München – Der neue Munich-Re-Chef Joachim Wenning bereitet den weltgrössten Rückversicherer auf eine längere Gewinnflaute und mögliche Einschnitte vor. Angesichts des Preiskampfs in der Branche und jahrelanger Niedrigzinsen müsse der Dax-Konzern seine Jahresergebnisse zunächst auf dem jetzigen Niveau stabilisieren, stellte der Manager am Mittwoch in München klar. Dann könne es ab 2019 in kleinen Schritten aufwärts gehen. Derzeit nimmt Wenning alle Geschäftsfelder unter die Lupe. Nur leistungsfähige Bereiche sollen weiter zur Gruppe gehören. Wackelkandidaten nannte Wenning nicht, betonte aber mit Blick auf das langjährige Sorgenkind des Konzerns: «Ergo liefert.»
Wenning, der die Konzernführung Ende April vom langjährigen Vorstandschef Nikolaus von Bomhard übernommen hatte, sieht die Munich Re zwar nach der ersten Jahreshälfte «auf einem sehr guten Weg», 2017 wie geplant einen Gewinn von 2,0 bis 2,4 Milliarden Euro zu erreichen. Das wäre allerdings der vierte Gewinnrückgang in Folge: 2016 hatte die Munich Re 2,6 Milliarden Euro verdient, 2013 waren es noch 3,3 Milliarden.
Geschäft auf dem Prüfstand
Der neue Chef will alles auf den Prüfstand stellen und entscheiden, wo der Konzern künftig wachsen soll. Als Beispiele für einen Ausstieg nannte er den Abschied von der klassischen Lebensversicherung bei der Tochter Ergo und die bereits vollzogene Trennung von Ergo Italia. Zukunftschancen sieht der Vorstand etwa in Schwellenländern wie in Indien sowie im Geschäft mit der Cyberversicherung gegen Schäden an Computersystemen. «So gehen wir ganz unaufgeregt durch das Portfolio», beschrieb Wenning sein Vorgehen bei der Überprüfung der Sparten.
Digitalisierung
Hinzu kommt die Digitalisierung der Branche auf allen Ebenen. Die Munich Re kooperiert mit Start-up-Unternehmen, sogenannten Insurtechs, die mit neuen Geschäftsideen die Etablierten der Branche angreifen. Wenning verspricht sich davon Ideen, um das eigene Geschäft umzugestalten. So kann er sich auch die Übernahme anderer Unternehmen vorstellen – wenn sie die Munich Re strategisch oder technologisch weiterbringen. Den Kauf eines anderen Rückversicherers hält der Vorstand aber für unwahrscheinlich.
Im zweiten Quartal verbuchte die Munich Re wie erwartet einen Gewinneinbruch, der allerdings durch geringe Katastrophenschäden und eine Steuergutschrift abgemildert wurde. Unter dem Strich stand mit 729 Millionen Euro dennoch ein Viertel weniger Profit als ein Jahr zuvor. Analysten hatten mit einem noch stärkeren Rückgang gerechnet, nachdem der Verkauf von hochverzinsten Anleihen das Ergebnis 2016 kräftig nach oben getrieben hatte.
Diesmal lagen die Schäden aus Naturkatastrophen mit 66 Millionen Euro nur ein Fünftel so hoch wie ein Jahr zuvor. Von Menschen gemachte Katastrophen kamen die Munich Re mit 187 Millionen Euro etwas billiger zu stehen als im Vorjahr – trotz des verheerenden Brands im Londoner Grenfell-Tower. Wie teuer das Feuer mit vielen Toten für die Munich Re wird, wollte Rückversicherungsvorstand Torsten Jeworrek auch mit Blick auf das menschliche Leid nicht beziffern.
Preiskampf geht weiter
Der anhaltende Preiskampf in der Branche macht der Munich Re derweil weiter zu schaffen. Bei der Vertragserneuerung im Juli gingen die Preise im Schaden- und Unfallgeschäft erneut um 0,4 Prozent zurück. Das Dauer-Zinstief verhindert, dass der Konzern die Prämieneinnahmen mit Kapitalerträgen nennenswert aufbessert. Das Kapitalanlageergebnis brach im zweiten Quartal wegen des Sondergewinns aus dem Vorjahr um fast ein Drittel ein. Im Gegenzug fuhr Finanzchef Jörg Schneider die Aktienquote binnen sechs Monaten von 5,0 auf 6,0 Prozent nach oben.
Weitere Geduld braucht die Munich Re bei ihrem Dauer-Sorgenkind Ergo. Der Düsseldorfer Erstversicherer steckt mitten in einer Sanierung, die noch bis ins nächste Jahrzehnt dauern soll. Im zweiten Quartal kehrte Ergo dank einer Steuergutschrift mit 104 Millionen Euro in die Gewinnzone zurück. Im laufenden Jahr sollen die Düsseldorfer dadurch nun 200 bis 250 Millionen Euro Gewinn einfahren, 50 Millionen mehr als bisher gedacht. Allerdings strich die Munich Re ihre Erwartungen an die Lebens- und Kranken-Rückversicherung zusammen, weil sie sich aus unrentablen Verträgen herauskauft. Für den Konzern insgesamt bleiben die Gewinnaussichten damit unverändert. (awp/mc/pg)