Lira-Krise heizt Inflation an – Türkische Notenbank alarmiert
Ankara / Frankfurt – Die Lira-Krise lässt die Inflation in der Türkei immer weiter in die Höhe schnellen. Im August seien die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 17,9 Prozent gestiegen, teilte das Statistikamt am Montag in Ankara mit. Dies ist die höchste Teuerungsrate seit September 2003 und übertrifft die Befürchtungen von Analysten. Im Juli hatte die Rate noch bei 15,85 Prozent gelegen. Die türkische Notenbank zeigte sich besorgt und kündigte weitere Schritte an.
Seit Monaten ist die türkische Landeswährung Lira stark unter Druck, was die Inflation nach oben treibt, weil importierte Waren teurer werden. Im August kam es zu einem besonders rasanten Absturz der Währung auf neue Rekordtiefs zum Euro und Dollar. Ein Euro war zwischenzeitlich über 8 Lira wert, zum Jahresbeginn waren es noch 4,5 Lira. Eine nachhaltige Erholung gab es bislang nicht.
Auslöser für den Absturz im August war unter anderem ein Streit mit den USA wegen der Inhaftierung eines US-Pastors in der Türkei. Zudem sehen Investoren die Unabhängigkeit der türkischen Notenbank in Gefahr. Langfristig machen der Türkei hohe Aussenhandelsdefizite, hohe Auslandsschulden sowie steigende Zinsen in den USA zu schaffen.
«Deutliche Risiken für die Preisstabilität»
Die türkischen Währungshüter sind angesichts der Auswirkungen der Lira-Krise auf die Inflation alarmiert. «Jüngste Entwicklungen bezüglich der Inflationsaussichten weisen auf deutliche Risiken für die Preisstabilität hin», teilte die Notenbank kurz nach der Veröffentlichung der Inflationszahlen mit. Man werde unter Einsatz aller vorhandenen Mittel die notwendigen Massnahmen ergreifen, um die Preisstabilität zu gewährleisten. Bei der kommenden Sitzung Mitte September werde man den geldpolitischen Kurs anpassen, hiess es weiter. Die Lira wurde durch die Ankündigung sowohl zum Euro als auch zum Dollar etwas gestützt.
In Reaktion auf die Lira-Krise hat die türkische Notenbank bereits die Reserve-Anforderungen an bestimmte Währungsgeschäfte angehoben und heimischen Banken zusätzliche Refinanzierungsgeschäfte sowie Möglichkeiten zum Leihen von Fremdwährungen angeboten. Ausserdem verwehrte sie Banken den Zugang zum niedrigsten der drei wichtigen Leitzinsen.
Bislang keine Zinserhöhung
Von einer offiziellen Zinserhöhung sahen die Währungshüter jedoch bislang ab – womöglich auch aus Rücksicht auf Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der ein erklärter Gegner hoher Zinsen ist und die Notenbank zuletzt stärker unter seine Fittiche genommen hatte. Viele Experten halten aber eine Zinsanhebung für nötig, um der Lira-Krise Herr zu werden.
Kaum ausreichen dürfte jedenfalls die jüngste Massnahme der Regierung. Am Freitag gab Ankara bekannt, Steuern auf bestimmte Geldeinlagen in Dollar zu erhöhen und Vergünstigungen für solche in Lira zu schaffen. Dadurch soll die Kapitalflucht eingedämmt werden, indem Investoren davon abgehalten werden, Lira in Dollar umzutauschen. Die Lira erholte sich nach dieser Ankündigung aber nur leicht.
Tatha Ghose, Experte bei der Commerzbank, warnt unterdessen vor einer weiteren deutlichen Beschleunigung der Teuerung in der Türkei. Die Verschärfung der Lira-Krise vom August spiegle sich im jüngsten Inflationsanstieg noch gar nicht wider, meint Ghose. Sie sei lediglich «eine Altlast der vergangenen Lira-Abwertung». Bis Ende des Jahres rechnet der Experte mit einer Inflation zwischen 25 und 30 Prozent.
Ein Hinweis auf eine weitere Beschleunigung der Teuerung ist auch, dass die sogenannten Produzentenpreise im August um über 32 Prozent zulegten. Sie geben das Preisniveau auf Ebene der Hersteller – also noch nicht im Handel – wider und gelten als Indikator für die Inflationsentwicklung. (awp/mc/ps)