Zürich – 2015 war für die Schweizer Privatbanken ein düsteres Jahr. Die Ergebnisse der meisten Institute haben sich weiter verschlechtert. Es ist ihnen insgesamt nicht gelungen, nennenswertes Neugeldvolumen zu generieren. Zwei Drittel der Institute musste einen Rückgang der Eigenkapitalrendite hinnehmen. Insgesamt wurde letztes Jahr jede zehnte Privatbank vom Schweizer Markt verdrängt. Die Branche braucht dringend einen radikalen Wandel, wenn sich die Lage nicht weiter zuspitzen soll. Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse der aktuellen KPMG-Privatbankenstudie, in der gemeinsam mit der Universität St. Gallen die letztjährige Performance hiesiger Privatbanken untersucht wurde.
KPMG Schweiz hat gemeinsam mit der Universität St. Gallen 87 in der Schweiz tätige Privatbanken auf ihre Rentabilität und Effizienz hin untersucht. Insgesamt hat sich das Bild gegenüber den Vorjahren weiter eingetrübt. Die Bestrebungen zahlreicher Privatbanken, ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle an das neue Umfeld anzupassen, haben sich als unzureichend erwiesen.
Für Philipp Rickert, Head of Financial Services und Mitglied der Geschäftsleitung von KPMG, bleiben die Aussichten vieler Institute weiterhin düster: «Transparenzvorgaben und immer komplexere Regulierungen, veränderte Ansprüche einer neuen Kundengeneration sowie raue Marktbedingungen erweisen sich für immer mehr Privatbanken zu einem giftigen Gemisch.» Es wundert daher nicht, dass eine zunehmende Zahl von Geldhäusern ihre Geschäftsaktivitäten verkauft und andere ihre Geschäftstätigkeiten einstellen.
Die Anzahl der «Weak Performer» wächst rasant
«Eine nachhaltige Verbesserung lässt sich ohne radikalen Wandel nicht erreichen. Die Optimierung alter Geschäfts- und Betriebsmodelle reicht nicht mehr», ergänzt Christian Hintermann, Leiter Advisory Financial Services bei KPMG. «Wachstum ist die einzige Überlebensstrategie. Damit es sich einstellen kann, sind aber fundamentale Änderungen erforderlich», führt er weiter aus. Die Privatbanken müssen ihr Leistungsversprechen grundsätzlich überarbeiten, um ihren Kunden einen Mehrwert zu bieten. Die Dienstleistungsangebote müssen den sich wandelnden Kundenbedürfnissen angepasst werden und so ausgelegt sein, dass sie auch profitabel sind. Ferner muss die Vertriebseffizienz erhöht werden, in dem die Fähigkeiten der Front-Offices erhöht und die Prozesse weiterentwickelt werden. Auch müssen Geldhäuser die Industrialisierung und Prozessautomation insgesamt proaktiver vorantreiben und so ihre betriebliche Effizienz steigern. Auf diese Weise sind sie besser in der Lage, ihre Aufwand-Ertrags-Verhältnisse zu reduzieren.
In der aktuellen Untersuchung wurden die Privatbanken auf Grundlage ihrer Performance in vier Kategorien unterteilt. Die Studie klammert jedoch die unmittelbaren Folgen der globalen Finanzkrise aus und fokussiert auf das Abschneiden der Institute seit 2010. Die Ergebnisse veranschaulichen, wie sehr die Kluft zwischen den stärksten und schwächsten Privatbanken wächst. Über ein Drittel der untersuchten Banken zählt zur Gruppe der «Weak Performer». Beunruhigend ist dabei die Tatsache, dass die Aufwand-Ertrags-Verhältnisse dieser Gruppe alleine im letzten Jahr um fast 10 Prozentpunkte gestiegen sind und dass über die Hälfte Verluste ausgewiesen haben. «Wenn der 2015 eingeleitete Trend einer vermehrten Marktverdrängung von schwachen Performern anhält, kann es in den nächsten zwei bis drei Jahren zu einer weiteren Reduktion um jährlich 10 Prozent kommen», gibt Hintermann zu bedenken.
Rund ein Viertel der Privatbanken mit positiven Aussichten
Die Untersuchung hat aber auch Positives gezeigt: So ist es der Gruppe der «Average Performer – Up» gelungen, die Eigenkapitalrenditen seit 2010 laufend zu steigern, die Netto-Erträge pro Vollzeitmitarbeiter zu erhöhen und die Aufwand-Ertrags-Verhältnisse zu verbessern. Die Privatbanken dieser Kategorie könnten die «Strong Performer» von morgen werden.
Die wichtigsten Ergebnisse der KPMG-Studie «Clarity on Performance of Swiss Private Banks»:
1. Innerhalb eines Jahres ist jede zehnte Privatbank vom Markt verschwunden
Vergangenes Jahr prognostizierte KPMG einen Rückgang der Zahl der Banken um 30 Prozent binnen weniger Jahre. Diese Prognose bestätigt sich bzw. ist sie womöglich sogar zu konservativ, hat sich doch 2015 bereits jede zehnte Privatbank vom Schweizer Markt verabschiedet. Mehrere ausländische Geldinstitute wie beispielsweise die Royal Bank of Canada oder Coutts International haben den hiesigen Markt verlassen, während einige Schweizer Privatbanken mit der schwächsten Performance («Weak Performer») ihre Tore geschlossen haben. 2015 kam es zu 15 Fusionen und Übernahmen, an denen Schweizer Privatbanken beteiligt waren. Dies ist der höchste Stand seit 2007. Dabei machen «Asset Deals» mit rund zwei Dritteln aller Transaktionen die deutliche Mehrheit aus, was eine anhaltende Angst von Käufern vor der Übernahmen von Altlasten im Rahmen von «Share Deals» widerspiegelt.
2. Zwei Drittel der Banken sind mit rückläufiger Eigenkapitalrendite konfrontiert
Zwei Drittel der Banken mussten vergangenes Jahr einen teils deutlichen Rückgang der Eigenkapitalrendite hinnehmen. «Weak Performer» traf es besonders hart. Ihre Eigenkapitalrendite sank 2015 auf -0,9 Prozent. Von den 87 untersuchten Privatbanken gelang es gerade einmal sechs Instituten, die Eigenkapitalrendite in den letzten drei Jahren kontinuierlich zu steigern. Hintergrund dieser letztjährigen Entwicklung bildeten der starke Schweizer Franken, Negativzinsen sowie anhaltende regulatorische Veränderungen, namentlich der Automatische Informationsaustausch sowie Selbstanzeigeprogramme.
3. Praktisch kaum Nettoneugelder
Das negative Marktumfeld und die Unfähigkeit der Schweizer Privatbanken, Nettoneugelder zu generieren, führten 2015 zu einem Rückgang der verwalteten Vermögen um 100 Milliarden Schweizer Franken. Selbst unter den «Strong Performern» war das generierte Nettoneugeldvolumen fast vernachlässigbar, während die «Weak Performer» Nettoabflüsse verzeichneten. Insgesamt beliefen sich die Nettoneugelder 2015 auf 4,3 Milliarden Schweizer Franken, was der niedrigste Stand seit 2009 ist. Zwischen «Strong Performern» und «Weak Performern» war die Kluft besonders gross: Die Differenz bei Nettoneugeldern belief sich auf rund 8 Prozentpunkte. Erzielten Erstere beim Nettoneugeldvolumen ein Plus von 1,9 Prozent, verbuchten «Weak Performer» ein Minus von 5,7 Prozent. Institute mit internationaler Präsenz (Tochtergesellschaft oder Niederlassung im Ausland) waren eher in der Lage, Nettoneugelder zu generieren.
4. Auf der Suche nach Wachstum
Die grossen Privatbanken waren mit Blick auf Synergieeffekte und Neugeschäfte aktiv um Wachstum im In- und Ausland bemüht. Der Median der Eigenkapitalrendite jener Banken, die zwischen 2010 und 2014 grössere Übernahmen getätigt hatten (Einzeltransaktionen in Höhe von mindestens 10 Prozent des vom Käufer verwalteten Vermögens), stieg in den zwei Jahren nach der Übernahme (bzw. im Jahr nach der Transaktion bei den 2014 abgeschlossenen Akquisitionen) um 2,8 Prozentpunkte. Dank dieser Transaktionen waren die betreffenden Banken 2015 zudem in der Lage, ihr Aufwand-Ertrags-Verhältnis durchschnittlich um 1,9 Prozentpunkte zu reduzieren.
5. Deutlich zunehmende Aufwand-Ertrags-Verhältnisse
Die Personalkosten machten letztes Jahr 67,2 Prozent des Betriebsaufwands aus. Obwohl die Zahl der Angestellten in der Branche durch Übernahmen und Liquidationen abnahm, erhöhte sich bei zwei von drei Banken der Median der Aufwand-Ertrags-Verhältnisse um einen Prozentpunkt. Die «Weak Performer» traf es am ärgsten: Der Median ihrer Aufwand-Ertrags-Verhältnisse stieg allein vergangenes Jahr um satte 9,5 Prozentpunkte. Trotzdem sind weitere Investitionen erforderlich. Zu viele private Geldhäuser arbeiten immer noch mit alten Kernbankensystemen. Diese lassen sich zwar günstiger betreiben, sind aber nicht flexibel genug, um die Kundenbedürfnisse abzudecken und erfolgreich ins digitale Bankgeschäft vorzudringen. (KPMG/mc/pg)