New York – Angesichts des grossen Drucks der US-Behörden sind Schweizer Banken bereit, ausländische Kunden künftig eine Steuerdeklaration unterschreiben zu lassen. Im Strafprozess gegen die Bank Wegelin lief die New Yorker Staatsanwaltschaft aber vorerst ins Leere. Beim ersten Termin im Verfahren gegen die St. Galler Bank erschien kein Wegelin-Vertreter. Wegelin ist am südlichen Bezirksgericht des Teilstaates New York angeklagt, US-amerikanischen Kunden geholfen zu haben, Geld am Fiskus vorbei zu schleusen und so gegen US-Recht verstossen zu haben.
Staatsanwalt Daniel Levy erklärte, die Behörden würden nun allenfalls versuchen, gegen die Partner, welche Wegelin leiteten, Haftbefehle zu erwirken. Richter Jed Rakoff legte Levy nahe, das Aussenministerium einzuschalten, da der diplomatische Weg vielleicht eher zum Ziel führe. Die Bank gilt nun ebenso wie die drei bereits angeklagten ehemaligen Wegelin-Mitarbeiter als flüchtig vor der US-Justiz. Mit Wegelin ist zum ersten Mal ein Finanzinstitut vor einem amerikanischen Gericht verklagt, das keine Niederlassung in den USA besitzt. Eingereicht hatte die Klage der Staatsanwalt des südlichen Bezirkes von New York, Preet Bharara.
Wegelin droht eine gesetzlich festgelegte Höchstbusse des Doppelten des Bruttogewinns oder das Doppelte des Schadens aus den mutmasslichen Verbrechen; die höhere der beiden Zahlen kommt zur Anwendung.
Keine Anklageschrift erhalten
Wegelin lässt sich in New York laut Medienberichten von Anwalt Richard Strassberg der Kanzlei Goodwin Procter vertreten. Die Bank selber teilte am Freitagabend mit, dass sie die rechtlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Strafprozesses als nicht erfüllt betrachte. Denn gemäss US-amerikanischem Recht könne ein Strafprozess nicht begonnen werden, bevor dem Beschuldigten die Klage ordnungsgemäss zugestellt worden sei. Wegelin habe diesen Standpunkt dem Staatsanwalt in einem Schreiben ausführlich dargelegt. Wegelin werde weiterhin alles versuchen, die Angelegenheit in respektvoller Kooperation mit den US-Behörden und unter Einhaltung des schweizerischen Rechts zu lösen.
Odier geht auf Distanz
In der Schweiz ist der Rückhalt aber nicht vorbehaltlos: Der Präsident der Bankiervereinigung (SBVg), Patrick Odier, bezeichnete es in der «Neuen Zürcher Zeitung» als «unverständlich», dass gewisse Banken nach dem Fall UBS noch deren Kunden übernahmen. Sollte sich die Anklageschrift gegen Wegelin bewahrheiten, so habe die Bank «ganz klar im Widerspruch zur Strategie des Finanzplatzes gehandelt». «Institutionen, die sich falsch verhalten haben, müssen dafür auch die Verantwortung übernehmen», sagte Odier. Doch man dürfe nicht alle 300 Banken in den gleichen Topf werfen.
Feilschen im Nationalrat
Der Nationalrat müsse in der nächsten Session unbedingt den Zusatzbericht zum neuen Doppelbesteuerungsabkommen autorisieren. «Sonst wird die Situation eskalieren». Entscheidend ist die Zustimmung der SP, die allerdings die Einführung einer Steuer-Selbstdeklaration fordert. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse kann einer solchen Vorgabe zustimmen, sofern diese «Einzug in internationale Regelwerke – etwa von der OECD – findet». Er sei gegen einen Alleingang, sagte Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer der «SonntagsZeitung».
Es brauche zudem juristische Abklärungen, wie sich die Selbstdeklaration umsetzen lasse. Credit-Suisse-Chef Brady Dougan gab im «SonntagsBlick» zu bedenken, dass «selbst wenn ein Kunde einen Steuerausweis vorlegt, ist es unmöglich festzustellen, ob er alle Vermögenswerte angegeben hat.» Der Chef der Zürcher Kantonalbank (ZKB), Martin Scholl, verzichtet derweil auf Reisen in die USA, weil auch die ZKB wegen der Annahme von amerikanischen Kundengeldern ins Visier der US-Behörden geraten ist. Im «Sonntag» wollte Scholl aber nicht über mögliche Folgen für die ZKB spekulieren, sollte auch die Staatsbank angeklagt werden. (awp/mc/upd/ps)
United States District Court for the Southern District of New York
(awp/mc/ps)