Vaduz – Selten zuvor herrschte in der Finanzgemeinde in Bezug auf eine bevorstehende Trendwende so einhellige Übereinstimmung wie heute: 2014 ist die monetäre Wende angesagt! Vorsicht: Der makroökonomische Datenfluss ist zurzeit alles andere als eindeutig, die verfügbaren Informationen reichen jedenfalls nicht, um daraus ein auch nur einigermassen gesichertes Bild über den Konjunkturverlauf der nächsten Jahre zu erhalten. Eine Rückkehr zu Zinsniveaus früherer Zeiten ist aber nicht zu erwarten,schreibt der Chefökonom des Liechtenstein Global Trust (LGT), Dr. Alex Durrer, im «Investorama» zweite Ausgabe 2014.
Ein Zins- Vorstoss in jene Regionen, welche die einst bewährte, aber eben nur unter freien Marktregimes taugliche Zinsformel propagieren würde, bleibt unrealistisch. Die monetäre Wende verdient aus geldpolitischer Perspektive bestenfalls das Prädikat halbherzig; aus anlagepolitischer Warte ist sie als unspektakulär einzustufen.
Konjunkturdaten nicht zuverlässig
Schliesslich sind vieleKonjunktur- Zahlen von einer heftigen Zufallskomponente überlagert. Noch nebulöser als die makroökonomische Entwicklung ist die Kommunikationsstrategie des Federal Reserve: Ende letzten Jahres wurde der Stellenwert des zuvor proklamierten Schwellenwerts wieder demontiert – und damit uno actu die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt. Seither heisst es, der Leitzins könne noch «geraume Zeit länger» nahe null bleiben… Der eigentliche Grund für den bisherigen Zickzackkurs liegt in jener gravierenden Abhängigkeit der Finanzmärkte von politischer Stimulierung, wie sie uns gnadenlos vor Augen geführt wurde.
Tatsächlich scheint die aktuelle Wirtschaftslage im Widerspruch zur gegenwärtigen Zinsstruktur bzw. zu jener «ökonomischen Binsenweisheit», wonach ein zehnjähriger Zins die Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer für die Wirtschaftsentwicklung – konkret: für Realwachstum plus Inflation in den nächsten zehn Jahren – reflektiert. Denn solange die Renditen von diesen Erwartungen abweichen, lohnen sich Vermögensumschichtungen von Staatsanleihen in die Volkswirtschaft und umgekehrt. Sonach läge das Renditeniveau zehnjähriger US-Treasuries selbst unter konservativen Annahmen für Amerikas Zukunft mindestens hundert Basispunkte zu tief. Analoges gilt etwa für deutsche Bundesanleihen, schweizerische Eidgenossen und erst recht für japanische Staatsanleihen. Denn mit freien Marktkräften hat dies alles nichts mehr zu tun! Entlang der gesamten Zinsstrukturkurve bilden sich die Sätze heute nicht mehr durch jene «unsichtbare Hand», welche früher Angebot von und Nachfrage nach Kapital – wie im Lehrbuch – auf natürliche Weise ausgeglichen hat. Längst wurde diese abgelöst durch die nur allzu visible Hand der politischen Akteure, welche das Zinsgefüge mit der Brachialgewalt vehement aufgeblähter Zentralbankbilanzen unterjochen. Die neue Realität hat dem Machtprinzip der finanziellen Repression zu gehorchen, weil die hohen Staatschulden nur mit niedrigen Zinsen finanzierbar sind.
Öffentlicher Schuldenberg bleibt
Die öffentlichen Schuldenberge werden nämlich weder dies- noch jenseits des Atlantiks abgetragen. Vielmehr sind im Bereich dieser Strukturprobleme hüben wie drüben vor allem meisterliche Problemverdrängung und oberflächliche Überkleisterung auszumachen. Austerität scheint ein Konzept zu sein, das ausschliesslich in der Theorie, nicht aber in der Praxis funktionieren kann – weniger aus ökonomischen als vielmehr aus politischen, demokratiebedingten Gründen. Was für die USA und die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt, trifft in noch stärkerem Ausmass für Japan zu.
Der über dreissigjährige Bullenmarkt bei jenen letzten Staatsanleihen, die offiziell immer noch als erstklassig gelten, ist zwar am Auslaufen, eine Trendwende bei den Renditen absehbar. Die monetäre Wende verdient aus geldpolitischer Perspektive bestenfalls das Prädikat halbherzig; aus anlagepolitischer Warte ist sie als unspektakulär einzustufen. Zusätzlich zu den fiskalpolitisch motivierten Verzerrungen und Verzögerungen ist einmal mehr auch Herdentrieb am Werk, sind psychologisch bedingte Laufzeitkorrekturen unter Leidensdruck von vermeintlich falsch positionierten respektive zu früh vorsichtig gewordenen Investoren dafür verantwortlich, dass sich die Zinswende verschiebt und auch fortan nicht linear verlaufen wird.
Ruhe bewahren
In diesem pathologisch politisch geprägten Umfeld, das weder für Konjunktur, Börsen noch Zinsverlauf spektakuläre Anstiege verheisst, hilft nervöse Hektik nicht weiter. Wie im täglichen Leben glaubt man nämlich allenthalben viel mehr Wendepunkte zu sehen, als tatsächlich vorhanden sind. Nicht nur Zentralbanken sollten zur altbewährten Politik der ruhigen Hand zurückfinden, statt sich von kurzfristigen Entwicklungen zu unnötig vielen Richtungskorrekturen verleiten zu lassen. Auch für Anleger zahlt sich das disziplinierte Befolgen einer langfristigen Strategie mehr aus, als jeder Veränderung hektisch hinterherzulaufen. (LGT/mc/cs)