Robert Greifeld, CEO Nasdaq OMX.
New York – Langsam wird es brenzlig für die Deutsche Börse und ihren Wunschpartner New York Stock Exchange: Die US-Technologiebörse Nasdaq OMX und die mit ihr verbündete US-Rohstoffbörse ntercontinentalExchange (ICE) kündigten am Montag an, die NYSE Euronext notfalls feindlich übernehmen zu wollen.
Ihre bisherigen Annäherungsversuche waren ins Leere gelaufen, weil die NYSE unbedingt mit der Deutschen Börse fusionieren will. «Der Verwaltungsrat der NYSE Euronext hat unser überlegenes Angebot zwei Mal ausgeschlagen, ohne überhaupt mit uns zu reden», ereiferte sich ICE-Chef Jeffrey Sprecher. «Wir wenden uns mit unserem Angebot jetzt direkt an die Aktionäre der NYSE Euronext.» Denen offeriert das Bieterduo rund 11 Milliarden Dollar (7,4 Mrd Euro) in Barem und eigenen Aktien. Je mehr Anteilseigner das Angebot annehmen, desto düsterer sieht es für eine Fusion mit den Frankfurtern aus.
NYSE bekräftigt Ablehnung der Nasdaq-Offerte
Die Deutsche Börse in Frankfurt wollte die neue Entwicklung am Dienstag nicht kommentieren. Die NYSE bekräftigte am späten Montag (Ortszeit) ihre Ablehnung der Nasdaq/ICE-Offerte. Das NYSE-Management sieht angesichts der strikten Regularien für Börsenbetreiber keine Chancen, dass das Gegenangebot bei den Behörden überhaupt durchgeht. NYSE-Verwaltungsratschef Jan-Michiel Hessels hatte die Offerte jüngst als «illusorisch» bezeichnet. Neben der Finanzaufsicht müssen auch die Wettbewerbshüter zustimmen – eine Kombination aus NYSE und Nasdaq würde die Börsenlandschaft in den USA umwälzen. Zudem behindert die NYSE-Satzung die Übernahme: Demnach darf kein einzelner Aktionär mehr als 20 Prozent an dem traditionsreichen Börsenbetreiber halten. Der NYSE-Verwaltungsrat, der sich so vehement gegen die Übernahme wehrt, müsste erst eine Ausnahme zulassen.
Druck auf NYSE-Management wächst
Nasdaq und ICE erhöhen mit ihrem Vorstoss aber fraglos den Druck auf das NYSE-Management. Auf der NYSE-Hauptversammlung vor wenigen Tagen hatten einige Anteilseigner gemurrt, sie seien unter Wert verkauft worden – bei der Fusion mit der Deutschen Börse bekämen die NYSE-Aktionäre 40 Prozent am neuen Gesamtunternehmen. Das ist vielen zu wenig; sie wehren sich gegen die Übermacht der Deutschen. Auf diese unzufriedenen Aktionäre setzen Nasdaq und ICE. Die Nasdaq bietet je NYSE-Aktie 14,24 Dollar in Cash und 0,4069 eigene Aktien. Obendrauf kommen 0,1436 Aktien der ICE. Nasdaq-Chef Bob Greifeld sprach von einer «positiven Resonanz», die er von den NYSE-Aktionären bekommen habe. Dem NYSE-Verwaltungsrat bot er Gespräche an, wenngleich sich die Stimmung zwischen den beiden Lagern durch das feindliche Übernahmeangebot nicht verbessert haben dürfte. Noch im Mai wollen Nasdaq und ICE die Einzelheiten ihrer Offerte offenlegen.
NYSE-Aktionärstreffen auf 7. Juli anberaumt
Die NYSE-Aktie, die daraufhin bereits tags zuvor um 0,9 Prozent gestiegen war, gab im kaum veränderten Markt nun um 0,4 Prozent nach, während die Deutsche Börse am Dienstagnachmittag marktkonform um 0,8 Prozent fiel. Die beiden Unternehmen hatten sich nach monatelangen Verhandlungen im Februar auf ihren Zusammenschluss zum weltgrössten Börsenbetreiber geeinigt. Sie versuchen, ihren Aktionären die Fusion mit der Aussicht auf höhere Einsparungen und damit höhere Gewinne schmackhaft zu machen. Nach bisherigen Plänen sollen die NYSE-Anteilseigner auf einem extra anberaumten Aktionärstreffen am 7. Juli über den Zusammenschluss befinden.
Preis alleine dürfte nicht entscheidend sein
Analyst Christian Muschick von der Investmentbank Silvia Quandt erklärte, die Differenz des Angebots von Nasdaq/ICE sei im Vergleich zu dem der Deutschen Börse im Laufe der vergangenen Wochen immer geringer geworden: «Das Wechselkursverhältnis und die Aktienkursentwicklungen aller Beteiligten haben sich deutlich zugunsten der Deutschen Börse verändert.» Commerzbank-Analyst Roland Pfänder meinte, letztlich werde auch nicht allein der Preis entscheiden: «Die Marktteilnehmer, von denen nicht wenige ja auch Aktionäre der NYSE sind, hätten mehr Vorteile aus einer Kombination zwischen der Deutschen und der New Yorker Börse.» (awp/mc/upd/ ps)