EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. (Foto: EU-Kommission)
Brüssel – Die EU hat gegen die Deutsche Bank und weitere internationale Grossbanken im Zinsskandal eine Rekordstrafe von 1,71 Mrd EUR verhängt. Auf die Deutsche Bank entfällt mit 725 Mio EUR der Grossteil. Die EU-Kommission bestrafte die sechs Finanzinstitute am Mittwoch wegen Zinsmanipulationen mit der insgesamt höchsten je verhängten Kartellstrafe in diesem Bereich. Die UBS und die britische Barclays kommen um Strafen herum, weil sie die Kartellwächter über die Manipulation informiert hatten.
EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia zeigte sich empört über das Ausmass: «Die Manipulation der Zinssätze betrifft Millionen von Verbrauchern, etwa weil Hypotheken-Zinsen daran gekoppelt sind.» Die Banken aus Europa und den USA hätten sich bei der Festlegung von Referenzzinssätzen für den globalen Finanzmarkt abgesprochen und diese dadurch manipuliert – etwa um Handelsgewinne einzustreichen. Die Strafe fiel an für die Manipulation des für den Euro wichtigen Referenzzinssatz Euribor und Libor-Angebote in Yen und auch den japanischen Tibor. Die Höchststrafe für die Deutsche Bank ergibt sich, weil sie nach Untersuchungen der EU sowohl beim Euribor- als auch beim Liborskandal beteiligt war. An der Börse war die Busse bereits erwartet worden, so dass die Entscheidung kaum Einfluss auf die Aktienkurse der Banken hatte.
Deutsche Bank zahlt Vergleich aus Vorsorge
In einer Stellungnahme erklärte die Deutsche Bank, dass sie als Teil eines Gesamtvergleichs mit der EU-Kommission eine entsprechende Vereinbarung getroffen habe. Die Chefs der Grossbank Jürgen Fitschen und Anshu Jain dazu: «Der Vergleich betrifft Verhaltensweisen von einzelnen Mitarbeitern in der Vergangenheit, die schwere Verstösse gegen Werte und Überzeugungen der Deutschen Bank darstellen». Die Geldbusse von 725,4 Mio EUR sind nach Angaben der Bank bereits weitestgehend in der Vorsorge für Rechtsrisiken berücksichtigt.
Die UBS wollte den Entscheid der EU-Kommission zum Libor-Skandal nicht kommentieren. Vor einem Jahr war die UBS von den Aufsichtsbehörden in Grossbritannien, der USA und der Schweiz für am Skandal mitverantwortlich erklärt worden. Die Grossbank musste die Summe von rund 1,4 Mrd CHF an Behörden in den drei Ländern bezahlen.
Zu den nun von der EU bestraften Instituten zählen zudem die Royal Bank of Scotland, die französische Société Générale sowie die US-Banken Citigroup und JPMorgan. Die zweithöchste Strafe muss die Société Générale mit 446 Mio EUR zahlen, gefolgt von RBS mit 391 Mio. Auf JPMorgen und Citigroup entfallen 80 Mio und 70 Mio EUR, der britische Broker RP Martin muss 247’000 EUR zahlen.
Bestrafung und Abschreckung
Die von Manipulationen betroffenen Referenzzinsen gelten als Basis für Finanzgeschäfte von Hunderten Billionen Dollar, zahlreiche Kredite sind daran gekoppelt. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sagte zu aussergewöhnlichen Höhe der Geldbusse: «Es geht um Bestrafung und Abschreckung.» Die EU-Kommission sei fest entschlossen, Kartelle im Finanzsektor zu bekämpfen und zu sanktionieren.
Referenzzinssätze sind auch für private Kreditnehmer wichtig, weil Kredite mit variablem Zinssatz davon abhängen. Nach EU-Angaben trifft dies in Europa auf 40% der Verbraucherkredite zu. In Deutschland sind diese aber – etwa bei Häuslebauern – nicht so stark verbreitet wie in anderen Ländern.
Weltweiter Skandal
Der Skandal um manipulierte Zinssätze hat sich zu einem weltweiten Fall entwickelt. Die EU-Behörde ermittelte seit zwei Jahren. Aufseher haben weltweit bislang Strafen von insgesamt rund 3,7 Mrd USD wegen des Libor-Skandals ausgesprochen.
Die Grossbanken haben die Zinssätze nachweislich jahrelang manipuliert, um höhere Gewinne einzustreichen. So gibt etwa die «London Interbank Offered Rate» (Libor) an, zu welchen Konditionen sich Banken gegenseitig Geld leihen. Der Euribor ist quasi die Euro-Variante, der Tibor für den Yen. Festgelegt werden die Zinssätze bisher täglich von einer Reihe internationaler Grossbanken – nahezu unbeaufsichtigt.
Neue Regeln geplant
Um künftig solche Manipulationen zu verhindern, hat die EU-Kommission im September einen Gesetzentwurf vorgestellt. Libor und Euribor sollen demnach künftig nur noch unter behördlicher Aufsicht bestimmt werden. Zinsfälschern drohen hohe Geldbussen und sogar Haftstrafen. Diese neuen Regeln könnten frühestens ab 2015 gelten.
UBS profitiert von Kronzeugenregelung
Die verurteilten Banken sind die Deutsche Bank, die französische Société Générale, die Royal Bank of Scotland, die US-Banken Citigroup, JPMorgan Chase sowie RP Martin, die UBS und die britische Barclays. UBS und Barclays hatten den Behörden von den Vorgängen erzählt. Deswegen profitieren die grösste Schweizer Bank und das Londoner Finanzimperium von einer Kronzeugenregelung. «Andernfalls wäre die UBS für ihre Beteiligung an fünf der sieben Zuwiderhandlungen mit einer Geldbusse von 2,5 Mrd EUR belegt worden», teilte die EU-Kommission am Mittwoch mit. Bei Barclays hätte eine Strafe von 690 Mio EUR ins Haus gestanden. (awp/mc/upd/ps/cs)