München – Der weltgrösste Rückversicherer Munich Re hat im vergangenen Jahr trotz hoher Katastrophenschäden sein Gewinnziel übertroffen. Dank der gestiegenen Zinsen und anderer Sondereffekte stand unter dem Strich ein Gewinn von gut 3,4 Milliarden Euro – 17 Prozent mehr als ein Jahr zuvor und 100 Millionen mehr als angepeilt. Für 2023 nimmt sich Vorstandschef Joachim Wenning weiterhin einen Überschuss von vier Milliarden Euro vor, wie der Dax-Konzern am Donnerstag in München mitteilte. Höhere Preise im Rückversicherungsgeschäft sollen die inflationsbedingt steigenden Schadensummen mehr als ausgleichen.
An der Börse wurden die Nachrichten jedoch mit einem Kursrutsch quittiert. Die Munich-Re-Aktie verlor am Vormittag mehr als fünf Prozent auf 307,50 Euro und war damit grösster Verlierer im Leitindex Dax. Schon am Vortag war die Nachricht einer höheren Dividende und eines Aktienrückkaufs am Markt praktisch verpufft, nachdem der Konzern damit nur die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten erfüllt hatte. Jetzt wurde die Munich-Re-Aktie noch gut ein Prozent teurer gehandelt als zum Jahreswechsel.
Branchenexperte Kamran Hossain von der US-Bank JPMorgan sprach von einem guten Ergebnis in einem «zweifelsohne schwierigen Jahr» für die Branche. Die Kursschwäche am Morgen ist für ihn keine Überraschung, da die Aktie 2022 einen starken Lauf hatte. Der Kurs hatte 2022 um rund 17 Prozent zugelegt, während es mit dem Gesamtmarkt abwärts gegangen war.
«Krisen des Jahres 2022 gut verkraftet»
«Munich Re hat die Krisen des Jahres 2022 gut verkraftet und wächst weiter profitabel», sagte Wenning. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Kursrutsch an den Aktienmärkten und der deutliche Anstieg der Zinsen hinterliessen aber tiefe Spuren in den Kapitalanlagen des Konzerns: Das Kapitalanlageergebnis brach im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Drittel auf 4,9 Milliarden Euro ein.
Dass der Jahresgewinn dennoch stieg, verdankte die Munich Re auch ihrer Erstversicherungstochter Ergo. Das Unternehmen aus Düsseldorf verdiente mit 826 Millionen Euro rund 37 Prozent mehr als im Vorjahr. Grund waren günstige Währungskurse und ein Sondereffekt durch die gestiegenen Zinsen. In der deutschen Lebens- und Krankenversicherung verdiente Ergo dadurch fast dreimal so viel wie 2021 und übertraf insgesamt ihr im Herbst erhöhtes Gewinnziel.
In der Rückversicherung lief es für die Munich Re letztlich doch etwas besser als gedacht. Im Herbst hatte der Vorstand das Gewinnziel für die Sparte wegen der hohen Katastrophenschäden auf 2,5 Milliarden Euro gesenkt – letztlich wurden es doch fast 2,6 Milliarden.
Nur leicht geringere Katastrophenschäden als im Vorjahr
Dabei hatte die Sparte mit knapp 4,2 Milliarden Euro nur etwas geringere Katastrophenschäden zu schultern als im Vorjahr, als Hurrikan «Ida» in den USA und die Flutkatastrophe in Deutschland hohe Schäden angerichtet hatten. Obwohl diesmal die Zerstörungen durch Hurrikan «Ian» in den USA die Munich Re rund 1,6 Milliarden Euro kostete, schlugen die Folgen von Naturkatastrophen insgesamt nicht so teuer zu Buche wie im Vorjahr. Von Menschen verursachte Grossschäden kamen den Rückversicherer hingegen mit gut 1,7 Milliarden Euro rund 600 Millionen teurer zu stehen. Dazu trugen den Angaben zufolge auch Belastungen durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bei.
Angesichts der hohen Inflation in vielen Ländern hat die Munich Re wie ihre Konkurrenten die Preise erhöht. Bei der Vertragserneuerung in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung zum Jahreswechsel setzte sie den Angaben zufolge risikobereinigt 2,3 Prozent höhere Preise durch. Die Verhandlungsrunde zum 1. Januar ist die wichtigste im Jahr: Die Munich Re erneuerte dabei rund zwei Drittel ihrer Verträge mit Erstversicherern wie Allianz oder Axa .
«Die Preise entwickelten sich insgesamt positiv und konnten die teilweise deutlich gestiegenen Schadeneinschätzungen, bedingt vor allem durch Inflation oder andere Schadentrends, mehr als kompensieren», hiess es. Denn bei der genannten Preissteigerung sind die gestiegene Schadenerwartungen bereits herausgerechnet. Nicht alle Geschäftspartner machten bei den Preiserhöhungen mit: So baute die Munich Re ihr Geschäftsvolumen lediglich um 1,3 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro aus und damit weniger stark, als die Prämien in den jeweiligen Verträgen stiegen.
Mehr Dividende
Für 2022 sollen die Aktionäre eine von 11 Euro auf 11,60 Euro erhöhte Dividende erhalten, wie der Konzern schon am Mittwoch mitgeteilt hatte. Ausserdem will der Konzern bis zur Hauptversammlung im Jahr 2024 eigene Aktien im Wert von maximal einer Milliarde Euro zurückkaufen.
Mit ihrem Gewinnanstieg im abgelaufenen Jahr übertraf die Munich Re die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten. Das Ziel von vier Milliarden Euro für 2023 hatte der Konzern schon im Dezember veröffentlicht. Diese Zahl ist mit den 3,4 Milliarden aus dem Vorjahr nicht direkt vergleichbar, da die Munich Re wie andere grosse Versicherer ihre Zahlen ab 2023 nach dem neuen Rechungslegungsstandard IFRS 17 ermittelt. Finanzvorstand Christoph Jurecka hatte im Dezember gesagt, dass diese Umstellung den Überschuss zwar etwas nach oben treiben werde. Der grössere Teil des angepeilten Gewinnanstiegs werde aber durch Verbesserungen im operativen Geschäft erreicht. (awp/mc/ps)