Robert Greifeld, CEO Nasdaq OMX.
New York – Die Deutsche Börse muss bei ihrer angestrebten Fusion mit der New York Stock Exchange aufpassen: Die konkurrierende US-Technologiebörse Nasdaq bereite ein Gegenangebot vor, berichteten mehrere US-Medien am Montag. Die Finanzierung des Geschäfts liege in den letzten Zügen. Nach Informationen des Fernsehsenders CNBC könnte die Übernahmeofferte schon an diesem Dienstag herauskommen. Die Beteiligten selbst äusserten sich zunächst nicht.
Bereits seit Wochen halten sich hartnäckig Gerüchte, dass die Nasdaq die Fusion torpedieren könnte. Deutsche Börse und NYSE Euronext hatten Mitte Februar einen «Zusammenschluss von Gleichen» beschlossen. Beiderseits des Atlantiks besteht aber die Sorge, untergebuttert zu werden. In Frankfurt hatten jüngst mehrere hundert Mitarbeiter für den Erhalt ihrer Jobs protestiert.
US-Politik auf Seiten Nasdaq
Würde die Nasdaq um die NYSE werben, hätte sie viele US-Politiker auf ihrer Seite. Die Beweggründe für ein Gegenangebot wären allerdings rein egoistischer Natur: Die ebenfalls in New York sitzende Nasdaq gilt als grösster Verlierer, wenn die transatlantische Börsenfusion wie geplant bis zum Ende des Jahres über die Bühne geht. Die Nasdaq war 2007 mit ihrem Versuch gescheitert, die Londoner Börse zu übernehmen und hatte sich stattdessen die schwedische OMX einverleibt.
Verhandlungen mit Banken
Deutsche Börse und NYSE Euronext würden die grösste Börse der Welt schmieden mit einem starken Standbein sowohl im klassischen Aktienhandel als auch im lukrativen Derivategeschäft sowie dem Clearing, der nachgelagerten Abwicklung der Geschäfte. Noch fehlt aber das Okay von Anteilseignern und Aufsichtsbehörden. Die Nasdaq hat nach Informationen des «Wall Street Journal» und des Finanzdienstleisters Bloomberg mit mehreren Banken verhandelt, um eine Finanzierung für die Kaufofferte auf die Beine zu stellen. Demnach dürfte die Bank of America ein Konsortium anführen, dass rund 5 Milliarden Dollar (3,6 Mrd Euro) an Krediten zur Verfügung stellt.
Übernahmekarussell dreht auf Hochtouren
Die Nasdaq braucht jedoch noch einen weiteren starken Verbündeten, um die Übernahme der aktuell mit fast 9,6 Milliarden Dollar bewerteten NYSE Euronext stemmen zu können. Nach den Medienangaben zählt die Nasdaq dabei auf die IntercontinentalExchange (ICE) aus Atlanta. Die auf Rohstoffe spezialisierte Börse könnte sich bei diesem Szenario bestimmte Teile der NYSE Euronext herauspicken. Das Übernahmekarussell in der Branche dreht sich derzeit schnell. London geht mit Toronto zusammen, Singapur übernimmt Sydney und die alternative US-Handelsplattform Bats Global Markets hat den europäischen Rivalen Chi-X aufgekauft.
Wettbewerbsrechtliche Hindernisse
Ein grosser Zusammenschluss innerhalb der USA würde allerdings die Gefahr bergen, an den Wettbewerbshütern zu scheitern. Zudem hatten Deutsche Börse und NYSE Euronext eine Vertragsstrafe von 250 Millionen Euro vereinbart, falls einer der beiden einen Rückzieher machen sollte. Dieses Geld müsste letztlich ein wie auch immer gearteter Käufer hinblättern. An der Deutschen Börse scheint derzeit niemand Interesse zu haben. Der Frankfurter Marktbetreiber ist wertvoller als die meisten Konkurrenten und wird auch beim Zusammenschluss mit der NYSE Euronext den stärkeren Part spielen. 60 Prozent der Anteile am neuen Gesamtkonzern sollen an die Aktionäre der Deutschen gehen, die restlichen 40 Prozent entfallen auf die NYSE-Eigner. (awp/mc/ps)