Robert Spector, Portfolio Manager bei MFS Investment Management.
Boston – Die extrem expansive Geldpolitik bewirkte bislang keinen selbstragenden Wirtschaftsaufschwung. Eine Reihe von Anzeichen spricht jedoch dafür, dass es mit der Weltwirtschaft nun bergauf geht. Die Politik in den USA und Europa wird diese Entwicklung massgeblich beeinflussen. Dies schreibt Robert Spector, Portfolio Manager bei MFS Investment Management, in seinem jüngsten Marktkommentar.
Es bestehen wenig Zweifel, dass zurzeit das grösste geldpolitische Experiment der letzten Jahre stattfindet. In über 70 % der G20-Länder betragen die Leitzinsen höchstens 2 %. Bei Inflationszielen von zumeist 2 % sind die Leitzinsen real schon seit einiger Zeit negativ, ein klarer Hinweis auf eine extrem expansive Geldpolitik. Wenn man sich dann noch bewusst macht, wie stark die Notenbankbilanzen durch Quantitative Easing ausgeweitet wurden, bekommt „lockere Geldpolitik‘‘ eine völlig neue Bedeutung.
Extremrisiken an den Geldmärkten haben abgenommen
Sicherlich hat diese Politik die Risiken verringert; eine Deflation wurde vermieden. Die Extremrisiken an den Geldmärkten und im Bankensystem haben abgenommen und die Kurse risikoreicherer Wertpapiere wie Aktien und Unternehmensanleihen sind kräftig gestiegen. Natürlich gab es auch heftige Kursschwankungen, denn die Risikobereitschaft der Marktteilnehmer wechselte häufig. Dennoch haben sich internationale Aktien seit Ende 2008 besser als internationale Staatsanleihen entwickelt – auch in diesem Jahr.
Kein selbsttragender, synchroner Aufschwung der Weltwirtschaft
Mit der extrem expansiven Geldpolitik ist es aber nicht gelungen, einen selbsttragenden, synchronen Aufschwung der Weltwirtschaft zu erreichen. Trotz rekordverdächtiger Konjunkturmassnahmen in den letzten vier Jahren ist das Wachstum noch immer unterdurchschnittlich. Typisch sind kleinere Mini-Aufschwünge, die sofort vorüber sind, wenn die Wirkung der Konjunkturmassnahmen nachlässt – bis die Erwartung neuer geldpolitischer Massnahmen dann zu einem neuen Mini-Boom führt.
Sechs Gründe für einen kleinen Aufschwung
Folgende Punkte lassen vermuten, dass wir zurzeit auf der Schwelle zu einem solchen Mini-Boom stehen:
- Es gibt erste Anzeichen für eine Erholung der internationalen Industriekonjunktur und des Welthandels. Weltweit haben die Einkaufsmanagerindizes ihre Tiefpunkte erreicht. In den USA und in China steigen sie bereits wieder.
- Der amerikanische Wohnimmobilienmarkt macht Fortschritte. Sowohl die Umsätze als auch die Preise steigen. Dies ist günstig für die Haushaltsvermögen, das Verbrauchervertrauen und die Bankbilanzen.
- Die Investitionen, die aufgrund der Unsicherheit durch die Fiscal Cliff zuletzt eher schwach waren, dürften wieder stärker zulegen – sofern man einen wie auch immer gearteten Haushaltskompromiss findet. Die Unternehmen haben grossen Nachholbedarf.
- In Europa werden die Sparprogramme zwar fortgesetzt, doch werden sie die Konjunktur 2013 nicht mehr so stark belasten wie im alten Jahr. Die Finanzrisiken sind dank der Massnahmen der EZB im Sommer und im Herbst zurückgegangen.
- Die chinesische Volkswirtschaft hat den Abschwung der Jahre 2010 bis 2012 überwunden. Sowohl die Exporte als auch der Immobilienmarkt haben sich stabilisiert. Zweifel gibt es aber noch an den Langfristaussichten, da die neue Staats- und Parteiführung wohl nicht wirklich zu Reformen bereit ist.
- Schliesslich wird auch die anhaltend expansive Geldpolitik die Konjunktur stützen. 2013 wird mit einer Ausweitung von QE3 gerechnet. In Europa sind Zinssenkungen möglich, und es gibt einige Anzeichen dafür, dass die japanische Notenbank mehr gegen die Deflation unternimmt.
Die USA und Europa bestimmen 2013 die globale Konjunkturentwicklung
Es gibt also Gründe für vorsichtigen Konjunkturoptimismus. Viel wird aber davon abhängen, was die Regierungen in den USA und in Europa tun. So steht trotz gewisser Fortschritte unmittelbar nach den Wahlen noch nicht fest, wie die Fiscal Cliff überwunden werden kann. Die Republikaner scheinen zu Kompromissen bereit, und nicht alle Steuerentlastungen der Bush-Administration werden verlängert. Die Verhandlungen dauern aber an, und es ist nicht auszuschliessen, dass die USA Anfang 2013 von der Klippe stürzen.
Wenn die Politik hingegen auch in den kommenden Monaten nur zu kleinen Schritten bereit ist, wird dies neue Unsicherheit bedeuten. Denn die USA werden dann schon sehr bald wieder die Schuldenobergrenze erreicht haben. Es droht erneut eine Herabstufung im Länderrating. Zudem macht Griechenland erneut Schlagzeilen. Europa tut sich nach wie vor schwer mit zusätzlichen Finanzhilfen für Griechenland und leugnet weiter die Unvermeidbarkeit eines weiteren Schuldenschnitts, obwohl die griechische Schuldenstandsquote mit 170 % weiter untragbar ist.
2013 kann also ein besseres Jahr werden. Oder werden die Politiker die Spielverderber sein? (MFS/mc/pg)