Mikio Kumada, CIIA, Global Strategist bei LGT Capital Partners.
Freienbach – Kommentar von Mikio Kumada, CIIA, Global Strategist bei LGT Capital Partners: Nächste Woche beginnt LGT Capital Partners mit der strukturierten und umfassenden dreimonatigen Überprüfung der taktischen Anlagepolitik für ihre globalen Multi-Asset-Strategien. Ohne konkrete Ergebnisse zwingend vorwegzunehmen, betrachten wir heute die mehrjährige Hausse der Industrieländerbörsen und des US-Dollar. Diese allgemeinen Trends scheinen sich gegenseitig zu verstärken und wirken robust. Sie dürften sich in naher Zukunft daher grundsätzlich nicht ändern.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Die meisten Schwellenländer haben im Laufe der letzten Jahrzehnte enorme Fortschritte erzielt. Ihre Volkswirtschaften besitzen in der Regel die notwendige Grösse und Tiefe und damit weiteres Entwicklungspotenzial. Sie bieten Unternehmen und Investoren weiter attraktive Ertragspotenziale, sei es direkt, durch unternehmerisches Handeln, oder indirekt, mittels, intelligenter, selektiver Investmentstrategien wie Private Equity und Hedgefonds. Zahlreiche Einzelaktien in vielen Sektoren der EM im Allgemeinen und aus Asien im Besonderen bieten zudem nach wie vor hohe strukturelles Wachstum. Wir bleiben also investiert.
Die öffentlichen Börsen der Schwellenländer hinken hinterher
An den öffentlichen Börsen sieht es allerdings anders aus. EM-Aktienkurse bewegen sich im Schnitt seit 2009 bestenfalls seitwärts. Jede Rallye scheint nach wenigen Monaten wieder weitgehend zu verpuffen. Die meisten EM-Währungen haben zum Teil deutlich an Wert verloren, während der Greenback nach einem Jahrzehnt im Rückzug eine Renaissance erlebt. 2014 kam zudem der Rohstoffcrash hinzu, der diese Trends weiter verstärkte. So notiert der Industrieländerindex MSCI Word in USD heute annähernd 2% höher als im Oktober 2007, dem Hoch der letzten Hausse, während der MSCI Emerging Markets in USD fast 40% tiefer steht.
Diese Entwicklungen sind bemerkenswert. Bis in die späten 2000er wurden die Aussichten für die EM und die Rohstoffmärkte schliesslich allgemein sehr optimistisch beurteilt. Daneben sprach man oft davon, dass die Tage des USD als dominierende Reservewährung gezählt seien. Stattdessen drehten die Trends danach sukzessive zugunsten der Industrieländer und der US-Währung, gleichsam als mahnende Erinnerung, dass sich die Welt immer in Zyklen bewegt. Die Frage lautet nun: Sind aktuellen Zyklen bei EM-Aktien und im USD schon wieder zu weit gegangen?
Keine dauerhafte Trendwende ohne eine längere Übergangsphase
Der Case für eine dauerhafte Wende in diesen Bereichen überzeugt noch nicht. Anlegerstimmung, Positionierung und Geldflüsse wirken im EM-Segment zwar einseitig negativ, was durchaus (temporäre) Gegenbewegungen vorankündigen kann. Vor dauerhaften Wenden müssten sich die Trends jedoch eine Zeit lang seitwärts bewegen – und solche Boden- bzw. Topbildungsphasen können lange andauern und sehr volatil sein. Dies war schliesslich auch während der Übergangsphase zugunsten der Industrieländer der Fall: Der MSCI Word bewegte sich gegenüber dem MSCI Emerging Markets von 2009 bis 2013 seitwärts. Obwohl der Tiefpunkt schon 2010 markiert wurde, dauerte es noch bis Januar 2013, bis sich die Trendwende klar offenbarte und an Dynamik gewann.
Industrieländer und USD zeigen weiter relative Stärke
Kurz: Der relative Stärketrend der Industrieländeraktien ist noch ungebrochen und es ist bisher auch keine Topbildung auszumachen. Das gilt übrigens auch für den USD gegenüber den meisten anderen Währungen. Und weil EM-Währungsrisiken weniger effizient und günstig abgesichert werden können, müsste wahrscheinlich zuerst der USD drehen, bevor der Markt generell mehr Vertrauen in eine breite EM-Erholung fassen kann. Auch die konjunkturellen Frühindikatoren (z.B. Markit-Einkaufsmanagerindizes) zeigen klar, dass die traditionellen Industrieländer weiterhin zyklisch im Vorteil liegen. Zusammenfassend kann man sagen: Zu viel Pessimismus gegenüber den Schwellenländern wäre heute zwar ebenso falsch, wie der Optimismus der 2000er. Für eine generelle relative Trendwende zugunsten der EM ist es jedoch noch zu früh.
Relative Stärke der Industrieländer und des US Dollar
Die Grafik (siehe PDF, Seite 2, Chart 1) zeigt den MSCI World (d.h. primär Nordamerika, Westeuropa und Japan, in lokaler Währung) gegenüber dem MSCI Emerging Markets und MSCI Asia Pacific ex. Japan (beide in USD). Der relative Abwärtstrend der Industrieländer drehte nach einer Bodenbildung, die zumindest von Herbst 2010 bis Herbst 2011 dauerte. Diese engere Bodenbildung ist jedoch erst im Nachhinein deutlich identifizierbar. Im weitesten Sinne dauerte dieser Prozess sogar ganze vier Jahre, von 2009 bis 2013. Der neue Aufwärtstrend zugunsten der Developed Markets wurde nämlich erst Anfang 2013 wirklich klar sichtbar. Dieser relativ junge Aufwärtstrend ist jedenfalls noch ungebrochen und es gibt keine Hinweise, dass eine Topbildung begonnen hat. Der starke USD untermauert diesen Trend zusätzlich (Anmerkung: Für die Industrieländer verwenden wir den Lokalwährungsindex, weil die Währungsrisiken leicht abgesichert werden können. Das Grundbild ändert sich aber kaum, wenn wir für alle Regionen USD-basierte Indizes nehmen).
PMI-Umfragen gegen den entwickelten Volkswirtschaften weiter den Vorteil
Die Tabelle (PDF, Seite 2, Chart 2) zeigt Ergebnisse der Markit Einkaufsmanagerumfragen (verarbeitendes Gewerbe) für die 25 Industrie- und Schwellenländer seit November 2013. Blaue Zellen markieren Messwerte über 50 (erwartete Zunahme wirtschaftlicher Aktivität in den kommenden Monaten), die roten Zellen Werte unter 50 (Rückgang der zukünftigen Aktivität, wenn auch nicht zwingend eine Rezession). Klar ersichtlich ist, dass die zyklischen Aussichten weiterhin die entwickelten Volkswirtschaften begünstigen. (LGT/mc)