im Allgemeinen sowie den USA im Speziellen wird insbesondere eine Kapazitätsausweitung der Pipelines (Seaway und Fertigstellung des TransCanada Gulf Coast Projektes) die Lage merklich entspannen. Der Zeitpunkt für einen Neueinstieg scheint daher günstig.
So stellen Ölsande angesichts sich verknappender Energieträge mittel- bis langfristig zweifellos eine vielversprechende Investitionsmöglichkeit dar. Zur Umsetzung eignen sich von den an der Scoach Schweiz gehandelten Zertifikaten vor allem die endlos laufenden OILSU und OILSN. Dank der breiten Diversifikation, der kontinuierlichen Basket-Anpassung und vergleichsweise geringen Gebühren bieten sie das beste Gesamtpaket. Durch die Erfüllung von vier Qualitätskriterien (einer Mindestmarktkapitalisierung, einer Tagesförderung bis 2015 von mindestens 25‘000 Barrel, einem substanziellen Ertragsanteil des Ölsandgeschäftes und einem Mindesthandelsvolumen) wird gewährleistet, dass die Gesellschaften im Basiswert optimal auf die Schlüsselindustrie fokussiert sind.
Vitaler Finanzmarkt in Toronto
Die kanadische Antwort zur US-amerikanischen Wall Street ist Toronto’s Bay Street. Dort und in den angrenzenden Nobelmeilen reiht sich alles auf, was in der Finanzwelt Rang und Namen hat. So auch die Toronto Stock Exchange, Kanadas grösste Börse, drittgrösste Börse in Nordamerika und die achtgrösste Börse der Welt. An der Börse in Toronto wurde im Jahr 1990 der weltweit erste Exchange-Traded Fund gehandelt. Heute fungieren als kanadische Aktien-Benchmarks der S&P/TSX Composite sowie das Blue Chip-Barometer S&P/TSX 60. Branchenmässig liegt das Schwergewicht mit knapp einem Drittel auf dem Finanzsektor, gefolgt von Energie mit rund einem Viertel und Rohstoffen (u.a. Goldminengesellschaften) mit gut einem Fünftel. Das grösste Einzelgewicht mit Prozentsätzen um 6% haben die drei Banken Royal Bank of Canada, Toronto-Dominion Bank und Bank of Nova Scotia.
Performancevorsprung im weltweiten Vergleich
Der MSCI Daily TR Net Canada ist hierzulande etwas beliebter als Basiswert als die Aktienmarktindizes der Toronto Stock Exchange. Er ähnelt in seiner Struktur dem S&P/TSX 60 Net TR Index, und zwar sowohl was die Branchen- als auch die Einzelgewichte anbelangt. Seine 97 Titel entsprechen rund 85% der verfügbaren Kapitalisierung des Gesamtmarktes. Punkto Performance gibt es zwischen den beiden Net Total Return Indizes keine erkennbaren Unterschiede. Über ihnen thront einzig die Bruttoertragsvariante, wie sie der S&P/TSE 60 TR Index repräsentiert.
Damit ein Anleger das volle Potenzial Kanadas nutzen kann, sollte er unbedingt auf Performanceindizes setzen. Sie enthalten im Unterschied zu Kursindizes auch die Dividendenzahlungen. Das läppert sich auf die Dauer zu einem stattlichen Betrag (siehe Grafik).
Ein Schweizer Investor hätte währungsbereinigt mit einem Indexfonds auf Kanada in den letzten zehn Jahren deutlich mehr verdient als mit einer Anlage in den Weltaktienindex und auch mehr als mit einer Investition in den einheimischen Aktienmarkt. Im Vergleich zum Swiss Market Index schwankt der Blue Chip-Barometer Kanadas wegen seiner zyklischeren Struktur jedoch um einiges stärker. Es braucht daher bei einer Kaufen-und-Halten-Strategie ein starkes Nervenkostüm. Die überdurchschnittliche Entwicklung der Börse in den vergangenen Jahren verdankt Kanada vor allem seinem Rohstoffreichtum. Mit seinen Erdölreserven steht es hinter Saudi-Arabien und Venezuela weltweit an dritter Stelle. Das ist Fluch und Segen. Läuft der Motor der Weltwirtschaft auf Touren, spürt das Gros der Industrie viel Rückenwind und umgekehrt.
Gute Perspektiven für 2013
Dank der eingetretenen Wirtschaftsbelebung Chinas, der überwundenen Eurokrise sowie einer Stabilisierung der für Kanada wichtigen US-Wirtschaft dürften rohstoffbezogene Unternehmen ein Comeback starten. Die 2012 einsetzende Aufwärtsbewegung an den Börsen hat ihr Reifestadium längst nicht erreicht. Gemäss den Konsensschätzungen der vom Finanzdienstleister Bloomberg erfassten Finanzanalytiker sollte der Gesamtmarkt in den kommenden zwölf Monaten knapp zweistellig zulegen. Mehr Phantasie sehen die Profis bei den Gold- und Silberminenunternehmen. Ihnen wird aktuell das höchste Kursgewinnpotenzial eingeräumt. Trotz der etwas vorsichtigeren Haltung, worauf die Verminderung des Konsensratings in den letzten drei Monaten hindeutet, bleiben Titel wie Iamgold, Barrick Gold und Konsorten aussichtsreich.
Anleger, die es vorziehen, nach ihren eigenen Kriterien selber nach Schnäppchen zu suchen, sei die Webseite der Börse Torontos (www.tmx.com) ans Herz gelegt. In der Rubrik Research&Tools im Kapitel Stock Screener steht ihnen ein leicht verständliches, umfangreiches Selektionstool zur Verfügung.
Favorisierte Anlageprodukte
Das Tracker-Zertifikat CITCH auf den RBS High Yield Canadian Income Trusts Index zählt seit dem Ende der Finanzkrise im März 2009 zu den Highflyern an der Scoach Schweiz. Die kanadischen Income Trusts bieten steuerliche Vorteile, ein monatliches Dividendenregime und überzeugen mit einer herausragenden Performance. Ein Kauf des Anlageproduktes eignet sich sowohl für konservative als auch spekulative Anleger. In den Product News der aktuellen Ausgabe wird das Anlageprodukt ausführlich beschrieben. Für vorsichtige Investoren, die auf den gesamten kanadischen Aktienmarkt setzen möchten, empfiehlt sich das Tracker-Zertifikat ETCAN. Es punktet dank dem Bezug auf die Bruttovariante des S&P/TSX 60 Performanceindex. Ferner belastet der Exchange Traded Tracker bislang keine Managementgebühren. Dank diesen zwei Aspekten erzielt er seit seiner Lancierung im November 2010 die beste Performance unter den auf den S&P/TSX 60 bzw. MSCI Canada bezogenen ETFs und Delta-1-Partizipationsprodukten.
Edelmetalle stets gesucht
Wer bereit ist, mehr Risiken einzugehen, sollte Titel von Silver Wheaton in sein Portfolio aufnehmen. Das ganz auf das weisse Metall fokussierte Unternehmen glänzt, langfristig betrachtet, mit der besten Performance aller im S&P/TSX 60 Index vertretenen Aktien. Es gibt weltweit nur wenige Large Caps, die kursmässig mit Silver Wheaton mithalten können. Die Erfolgsstory dürfte weitergehen, zumal Silber zu den am stärksten unterbewerteten Rohstoffen zählt. In Ermangelung kotierter Strukturierter Produkte an der Scoach Schweiz muss auf Alternativen ausgewichen werden. Infrage kommt dabei in erster Linie das Tracker-Zertifikat SMACH auf den Solactive Silver Mining All Share Total Return Index (siehe Product News im payoff magazine 09-2010).
Chancenreich
erscheint last but not least das Bonus-Zertifikat PBAGO auf Barrick Gold. Es wurde im Februar 2012 emittiert und läuft bis Januar 2017. Bislang hat die bei USD 29.71 fixierte Barriere gehalten, obwohl es im Juli und um die Jahreswende zweimal recht eng wurde. Gelingt der Aktie in den nächsten Wochen der Ausbruch aus der mehrmonatigen Konsolidierung, dürfte die Gefahr einer Schwellenverletzung bis auf weiteres gebannt sein. Dann würde der Bonuslevel allmählich locken, der mehr als doppelt so hoch liegt wie der aktuelle Aktienkurs. Selbst ein Reissen der Barriere wäre angesichts der langen Restlaufzeit kein Beinbruch. Allerdings entspräche dann der Kursverlauf 1:1 demjenigen des Basiswertes.