Regierungs-Chaos in Italien lässt Finanzmärkte beben

Regierungs-Chaos in Italien lässt Finanzmärkte beben
Der Quirinalspalast, Dienstsitz des italienischen Staatspräsidenten.

Mailand – Nach einem kurzen Anflug von Erleichterung hat die geplatzte Regierungsbildung in Italien die Finanzmärkte stark unter Druck gesetzt. Zwar hatten die Anleger zunächst kurz aufgeatmet, weil die Liaison der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Partei Lega vorerst gescheitert ist. Doch die Stimmung kippte schnell und die Furcht vor einem dauerhaften Regierungs-Chaos gewann die Oberhand. Die Börse in Mailand geriet ins Schlingern und die Renditen auf italienische Staatspapiere stiegen rasant. Auch über Italien hinaus gab es starke Verunsicherung. Der Euro fiel auf den tiefsten Stand in diesem Jahr.

Der gemeinsame Kandidat der bislang angestrebten Populisten-Koalition für das Amt des Ministerpräsidenten, Giuseppe Conte, hatte am Sonntag nach nur vier Tagen den Regierungsauftrag an Staatspräsident Sergio Mattarella zurückgegeben. Grund dafür war vor allem der Streit über die geplante Ernennung des Euro- und Deutschland-Kritikers Paolo Savona zum Finanzminister. Am Montag erteilte der Präsident dem Wirtschaftsexperten Carlo Cottarelli, einem ehemaligen Direktor beim Internationalen Währungsfonds (IWF), den Auftrag zur Bildung einer Übergangsregierung, die das Land in eine Neuwahl führen soll.

An der Börse in Mailand rutschten die Aktienkurse zwischenzeitlich um über zwei Prozent ab. Die Rendite auf zehnjährige italienische Staatspapiere stieg auf bis zu 2,68 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit dem jüngsten Höhepunkt der Griechenland-Krise im Sommer 2015 – eine schlechte Nachricht für Rom, denn höhere Marktzinsen auf Staatspapiere machen die Aufnahme neuer sowie die Refinanzierung alter Schulden tendenziell teurer.

Erinnerungen an Euro-Krise werden wach
Am gesamten europäischen Anleihemarkt wurden Erinnerungen an die Euro-Krise wach. Die brisante politische Lage in der drittgrössten Euro-Volkswirtschaft verunsichert die Anleger besonders stark, weil das Land im Währungsraum auf dem höchsten Staatsschuldenberg sitzt und weltweit den drittgrössten Rentenmarkt hat – nach den wirtschaftlichen Riesen USA und Japan. Mit 2,26 Billionen Euro steht Italien noch tiefer in der Kreide als Deutschland, obwohl die italienische Wirtschaft fast nur halb so leistungsstark ist. Die Staatsschuldenquote Italiens – also die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung – liegt bei über 130 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind es unter 70 Prozent.

Aufgrund der hohen Bedeutung Italiens für den Euroraum gerieten auch Anleihen anderer südeuropäischer Länder wie Portugal und Spanien unter Druck. Hier kamen auch politische Turbulenzen in Madrid erschwerend hinzu, denn die spanischen Sozialisten attackieren derzeit Ministerpräsident Mariano Rajoy mit einem Misstrauensantrag. Unterdessen sinken die Renditen in denjenigen Euro-Ländern, die – wie allen voran Deutschland – den Anlegern als besonders sichere Häfen in riskanten Zeiten gelten. Der Euro fiel auf den tiefsten Stand seit November bei 1,1639 Dollar.

Zwar begrüssen die meisten Ökonomen, dass die angestrebte Koalition in Rom vorerst gescheitert ist, nachdem in ihrem Umfeld zuletzt über einen Euro-Austritt, Schuldenerlasse, statistische Tricks bei der Schuldenberechnung und über die Einführung einer Parallelwährung sinniert worden war. Aber die Unsicherheit bleibt. «Aus heutiger Sicht ist der Amtsantritt einer italienischen Regierung, die auf Konfrontationskurs zur EU geht und deren Regeln missachtet, nur aufgeschoben», sagte Ralph Solveen, Experte bei der Commerzbank. Schliesslich darf die rechtspopulistische Lega laut Umfragen bei Neuwahlen auf kräftige Stimmengewinne hoffen.

Wenig Handlungsspielraum für Übergangsregierung
Zudem dürfte die Übergangsregierung wenig Handlungsspielraum haben. Die feindliche Mehrheit im Parlament würde Reformen von der Art verhindern, wie sie der Technokrat Mario Monti in den Jahren 2011 bis 2013 umgesetzt hatte, meint Holger Schmieding Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Allerdings sei ein politischer Stillstand angesichts der Lage gar nicht mal das Schlechteste. «Eine Regierung, die wenig macht, ist besser als eine Regierung, die viel Unsinn macht», so Schmieding. (awp/mc/ps)

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