EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Brüssel – Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres retten die Europäer ein taumelndes Euro-Land vor der Staatspleite: Portugal erhält von den Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ein Hilfspaket von 78 Milliarden Euro. Die Finanzminister des Eurogebiets gaben am Montag in Brüssel einstimmig grünes Licht für das auf drei Jahre angelegte Programm – und das nur gut fünf Wochen nach dem Hilferuf aus Lissabon.
Die Begegnung wurde überschattet von der Festnahme des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn – der Franzose wollte eigentlich in Brüssel dabei sein. Portugal hatte Anfang April als zweites Land nach Irland beantragt, unter den Rettungsschirm von insgesamt 750 Milliarden Euro zu schlüpfen. Das ärmste westeuropäische Land ist dringend auf Hilfe angewiesen und braucht bereits im Juni Geld. Die Finanzminister aller 27 EU-Staaten werden die Entscheidung an diesem Dienstag noch einmal bestätigen – das gilt als gesichert. Mit den Hilfen solle die Finanzstabilität im gemeinsamen Währungsgebiet gewährleistet werden, erklärten die Minister nach dem Votum.
Geld für Bankensektor
Mit den Krediten will das Land seinem Bankensektor unter die Arme greifen, allein dafür fliessen 12 Milliarden Euro. Die künftige Regierung in Lissabon – am 5. Juni wird gewählt – muss im Gegenzug für die Kreditzusagen ein knallhartes Sparprogramm durchziehen. Portugal verpflichtet sich gegenüber EU und IWF, das Haushaltsdefizit von 9,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im vergangenen Jahr bis 2013 unter drei Prozent zu drücken – mehr ist nach den EU-Spielregeln nicht erlaubt. Für dieses Ziel friert die Regierung Renten und Gehälter ein, streicht Investitionen und Arbeitslosengeld zusammen. Die Mehrwertsteuer steigt. Das internationale Hilfsgeld soll bis 2013 reichen, danach soll Portugal an den Kapitalmarkt zurückkehren.
Keine Entscheidung zu Griechenland
Die Ressortchefs sprachen laut Diplomaten auch über die Lage beim Schuldensünder Griechenland – Entscheidungen standen aber nicht an. Bereits vor einem Jahr hatte Griechenland Hilfen von 110 Milliarden Euro bekommen. Doch das reicht nicht: Athen verhandelt inzwischen über weitere Hilfen von 30 bis 60 Milliarden Euro – und über Erleichterungen, weil es seine Schuldenkrise nicht in den Griff bekommt. Beschlüsse zu Griechenland wird es frühestens im Juni geben. Der niederländische Ressortchef Jan Kees de Jager forderte: «Der einzige Weg nach vorne sind mehr Reformen, mehr Haushaltseinschnitte und Privatisierungen.»
Schäuble: «Schreckliche Meldungen aus New York»
Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte mit Blick auf Strauss-Kahn, der in New York wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung am vergangenen Wochenende festgenommen wurde, die «schrecklichen Meldungen aus New York» machten alle betroffen. Über die Hilfen für Portugal könne aber auch ohne Strauss-Kahn entschieden werden. Der IWF spielt im Kampf gegen die Schuldenkrise eine wichtige Rolle und trägt ein Drittel der internationalen Milliardenhilfen für Portugal. Der Grossteil kommt von den Euro-Partnern. Es wird der Krisenfonds EFSF einspringen, für den die Euroländer mit Milliardengarantien haften – Bargeld fliesst also nicht direkt.
Finnland stimmte zu
Bei ihrem Treffen erreichten die Finanzminister das notwendige einstimmige Votum, da Finnland nach einer politischen Kehrtwende bei der Regierungsbildung ebenfalls zustimmte. Die obersten Kassenhüter wollten zudem den Italiener Mario Draghi als neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) empfehlen. Irland nimmt bereits 85 Milliarden Euro Finanzhilfe von EU und IWF in Anspruch, Griechenland hatte schon vor Gründung des EU- Rettungsfonds EFSF von einem Extra-Paket von 110 Milliarden Euro profitiert. Beide Länder haben harte Sparauflagen akzeptiert, um die Staatsfinanzen zu sanieren.
Appell an Deutschland
Wegen der wachsenden Skepsis in Deutschland gegenüber Rettungsgeldern für strauchelnde Euro-Länder warb EU-Währungskommissar Olli Rehn um Unterstützung. «Wir können das nicht ohne Deutschland und seine Bereitschaft, die Stabilität des Euro zu sichern, machen», sagte Rehn der Zeitung «Die Welt». «Indem wir Portugal unter strikten, aber realistischen Bedingungen helfen, schützen wir auch die wirtschaftliche Erholung in Deutschland und die Ersparnisse der deutschen Bürger.» Der Bundestag hatte das Hilfspaket für Portugal bereits mit breiter Mehrheit unterstützt. (awp/mc/ps)