Matthias Bryner, CEO findependent, im Interview

Matthias Bryner, Gründer und CEO von findependent. (Foto: zvg)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Bryner, nach kurzen Praktiken bei der Credit Suisse und Neon haben Sie im Juni 2019 Findependent gegründet. Mit dem Startup wollen Sie das Anlegen einfacher, transparenter und fairer machen. Wo stehen Sie bei der Umsetzung dieser Ziele, was sind die wichtigsten Lektionen, die Sie als Gründer in der Anfangsphase gelernt haben?

Matthias Bryner: Seit dem Marktstart im Februar 2021 konnten wir in weniger als 2 Jahren 5’000 Kunden und Kundinnen von unserer Anlage-App überzeugen. Unser Ziel ist es, Anlegen so einfach zu machen, dass alle von den Finanzmärkten profitieren können. Jedes Mal, wenn wir von Kundinnen wieder hören, dass sie sich bisher nicht ans Thema Anlegen getraut haben, aber nun dank findependent endlich auch einen Zugang gefunden haben, kommen wir dem Ziel einen Schritt näher.

«Unser Ziel ist es, Anlegen so einfach zu machen, dass alle von den Finanzmärkten profitieren können.» Matthias Bryner, CEO findependent

Ich habe in der Anfangsphase vor allem gelernt, auch unter grosser Unsicherheit Entscheidungen zu treffen, immer vorwärts zu gehen und Entscheide nicht rauszuzögern.

Den Einstieg in die Welt der ETF-Anlagen gibt es bei Findependent schon ab 500 CHF. Bis 2’000 CHF Anlagesumme wird in einige wenige ETFs investiert (5 ETFs), darüber werden dann Midcaps und Schwellenländer dazu genommen, ab 5’000 CHF können die AnlegerInnen aus 30 ETFs ihre Lösung selbst zusammenstellen. Wie verteilen sich Ihre BenutzerInnen auf die verschiedenen Kategorien, wie hoch ist der Frauenanteil?

40% unserer Kunden und Kundinnen investieren aktuell mehr als CHF 2’000, 60% liegen darunter. Erfreulicherweise ist es aber so, dass die meisten Kunden regelmässig in ihre findependent Anlagelösung einzahlen. Knapp ein Viertel unserer Kunden sind weiblich. Nur ein paar wenige Prozente, investieren aktuell mit einer selbst zusammengestellten Anlagelösungen, viele Kundinnen schätzen es aber, dass sie Einfluss auf ihre Anlagelösungen nehmen könnten.

Die ETFs stammen mit einer Ausnahme (Vanguard) alle von UBS oder Blackrock (iShares). Nach welchen Kriterien suchen Sie die ETFs aus, in welchem Rhythmus gibt es Reviews und eventuelle Wechsel von Anbieter und Anlageinstrumenten?

Wir wählen die ETFs unabhängig aus und haben auch keine Vorgaben bezüglich Anlageinstrumente und Anlageentscheide von unserer Partnerbank. Bei der Auswahl sind einerseits tiefe Gebühren wichtig, damit möglichst viel Rendite schlussendlich in der Tasche unserer Kunden landet. Andererseits setzen wir nur physisch replizierte ETFs ein, um unsere Kundinnen keinem Gegenpartei-Risiko auszusetzen.

«Wir wählen die ETFs unabhängig aus und haben auch keine Vorgaben bezüglich Anlageinstrumente und Anlageentscheide von unserer Partnerbank.»

Mit unseren ESG Screened ETFs können wir zudem Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, ohne dass dabei die ETF-Kosten (TER) höher sind. Die eingesetzten ETFs müssen zudem über genügend Handelsliquidität und faire Spreads verfügen. Oft erfüllen ETFs der Branchenleader BlackRock, UBS und Vanguard die genannten Auswahlkriterien kumulativ am besten. Mehrmals pro Jahr überprüfen wir alle ETFs und schauen, ob es passende Ergänzungen oder bessere Alternativen gibt.

Als Partnerbank haben Sie die Hypothekarbank Lenzburg gewählt. Was gab den Ausschlag für diese Bank, wie verlief die Anbindung Ihrer App an die Bankenlösung?

Ich kannte die Hypi bereits von meiner Zeit bei neon. Die gemeinsamen Gespräche haben dann gezeigt, dass die Bank unsere Bedürfnisse gut abdecken kann und wir relativ zügig mit ihnen starten können. Insbesondere im Bereich digitale Kontoeröffnung war die Hypi schweizweit eine Vorreiterin, so dass wir bereits 2021 eine 24/7 Kontoeröffnung mit Online-Identifikation ohne Video-Call anbieten konnten. Um schneller starten zu können, setzten wir auf die bestehende Whitelabel-Lösung der Bank. Während zu Beginn viele Prozesse noch manuell waren, ist der Automatisierungsgrad mittlerweile sehr hoch. Seit diesem Sommer laufen die täglichen Börsenaufträge bspw. automatisiert durch.

Die Diskussion um die Vorsorge macht Vielen klar, dass die ersten beiden Säulen nicht genügen werden, um den gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Inwieweit sind Ihre Lösungen geeignet, hier allfällige Lücken zu schliessen und haben Sie Pläne, analog zu VIAC, Vorsorgelösungen anzubieten?

Meiner Meinung schliesst man die Lücke in der Altersvorsorge am besten, indem man sowohl die Säule 3a, als auch Anlagelösungen im freien Vermögen nutzt, da beides seine spezifischen Vorteile hat: Während Einzahlungen in die 3a Steuervorteile bringen, ist das Geld und die Anlagen im freien Vermögen jederzeit verfügbar und man profitiert von steuerfreien Kapitalgewinnen, was gerade bei einer hohen Aktienquote attraktiv ist.

«Meiner Meinung schliesst man die Lücke in der Altersvorsorge am besten, indem man sowohl die Säule 3a, als auch Anlagelösungen im freien Vermögen nutzt»

Wir konzentrieren uns aktuell auf das freie Vermögen, da unserer Meinung nach im 3a Markt bereits gute Lösungen vorhanden sind.

In der Gründershow “Die Höhle der Löwen” haben Sie im November 2021 mehrere Angebote für eine Investition erhalten und sich für Roland Brack und Lukas Speiser entschieden. Wie sehen bis anhin die Investitionen dieser Investoren aus, welchen Anteil haben Sie und Ihre Mitarbeitenden noch am Unternehmen?

In der Sendung direkt hatten wir nur das Angebot von Roland angenommen. Da aber Lukas als Gründer und ehemaliger Banker viel wertvolles Wissen für unser Geschäft mitbringt, haben wir versucht, ihn nach der Sendung doch auch noch als Investor zu gewinnen. Wir mussten Lukas nicht lange erklären, warum unsere ETF-Anlagelösungen deutlich besser sind als die üblichen Strategiefonds der Banken und er war sofort dabei. Roland und Lukas haben dann auch in den darauffolgenden Finanzierungsrunden mitgemacht und unterstützen uns mittlerweile gar als Advisor bzw. Verwaltungsrat. Dem Team von findependent gehört nach wie vor die Mehrheit des Unternehmens.

Im Juli dieses Jahres konnten Sie in einer Finanzierungsrunde 1.2 Millionen CHF von einer Investorengruppe unter der Leitung von Backbone Ventures einsammeln. Wie wird dieses Geld verwendet, wann wird eine nächste Runde durchgeführt werden?

Wir waren als Unternehmen bisher immer sehr sparsam, was in der aktuellen Situation, wo Startups nicht mehr so einfach zu neuem Geld kommen, noch wichtiger ist. Mit den Mitteln wollen wir das Kundenwachstum und den Geschäftsbetrieb für die nächsten rund 18 Monate finanzieren und natürlich weitere Features in die App bringen.

Fintechs konzentrieren sich oft auf Interaktionsprozesse mit Endkunden und entwickeln dazu einfach zu bedienende Apps. Wer sind Ihre Entwicklungspartner, welche weiteren Entwicklungen haben Sie in der Pipeline?

Stimmt, dies liegt meiner Meinung nach daran, dass Fintechs insbesondere gut darin sind, Kundenbedürfnisse zu verstehen und mit überzeugenden Produkten zu erfüllen. Wir arbeiten seit Beginn mit einem Entwicklungspartner in Biel zusammen, welcher nach wie vor für die Entwicklung der App zuständig ist, während wir die Backend-Software mittlerweile selbst weiterentwickeln.

«Wir waren als Unternehmen bisher immer sehr sparsam, was in der aktuellen Situation, wo Startups nicht mehr so einfach zu neuem Geld kommen, noch wichtiger ist.»

Als nächstes wollen wir unsere App in weiteren Sprachen lancieren und die Kontoeröffnung direkt in die App bringen. Danach wollen wir Kunden ermöglichen, mehrere Anlagelösung für verschiedene Ziele mit findependent zu halten. Damit sie bspw. monatlich für ihr Göttikind oder den eigenen Nachwuchs anlegen können.

Nach einer ersten Phase der Erfolge kommen Neo-Banken vermehrt unter Druck der traditionellen Banken. Wie gross schätzen Sie das Risiko, dass Findependent durch Angebote von grösseren Banken überflüssig gemacht wird, welche Wettbewerbsvorteile sehen Sie auf Ihrer Seite?

Grundsätzlich haben die Banken ja durchaus die Ressourcen, um gute digitale Bankprodukte zu entwickeln. Gerade im Bereich der Säule 3a gibt es auch ein paar gute Beispiele. Gerade im freien Vermögen scheuen sich aber viele Banken davor, für Konsumentinnen attraktive Konditionen zu offerieren. Zu gross ist ihnen wohl die Gefahr, das angestammte, hoch rentable Vermögensverwaltungsgeschäft zu kannibalisieren.

Ich sehe für Unternehmen wie findependent drei grosse Wettbewerbsvorteile.

  1. Wir haben keine Altlasten und können basierend auf einer modernen IT-Architektur (Cloud, APIs etc.) hoch effiziente und automatisierte Produkte bauen. So haben wir deutliche Kostenvorteile, die wir in Form von tieferen Gebühren an unsere Kunden weitergeben.
  2. Da wir ein Produkt für unsere Generation und uns selbst bauen, können wir auf authentische Weise nahe an unseren Kundinnen sein. Sie schätzen unseren ehrlichen und unkomplizierten Umgang sehr.
  3. Wir konzentrieren uns auf dieses eine Produkt. Dies ermöglicht uns einerseits, mit klarem Fokus und ohne Kompromisse das bestmögliche Produkt für unsere Kunden zu entwickeln. Andererseits sorgt dieser Fokus auch für eine klare und verständliche Kommunikation. Dies ist gerade beim Thema Anlegen, das für viele Menschen mit Hürden und Unsicherheiten verbunden ist, enorm wichtig.

Welche technologischen Entwicklungen haben aus Ihrer Sicht das Potential, die Finanzindustrie nachhaltig zu verändern, wo setzen Sie bei der Entwicklung von Findependent strategische Schwerpunkte?

Für uns sind insbesondere zwei Entwicklung strategische bedeutend. Auf der technischen Seite ist dies sicherlich der Schritt in Cloud. Während sich bestehende Institute mit der Migration befassen müssen, konnten wir findependent von Anfang an cloud-native aufbauen. Dies spart einerseits finanzielle Mittel im Aufbau, ermöglicht langfristig aber auch das Produkt technisch zu skalieren.

«Ich wünsche mir für all diejenigen, die sich gerade überlegen ein Startup zu gründen, den Mut es zu tun. Unabhängig vom Erfolg bereichert einem die Gründer-Erfahrung persönlich enorm.»

Auf der Anlageseite ist der Trend hin zum passiv Investieren und ETFs, für uns strategisch zentral. Wir sind überzeugt, dass sich dieser Trend gerade für Privatkunden in der Schweiz noch deutlich verstärken wird. Wir wollen diesen Trend kommunikativ begleiten und Opinion-Leader werden. Gleichzeitig wollen wir auch eine der führenden Lösungen für passives Anlegen, unsere Produkt weiter verbessern und dabei die Nutzerinnen im Zentrum halten. Unser Fokus soll auf dem Thema Anlegen bleiben. Zusammen mit Partner werden wir aber weitere Zusatzdienstleistungen offerieren, die unsere Anlage-App perfekt ergänzen.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Cool! Dann wünsche ich mir für all diejenigen, die sich gerade überlegen ein Startup zu gründen, den Mut es zu tun. Unabhängig vom Erfolg bereichert einem die Gründer-Erfahrung persönlich enorm. Und dass wir als Team noch viele weitere Monate und Jahre mit so viel Freude und Motivation die Reise mit findependent weitergehen können.


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