Die Unterbewertung des Value-Sektors führt seit 2016 zu einer Outperformance des Sektors. Das traf auch auf die Aktien in den Schwellenländern zu. Nach Gewinnmitnahmen hat der Sektor weiterhin gute Perspektiven. Ein Interview mit Matthew Vaight, Fondsmanager des M&G Global Emerging Markets Fund.
Von Markus Baumgartner
Wie nachhaltig ist die aktuelle Sektorrotation zugunsten von Value-Aktien?
Matthew Vaight: Wertorientierte Aktien erfreuen sich seit 2016 wieder eines regen Anlegerinteresses und verzeichneten nach einer lang anhaltenden Unterperformance gegenüber Wachstumswerten wieder eine überdurchschnittliche Wertentwicklung. Mit Blick auf die einzelnen Sektoren wurde die Rallye des Value-Segments zunächst durch die Energie- und Grundstoffindustrie angetrieben, die Auftrieb durch die Erholung der Rohstoffpreise im Verlauf des Jahres erhielten. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im November und angesichts der optimistischen Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft griff die Erholung des Value-Segments alsbald auch auf andere zyklische Sektoren – allen voran Finanzwerte – über.
«Wir denken, dass die Erholung wertorientierter Aktien dank der relativen Bewertungen und der besseren Fundamentaldaten anhalten kann.» Matthew Vaight, Fondsmanager des M&G Global Emerging Markets Fund
Obwohl die Rotation auf wertorientierte Aktien in diesem Jahr eine Atempause einzulegen scheint, halten wir an unserer optimistischen Prognose für Value-Investments fest. Die Rallye des vergangenen Jahres setzte plötzlich und mit voller Wucht ein, weshalb wir nicht überrascht sind, dass die Anleger jetzt ihre Gewinne mitnehmen. Vor genau einem Jahr war die Bewertungsdifferenz zwischen den verschiedenen Marktsegmenten extrem hoch. Nach den jüngsten Marktbewegungen ist der Bewertungsabstand nun geringer und die Anlagechancen sind stärker konzentriert. Dennoch denken wir, dass sich in den günstigeren zyklischeren Bereichen des Marktes nach wie vor attraktive Chancen bieten, so dass das Interesse an diesen Value-Segmenten stetig steigen dürfte.
Welche Hauptantriebsfaktoren werden diese Rotation langfristig weiter befeuern?
Wir denken, dass die Erholung wertorientierter Aktien dank der relativen Bewertungen und der besseren Fundamentaldaten anhalten kann. In den vergangenen Jahren waren Qualitätsaktien mit stabilen Erträgen, so genannte „Bond Proxies“, in Mode, während als riskant empfundene Papiere von den Anlegern gemieden wurden. Auch nach der Erholung des Value-Segments seit 2016 denken wir, dass der wertorientierte Anlagestil nach seiner mehrjährigen Unterperformance noch erhebliches Aufholpotenzial besitzt. Den Abschlag, mit dem Value-Aktien gegenüber Wachstumswerten handeln, finden wir noch immer zu gross, so dass wir mit einer Verengung rechnen.
Bei den Fundamentaldaten ist sowohl auf makro- als auch auf mikroökonomischer Ebene eine Verbesserung zu konstatieren. Die Anleger fassen wieder mehr Vertrauen und fokussieren sich stärker auf die Bewertungen.
Signalisiert diese Rotation einen erneuten Anstieg der Risikobereitschaft der Anleger?
Die Erholung des Value-Segments signalisiert u.a. einen Anstieg der Risikobereitschaft und ein stärkeres Vertrauen in die makroökonomischen Perspektiven. Allerdings kann man darin auch eine Reaktion auf die extremen Bewertungen sehen, zu denen Aktien aus von den Anlegern verschmähten Sektoren handeln. Die Bewertungsdifferenz zwischen Wachstums- und Substanzaktien ist rekordverdächtig, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Value-Aktien zu einer Erholung ansetzen würden: Die Anleger erkannten, dass die hohen Bewertungen von Wachstumswerten durch ihre Performance allein nicht gerechtfertigt waren.
Wie passen die Schwellenländermärkte in diesen Kontext der Sektorrotation?
Der Rückkehr der Anleger an die Schwellenländermärkte und der Erholung von Value-Aktien liegen im Prinzip die gleichen Ursachen zugrunde: Sie sind günstig und zeichnen sich durch eine Verbesserung ihrer Fundamentaldaten aus. Schwellenländeranlagen wurden geraume Zeit von den Investoren verschmäht und lagen deshalb im Rückstand auf die Industrieländerbörsen. Sie gelten generell als riskanter und erhalten bei einer Zunahme des Vertrauens und der Risikobereitschaft der Anleger automatisch Auftrieb.
Wie haben die Schwellenländermärkte in den vergangenen sechs Monaten das Trump-Phänomen absorbiert?
Nach Trumps Wahlsieg verbuchten sämtliche Aktienmärkte, auch die der Schwellenländer, zunächst Verluste, da sich die Anleger um die möglichen Auswirkungen einer protektionistischen Politik und der Erhöhung der Zinssätze sorgten. Erfreulich war jedoch die Selektivität, mit der die Anleger reagierten, denn die Schwellenländermärkte bzw. -währungen mit den höchsten Abwärtsrisiken wie Türkei und Mexiko wurden am stärksten abgestraft. Die Marktteilnehmer bewiesen Urteilsvermögen, da sich die Assetklasse nicht mehr so homogen verhielt, wie dies zuvor in Phasen erhöhter Risikoaversion häufig der Fall war.
Die anfängliche Verkaufswelle an den Aktienmärkten war kurzlebig: Die Anleger erkannten schon bald, dass Trumps Politik das Wachstum der Weltwirtschaft stützen werde, so dass Aktien zu einer Erholung ansetzten. Seit der Wahl Trumps haben die Schwellenländermärkte eine Überperformance verzeichnet, denn die Anleger waren von der Verbesserung der Fundamentaldaten und den attraktiven Bewertungen, die in den Schwellenländern geboten werden, sehr angetan.
Wo bieten sich im Value-Universum die attraktivsten Anlagechancen?
Nach Sektoren betrachtet, erkennen wir die günstigsten Anlagechancen in den von der Wirtschaft abhängigen Segmenten des Marktes, d. h. in den Finanz- und IT-Sektoren. So wurden zyklische Sektoren angesichts der erhöhten Risikoaversion zuletzt systematisch ignoriert. Die Anleger gaben defensiveren Sektoren wie den von uns untergewichteten nichtzyklischen Konsumgüter- und Gesundheitswerten den Vorzug.
«Nach Anlagezonen betrachtet, sind wir eher auf Nordasien, insbesondere Südkorea und Taiwan, fokussiert.»
Nach Anlagezonen betrachtet, sind wir eher auf Nordasien, insbesondere Südkorea und Taiwan, fokussiert. In Südkorea gefallen uns die Aussichten auf Reformen zur Verbesserung der Corporate Governance-Praktiken der Unternehmen und zur besseren Behandlung von Minderheitsaktionären. Wir sind überzeugt, dass weitere Unternehmen dem Vorbild des koreanischen Flaggschiff-Konzerns Samsung Electronics folgen und ihren Shareholder Value steigern werden. Massnahmen wie erhöhte Dividendenausschüttungen und Aktienrückkaufprogramme dürften sich positiv auf ihre Bewertungen auswirken. Am brasilianischen Markt sehen wir selbst nach der kräftigen Rallye von 2016 noch Aufwärtspotenzial.
Wie entwickeln sich Finanzwerte der Schwellenländer im Vergleich zu ihren Pendants aus den USA oder der Eurozone?
Insgesamt weisen Finanzwerte der Schwellenländer niedrigere Bewertungen auf als ihre US-Pendants, sind im Vergleich zu europäischen oder japanischen Werten allerdings teurer. In den Schwellenländern sind Finanzdienstleister in der Regel rentabler als Banken in den Industriestaaten, da dort die Zinsen höher und die Nachwehen der globalen Finanzkrise weniger stark spürbar sind. Zudem zeichnet sich in etlichen Schwellenländer-Volkswirtschaften eine Verbesserung im Kreditzyklus ab. Auch ist in diesen Ländern ein höheres Wachstumspotenzial vorhanden. Deshalb haben wir unsere Exposure in Finanzwerten in den vergangenen Jahren erhöht.
Zur Person
Matthew Vaight kam 1996 als Mitglied des britischen Aktienteams zu M&G. Er gehört dem Aktienteam an und ist Manager des M&G Asian Fund sowie des M&G Global Emerging Markets Fund. Matthew Vaight hat ein Mathematik-Studium an der University of Oxford mit einem Prädikatsexamen (First Class Honours) absolviert und ist Mitglied der UK Society of Investment Professionals (UKSIP).
M&G Investments
M&G ist ein international tätiger aktiver Asset Manager und investiert seit mehr als 80 Jahren im Auftrag von privaten und institutionellen Anlegern. Das Unternehmen verwaltet mehr als 307,3 Mrd. Euro (Stand: 30.06.2016) und nutzt dazu eine breite Palette von Investmentstrategien, die von Aktien und Anleihen über Immobilien bis hin zu Multi-Asset-Lösungen reicht.
M&G beschäftigt weltweit mehr als 1’900 Mitarbeiter an Standorten in Europa und Asien. Hauptsitz des Unternehmens ist London.
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