Open Banking ist mehr als nur ein technologischer Fortschritt – es ist ein Katalysator für systemische Veränderungen im Finanzsektor. Doch wird Open Banking auch die Zahlungslandschaft tiefgreifend verändern?
Von Panagiotis Kriaris, Commercial Director Business Development bei Unzer
Open Banking ist einer dieser Begriffe, die trügerisch einfach klingen. Auf den ersten Blick scheint es sich um eine Art von Bankgeschäften zu handeln, bei denen Daten einfach für Dritte geöffnet werden. Das stimmt zwar, greift aber zu kurz.
Im Kern basiert Open Banking auf der Verwendung offener Anwendungsprogrammierschnittstellen (APIs). Diese APIs ermöglichen den nahtlosen Austausch von Daten zwischen Banken, Fintechs und anderen Teilnehmern. In diesem Zusammenhang ist manchmal die Rede von „APIsed Finance“: Durch die Öffnung von APIs können Banken, Fintechs und andere Akteure effizienter zusammenarbeiten und Innovationen vorantreiben und neue Dienstleistungen schaffen, von denen die Verbraucher profitieren.
Aber APIs allein definieren Open Banking nicht. Der eigentliche Wert entsteht durch die Integration von Daten, cloud-basierten Diensten und einer offeneren, kollaborativeren Landschaft, die nicht nur Banken, sondern viele weitere Akteure umfasst. Open Banking steht damit auch für eine Abkehr von vertikalen Silos und veralteten Infrastrukturen. Dienstleistungen werden zunehmend über vernetzte Marktplätze, Plattformen und Ökosysteme angeboten. Diese cloudbasierte Infrastruktur ermöglicht ein dynamischeres und reaktionsfähigeres Finanzumfeld und eine bessere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren im Finanzsektor.
Gleichzeitig können Finanzinformationen auf diese Weise sicher zwischen Banken und Drittanbietern ausgetauscht werden, sodass sich neue Möglichkeiten für personalisierte Angebote eröffnen. Der datengestützte Ansatz verlagert den Schwerpunkt also von isolierten Informationen auf ein dezentrales System, bei dem der Kunde (und nicht die Bank) im Mittelpunkt steht.
Kann Open Banking Kreditkarten ersetzen?
Doch was heisst das nun für die Zahlungslandschaft? Kann Open Banking auch traditionelle Zahlungsmethoden wie Kreditkarten verdrängen, oder ist eine Koexistenz wahrscheinlicher? Sehen wir uns das genauer an.
Kreditkartentransaktionen werden derzeit nach einem traditionellen Vier-Parteien-Modell abgewickelt, das von Netzwerken wie Visa und Mastercard dominiert wird. Diese Netzwerke verwalten die Kanäle, die die Banken mit den Kunden verbinden, wobei an jeder Transaktion mehrere Intermediäre beteiligt sind.
Das traditionelle Kreditkartensystem basiert auf einem Vier-Parteien-Modell, bei dem Vermittler wie Visa und Mastercard die Schienen dominieren, die Banken mit Kunden verbinden. Bei einer typischen Kreditkartentransaktion identifiziert das Zahlungsnetzwerk das richtige Zahlungsnetzwerk, autorisiert die Zahlung des Kunden und leitet die Transaktion zur Genehmigung sowohl an die Bank des Kunden als auch an die Bank des Händlers weiter. Für ihre Rolle bei der Erleichterung dieser Transaktionen berechnen Kartennetzwerke den Händlern Interbankenentgelte und andere Kosten, die je nach Region stark variieren, wobei die Gebühren in den USA zu den höchsten der Welt gehören.
Open Banking bricht mit diesem Modell, indem es Händlern ermöglicht, Zahlungen direkt vom Bankkonto des Kunden aus zu veranlassen und so die Kartennetzwerke zu umgehen. Das Ergebnis ist ein vereinfachter Prozess, bei dem Kunden „Pay by Bank“ auswählen, die Transaktion über ihre Banking-App authentifizieren und die Zahlung autorisieren können. Dieser optimierte Prozess senkt die Kosten für Händler und beseitigt einige der mit Kartenzahlungen verbundenen Reibungsverluste.
Es gibt also gute Argumente, die für Zahlungen über Open Banking sprechen. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass Open Banking in naher Zukunft Kreditkarten vollständig ersetzen wird. Die beiden Zahlungsmethoden werden eher nebeneinander bestehen. Während Open Banking Vorteile in Bezug auf Kosten, Sicherheit und Benutzererfahrung bietet, bieten Kreditkarten nach wie vor einzigartige Vorteile wie Zugang zu Krediten, Bonusprogrammen und eine breite Akzeptanz auf einem globalen Markt.
Wenn Open Banking eine glaubwürdige Alternative zu Kreditkarten darstellen soll, müssen regelwerksähnliche Vorgaben wie Anfechtungen und Rückbuchungen (sowie Anwendungsfälle, die sich darauf beziehen) definiert und entwickelt werden. Das europäische SEPA Payment Account Access (SPAA) geht in diese Richtung und versucht, mit Regeln, technischen Standards und Leitlinien sowie der Beschreibung der notwendigen Anwendungsfälle einen Rahmen zu schaffen.
Im Laufe der Zeit könnte es zu einer allmählichen Anpassung kommen, bei der Open Banking in bestimmten Kontexten, wie z. B. im E-Commerce, einen grösseren Anteil an Zahlungen übernimmt, während Kreditkarten weiterhin für andere Zwecke verwendet werden.
Kann Open Banking das Lastschriftverfahren ersetzen?
Einer der vielversprechendsten Anwendungsfälle für Open Banking sind variable wiederkehrende Zahlungen (auch VRPs abgekürzt). Diese Zahlungen erlauben es Kontoinhabern, Dienstleister zu beauftragen, regelmässig in ihrem Namen Zahlungen vorzunehmen – ähnlich wie bei Lastschriften. Der Mechanismus ähnelt also dem Lastschriftverfahren, basiert jedoch auf den Grundlagen des Open Banking.
Konkret erfordern VRPs wie Lastschriften ein erstes Mandat des Kunden, aber der entscheidende Unterschied besteht darin, dass der Kunde nicht jede Zahlung einzeln authentifizieren muss, wie es bei den Open-Banking-Transaktionen der Fall ist. Sobald das Mandat erteilt ist, können Verbraucher mit VRPs detaillierte Parameter für die Zahlungsweise festlegen, einschliesslich der Begrenzung von Transaktionsbeträgen, -häufigkeit und -dauer. Verbraucher haben auch die Möglichkeit, diese Zahlungen jederzeit zu stornieren, was ihnen mehr Kontrolle und Flexibilität bietet.
VRPs stellen aus mehreren Gründen eine zuverlässige oder sogar bessere Alternative zu Lastschriftverfahren oder Kartenzahlungen dar. Sie bieten ein hohes Mass an Sicherheit, da Transaktionen über sichere APIs authentifiziert werden, ohne dass vertrauliche Informationen weitergegeben werden. Sie erfolgen in Echtzeit und sind unwiderruflich, was das Risiko für Händler verringert. Zudem minimieren sie Fehlbuchungen oder Betrug, da für jede Transaktion die Zustimmung des Kunden erforderlich ist.
Werden VRPs das Lastschriftverfahren ersetzen? Das Potenzial dazu haben sie auf jeden Fall. Schliesslich handelt es sich bei vielen unserer täglichen Zahlungen um wiederkehrende Zahlungen, z. B. für Streaming-Dienste, Fitnessstudio-Mitgliedschaften und die Bezahlung von Rechnungen. Die grosse Chance für VRPs besteht darin, all dies durch eine zuverlässigere und flexiblere Lösung zu ersetzen, die Zeit und Geld spart und gleichzeitig den Verbrauchern mehr Kontrolle gibt.
Allerdings gehört zur Wahrheit auch: Noch sind variable wiederkehrende Zahlungen in der Europäischen Union nicht verfügbar. Daher ist davon auszugehen, dass ihre Einführung einer langsamen Wachstumskurve folgen wird, die davon abhängt, dass sowohl Verbraucher als auch Händler über die Vorteile und wettbewerbsfähigen Preisstrategien aufgeklärt werden.
Kann Open Banking Dienste wie Sofortüberweisung oder Giropay ersetzen?
Nach dem Aus von Giropay und Sofortüberweisung als eigenständiger Zahlmethode (ist nun Bestandteil der Klarna-App) suchen Kunden und Händler hierzulande nach Alternativen. Sowohl Giropay als auch Sofortüberweisung ermöglichten es Nutzern, Zahlungen direkt von ihrem Bankkonto zu tätigen.
Mit Open Banking stehen nun neue Möglichkeiten für sichere und direkte Online-Zahlungen offen. Denn beim Open Banking können autorisierte Dritte über standardisierte APIs auf Bankkonten zugreifen, ohne dass Kunden ihre Zugangsdaten weitergeben müssen. Dies bietet die gleiche Funktionalität wie Sofortüberweisung oder Giropay, jedoch mit verbesserter Sicherheit und Kundenkontrolle.
Vor allem in Kombinantion mit der Instant Payment Regulierung dürfte Open Banking in diesem Zuge Auftrieb erfahren. Diese im April 2024 verabschiedete Verordnung verpflichtet Banken dazu, innerhalb der kommenden 18 Monate alle notwendigen Voraussetzungen für Echtzeitzahlungen im Euroraum zu schaffen. Gemeinsam gedacht könnten Echtzeitüberweisungen und Open Banking zu einem neuen Standard in der EU werden und sich fest etablieren.
Ist Open Banking also eine Alternative für Sofortüberweisung oder Giropay? Klare Antwort: Ja.
Open Banking: Mehr als nur ein Modewort
Open Banking ist weit mehr als nur ein Schlagwort. Stattdessen legt es den Grundstein für eine völlig neue Finanzinfrastruktur. Während viele heutige Fintech-Innovationen darauf beruhen, benutzerfreundlichere Apps auf Basis bestehender Banksysteme zu bauen, verändert Open Banking grundlegend, wie wir auf Finanzdaten zugreifen und sie nutzen.
Diese Infrastruktur hat das Potenzial, den Zugang zu Finanzdaten zu demokratisieren, neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen, den Wettbewerb zu fördern und letztlich bessere Finanzdienstleistungen für alle zu schaffen. Damit ist Open Banking in der Lage, den Finanzsektor auf eine Weise zu verändern, die wir erst zu verstehen beginnen.
Über den Autor: Panagiotis Kriaris ist ein erfahrener Zahlungsexperte und arbeitet als Commercial Director Business Development bei Unzer. Unzer bietet Zahlungs- und Handelslösungen für über 85’000 Händler und Organisationen in ganz Europa. Das Unternehmen beschäftigt Mitarbeiter in acht Niederlassungen in Deutschland, Österreich, Dänemark und Luxemburg. |