Von Raiffeisen-Ökonom Roland Kläger.
St. Gallen – Zum Sommeranfang sind heftige Gewitter über die Finanzmärkte gezogen. Der Schweizer Leitindex SMI bewegt sich seit Anfang Juni zwischen rund 9’400 und 8’700 Punkten in einem breiten Handelsband. In China ist im Juli die Aktienblase geplatzt. Und in der Eurozone hatte bereits im April ein Kursrückgang eingesetzt. Auch für Obligationäre ist die Situation ungemütlich. Die abrupte Zinswende ist zwar zuletzt zum Stillstand gekommen, aber nach wie vor droht ein leichter Anstieg der Zinskurve.
War das bereits das klärende Gewitter an den Aktienmärkten? Ist jetzt ein günstiger Einstiegszeitpunkt? Wir haben im Mai und Juni die Risiken in Erwartung auf einen unruhigen Sommer etwas reduziert. Die Versuchung ist gross, an Tagen fulminanter Aktienkursbewegungen die Risiken wieder hochzufahren. Denn selbst Anzeichen eines Silberstreifs am Horizont werden von den Märkten mit einem Rally quittiert. Aber Griechenland, China und mögliche Zinserhöhungen in den USA bleiben die bekannten Risikofaktoren.
Griechenland: Situation nur temporär gelöst
Die Aussicht auf einen Kompromiss für Griechenland konnte die Aktienmärkte beflügeln. Die Angst vor einem Grexit war gross. Nach der initialen Erleichterung über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone dürfte aber die Einsicht aufkeimen, dass die Taktik des Durchwurstelns den Aktienmärkten mittelfristig keine positiven Impulse wird geben können. Und innenpolitisch werden die Reform- und Sparpläne in Griechenland noch hohe Wellen werfen. Ein Dilemma, das in den kommenden Wochen das Marktumfeld nach anfänglicher Euphorie wieder trüben könnte.
China bildet keine Ausnahme
Für die globale Marktentwicklung verlagert sich der Fokus zusehends von Griechenland auf China. Während Europas Börsen im Juli noch mehr auf Griechenland schielten, waren insbesondere die Leitindizes in den USA nicht immun gegen die chinesischen Verwerfungen. Die Anzeichen einer Aktienblase in China waren ohne Zweifel gegeben. Aber wann das Fass genau überläuft, ist selten exakt vorhersehbar. So sind auch im chinesischen Aktienmarkt Investoren bei nicht mehr nachvollziehbaren Bewertungen und exponentiell steigenden Kursen noch auf den Aktienzug aufgesprungen. In den gut 6 Monaten vor dem Crash haben sich die Indizes von Shanghai und Shenzhen nochmals verdoppelt. Ähnliche Kursverläufe zeigten sich beispielsweise im Jahr 2000 bei der Technologiebörse Nasdaq und 2008 beim Ölpreis (siehe Grafik). Exponentielle Preisanstiege erweisen sich selten als nachhaltig. Ob die Korrektur in China abgeschlossen ist, wird stark davon abhängen, ob die Stützungsmassnahmen der chinesischen Regierung wirken. Und vor allem auch, ob der Finanzmarkt die Realwirtschaft nicht zu sehr in Mittleidenschaft zieht. Die Parallelen zu Europa und den USA sind unübersehbar: Die Marktteilnehmer verlassen sich im Notfall auf die Regierung oder die Zentralbank, was zukünftige spekulative Blasenbildungen sicherlich begünstigt.
US-Zinserhöhung unumgänglich – eigentlich
Die asiatischen und europäischen Probleme erschweren den US-Währungshütern ihre Aufgabe. Bei der aktuellen Konjunkturdynamik und den anhaltenden Verbesserungen auf dem US-Arbeitsmarkt müssten die Zinsen eigentlich ansteigen. Als wichtiger Wert hierfür wurde noch 2014 als forward guidance eine Arbeitslosenquote von 6.5% genannt. Mittlerweile liegt sie bei 5.3% und spricht für eine Zinserhöhung. Aber auch die Fed wird weitere Sommergewitter nicht ausschliessen können und sich bis Ende Jahr mit dem Zinsschritt Zeit lassen. Die Zinserhöhungsdiskussion wird an den Märkten dennoch präsent bleiben und kann sporadisch Reaktionen auslösen.
Aktien dürften korrekturanfällig bleiben
Wir geben den genannten Unsicherheitsfaktoren weiterhin ein starkes Gewicht und halten an der untergewichteten Aktienquote fest. Die einsetzende Berichtssaison zum zweiten Quartal dürfte trotz soliden Unternehmensergebnissen die globalen Risiken nicht in den Hintergrund drängen können. Die Renditesuche bei Obligationen gestaltet sich anhaltend schwierig. Wir bevorzugen weiterhin Unternehmensanleihen, da die solide Konjunktur die Risikoprämien unter Kontrolle halten dürfte. High-Yield Anleihen weisen Potential auf, insbesondere nach dem Kursrutsch in der Eurozone. Aufgrund der erhöhten Risiken empfehlen wir aber eine neutrale Gewichtung. Die herausfordernde Situation bei den traditionellen Anlageklassen spricht unseres Erachtens für positive Perspektiven für alternative Anlagen. Dazu gehören sowohl alternative Strategien, die wenig mit den Aktien- und Obligationenmärkten korrelieren. Wir zählen aber auch Immobilien und Gold dazu. (Raiffeisen/mc/ps)
Exponentielle Anstiege sind selten nachhaltig
Preisverlauf, indexiert (2 Jahre vor Crash = 100), Höchststand in Klammern