Schwellenländer versprechen gute Renditen, gleichzeitig schneiden sie bei ESG-Ratings oft schlecht ab. Für Anleger stellt sich die Gewissensfrage: Rendite auf Kosten von Gesellschaft, Umwelt und guter Unternehmensführung? Diese Frage muss nicht sein, wenn man Eigenanalysen durchführt.
Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien in Investmentfonds ist bei Investoren und Unternehmen in Europa und in den USA bereits ein weitreichend etabliertes Konzept und rückt allmählich auch in vielen Schwellenländern vermehrt in den Fokus. Dennoch befinden sich ESG-Konzepte hier noch in den Kinderschuhen.
ESG im Entwicklungsstadium
Es fehlen Kontrollmechanismen und Corporate Governance Strukturen, kleinere Emittenten haben nicht die Ressourcen, um adäquate ESG-Rahmenwerke zu erstellen. Dies führt zu vergleichsweise schlechteren ESG-Rating von Unternehmensanleihen, da sie durch die Maschen der gängigen Kriterien fallen.
Mit genauem Blick links und rechts der bekannten Prüfungen und in engem Austausch mit dem Management können Anlegerinnen und Anleger mit Eigenanalysen und den richtigen Fragen diese Lücke schliessen. Im ersten Schritt müssen die Kriterien bei der eigenen ESG-Politik definiert werden: welche Anleihen schliesst man zum Beispiel aufgrund der Industrie systematisch aus? Der zweite Schritt fokussiert auf relative Kriterien bei den Emittenten, wie ihre Marktposition aber auch die historische und prognostizierte Entwicklung, ähnlich dem Investmentrational für Ratings der Kreditratingagenturen.
Zwischen den ESG-Rating-Zeilen lesen
Neben den offiziellen Ratings und ESG Kennzahlen sollten auch eigene Analysen und eine Einschätzung des Managements der Unternehmen erfolgen. Dazu zählen auch Faktoren wie Corporate Governance oder Controversy Resolution inklusive Finanzreporting. Insbesondere kleinere und erstemittierende Unternehmen in Schwellenländern berichten häufig aber nicht gemäss IRFS-Standards, publizieren nur sehr limitiert oder mit langen Zeitverzögerungen ihre Finanzzahlen. In diesem Umfeld ist die Bereitschaft des Managements, zusätzliche Informationen zu gewähren und relevante Fragen vollumfänglich zu beantworten, ein entscheidender Faktor bei der Beurteilung.
Die richtigen Fragen stellen
Des Weiteren findet man im High-Yield-Bereich oft familiengeführte Unternehmen. Hier sind Organisationsstrukturen und Stakeholder-Beziehungen wichtige ESG-Indikatoren: Werden externe Experten aktiv in die Organisation eingebunden, welche Beziehungen pflegt die Familie zu anderen Unternehmen und sind kritische politische Verflechtungen bekannt?
Kleinere Unternehmen haben zudem oft nicht die Standardstrukturen, um bestimme ESG-Kriterien wie beispielsweise ein Whistleblower-Programm zu managen. Aufschluss über die vorherrschenden informellen Standards gibt den Anlegern die Handhabung ESG-bezogener Risiken in der Vergangenheit.
Stellen Anleger die richtigen Fragen und scheuen nicht davor zurück, in einen engen Austausch mit dem Management zu gehen, profitieren sie bei Schwellenländeranleihen von ESG-konformen Investitionen mit hohen Renditen. (mc/pg)