M&G: Verkehrte Logik bei der US-Zinskurve?
Vertreter der Fed haben sich auf Bloomberg besonders lautstark über die Neigung der Zinskurve geäussert. Dabei brachten sie vornehmlich Bedenken über eine mögliche Inversion der Kurve zum Ausdruck. Das heisst, wenn die Renditen kurzlaufender Anleihen über die Renditen langlaufender Anleihen steigen.
Die Besessenheit mit der Zinskurve ist eigenartig. Einerseits scheint sie wohl ein Paradebeispiel für Goodharts Gesetz zu werden. Dieses argumentiert, dass wenn ein Mass zum Ziel wird, es kein gutes Mass mehr ist. Wird das künftig auf die Zinskurve zutreffen? Zweitens scheint mit der US-Kurve nichts Aussergewöhnliches zu passieren. In einem Umfeld, in dem die Inflationserwartungen relativ stabil sind, ist es völlig normal, dass die Kurve bei einer Erhöhung der US-Leitzinsen abflacht.
Sorgen wegen Rezession
Es gibt Hinweise darauf, dass eine invertierte Kurve eine Rezession vorhersagt, worüber sich die Fed zu Recht Sorgen macht. Doch das ist nicht das gegenwärtige Signal aus dem Anleihenmarkt. Die Zinskurve ist flacher, zeigt aber nach oben. Sie ist flacher als zuvor, da die Markterwartungen für die langfristige Inflation und die Realzinsen gut verankert sind. Die meisten Fed-Beobachter gehen – zumindest vorerst – nicht davon aus, dass die US-Wirtschaft in absehbarer Zeit einen Leitzins von deutlich über 3,5% erforderlich macht. Deshalb befinden sich die Renditen langlaufender Anleihen aktuell unter diesem Niveau. Solange diese Meinung vorherrscht und die Fed die Zinsen in Richtung dieses Niveaus erhöht, wird die Kurve abflachen. Natürlich können sich Überzeugungen ändern.
Häufige Bemerkungen von Fed-Vertretern sind deshalb überflüssig. Die Ironie ist, dass ein Anstieg der langfristigen Renditen unter sonst gleichen Voraussetzungen einer Straffung der finanziellen Bedingungen gleichkommt (steigende Hypothekensätze etc.). Das würde nach der Logik diverser Vertreter eine weitere Straffung über höhere Leitzinsen rechtfertigen. Die Logik legt nahe, dass das Gegenteil zutrifft, wenn die Anleihenrenditen fallen.
Fed bliebt vernünftig
Was die jüngsten Kommentare wirklich suggerieren, ist eine Federal Reserve, die keine grosse Gefahr eines Inflationsanstiegs und deshalb keinen Anlass sieht, das gemächliche Tempo der Zinserhöhungen zu überstürzen. Das scheint vernünftig, und die Marktpreise reflektieren jetzt sinnvolle Zinsanstiege in den kommenden zwei Jahren.
Das sieht man an den höheren Renditen von 2-jährigen US-Staatsanleihen (2,55%) im Verhältnis zu den aktuellen US-Leitzinsen (1,75%). Gemäss den Fed-Protokollen war dieser Spread ein Indikator für die Zinskurve, den Bernanke vor der Krise im Jahr 2008 angeführt hat (als sie invertiert war, siehe Grafik).
Schliesslich werden die Markterwartungen schwanken. Kürzlich untersuchte mein Kollege Wolfgang Bauer wie die steigenden Renditen zweijähriger Papiere ihr Risiko-Ertrags-Profil im Vergleich zu ihren Pendants mit längeren Laufzeiten verbessert haben. Es sei dahingestellt, ob das ausreicht, um die Kurvenverflachung zu stoppen, aber es betont das Ausmass, zu dem die Fed auf der Hut sein sollte, damit sie die Bedeutung dieser Kurvenneigung nicht verkompliziert. Das ist genau wie bei den Sportkommentaren im Fernsehen: Weniger ist manchmal mehr. (M&G/mc/ps)