Lira-Krise in der Türkei: Konferenz mit tausenden Investoren
Istanbul – Angesichts der massiven Währungsturbulenzen hofft die Türkei auf das Engagement finanzstarker Investoren. Vier Tage nachdem die türkische Landeswährung Lira wegen des Streits mit den USA auf historische Tiefstände gefallen war, sprach Finanzminister Berat Albayrak am Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit Tausenden ausländischen Investoren. Am Morgen war die Rede von rund 4000 Teilnehmern aus Europa, den USA und dem Nahen Osten gewesen. Offiziell wurden zunächst keine Details aus der Präsentation Albayraks bekannt.
Teilnehmer der Konferenz berichteten jedoch, Albayrak habe möglichen Kapitalverkehrskontrollen eine Absage erteilt und versichert, diese stünden niemals auf der Agenda. Man arbeite an einem Plan zur Bekämpfung der hohen Inflation und des hohen Leistungsbilanzdefizits. Die Verringerung der Teuerungsrate habe dabei oberste Priorität. Zudem habe der Finanzminister versichert, man werde durch ambitionierte Sparmassnahmen die Staatsfinanzen verbessern.
Die Lira verliert schon seit Monaten an Wert, aber der Streit mit den USA um das Schicksal des in der Türkei wegen Terrorvorwürfen festgehaltenen US-Pastors Andrew Brunson hatte sie Freitag und Montag auf neue Tiefststände abstürzen lassen. Die USA hatten am Freitag aus Frustration über mangelnde Fortschritte in der Brunson-Affäre Zölle für zwei türkische Produkte stark angehoben. Die Türkei schlug am Mittwoch mit gleich 22 Sanktionen gegen US-Produkte zurück.
Druck auf Lira lässt etwas nach
Die Lira erholte sich nach Notmassnahmen der türkischen Zentralbank ab Montag sowie einem Angebot des Golfstaats Katar am Mittwoch, 15 Milliarden Dollar in der Türkei zu investieren.
Albayrak telefonierte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auch mit seinem deutschen Kollegen Olaf Scholz. Scholz habe demnach betont, dass eine starke türkische Wirtschaft wichtig für Deutschland und Europa sei. Am 21. September wollen Albayrak und Scholz demnach in Berlin zusammentreffen. Vermutlich geht es dabei um die Vorbereitung des Staatsbesuchs von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Deutschland Ende September.
Die Währungskrise sowie die scharfe Auseinandersetzung mit den USA über das Schicksal eines in der Türkei wegen Terrorvorwürfen festgehaltenen US-Pastors scheint die Türkei näher an Europa und vor allem Deutschland heranzurücken. Albayrak habe Scholz für die Unterstützung Deutschlands gedankt, berichtete Anadolu weiter. Er bezog sich damit unter anderem auf Bemerkungen von Kanzlerin Angela Merkel. Merkel hatte sich am Montag besorgt über die Lage in der Türkei geäussert. «Deutschland möchte jedenfalls eine wirtschaftlich prosperierende Türkei», hatte sie gesagt.
Albayrak hatte bereits am Dienstag betont, dass eine Vertiefung der Beziehungen zu Europa und langfristige Zusammenarbeit die beste Antwort auf die Bedrohung durch die USA seien. Die französische Regierung bestätigte am Donnerstag ebenfalls ein Telefongespräch Erdogans mit Präsident Emmanuel Macron. Macron habe Erdogan versichert, dass Frankreich eine stabile und florierende Türkei wichtig sei. Er werde Erdogan in dieser Hinsicht unterstützen. (awp/mc/ps)