Kein Fall UBS mehr: Der Staat soll nie mehr eine Grossbank vor dem Absturz retten müssen.
Bern – Banken, die zu gross sind, um in Konkurs gehen zu lassen, müssen künftig strengere Anforderungen hinsichtlich Eigenkapital und Organisation einhalten. Der Nationalrat hat am Donnerstag den Vorschlägen des Bundesrats zur Eindämmung der Grossbankenrisiken weitgehend zugestimmt. Mit der Gesetzesrevision, deren Beratung erst am kommenden Montag abgeschlossen wird, soll das Risiko vermindert werden, dass es wieder zu einem Fall UBS kommt.
Der Staat hatte die Grossbank 2008 finanziell unterstützt, weil deren Untergang die gesamte Volkswirtschaft gefährdet hätte. Die Vorschläge des Bundesrats, die der Ständerat bereits im Juni in den wesentlichen Punkten gutgeheissen hat, wurden im Nationalrat nur von der SVP grundsätzlich in Frage gestellt. Sie beantragte die Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat. Es reiche nicht, dass die Grossbanken bloss Massnahmen vorbereiten müssten, um im Fall drohender Insolvenz die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen zu gewährleisten, sagte Caspar Baader (SVP/BL).
Nationalrat gegen Trennbankensystem
Die Grossbanken müssten sich vielmehr so organisieren, dass im Konkursfall einer Tochter- oder Schwestergesellschaft jegliche Haftung des Mutterhauses in der Schweiz ausgeschlossen werden könne, forderte Baader. Er plädierte für ein Holding-Modell oder ein Trennbankensystem – und fühlte sich darin durch den am Donnerstag bekanntgegebenen Verlust der UBS im Investmentbanking bestätigt. Nur mit solchen Modellen könnten Teile der Banken – etwa das Investmentbanking – in den Konkurs geschickt werden.
«SVP betreibt Augenwischerei»
«Die SVP wollte mit der Rückweisung auch bewirken, dass der Bundesrat die vorgeschlagenen Eigenmittelanforderungen reduziert. Mit den vorliegenden Werten würden die Schweizer Grossbanken Wettbewerbsnachteile erleiden. Die Vorlage sei zu wenig durchdacht, kritisierte Baader. Die anderen Parteien warfen der SVP vor, «Augenwischerei» zu betreiben und eine Verzögerungstaktik zu verfolgen. Der Durchgriff auf die Muttergesellschaft könne mit den SVP-Vorschlägen nicht verhindert werden, sagten sowohl Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf als auch die Vertreter der anderen Parteien.
Widmer-Schlumpf: «Massvoll und wirksam»
Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) warf der SVP vor, gegen eine schärfere Bankenregulierung zu sein. Deshalb wolle sie die Vorlage hinauszögern. Gehe es nach der SVP, müssten die Steuerzahler auch in Zukunft strauchelnden Grossbanken finanziell unter die Arme greifen. Pirmin Bischof (CVP/SO) bezeichnete die eingeleitete Gesetzesrevision im Gegensatz zur SVP als «durchdacht, ausgewogen und mit allen Playern abgesprochen». Die Finanzministerin sprach ihrerseits von «massvollen und wirksamen» Vorschlägen. Der SVP-Rückweisungsantrag blieb chancenlos, er wurde mit 115 zu 45 Stimmen abgelehnt. In der anschliessenden Detailberatung folgte der Nationalrat bislang in allen Punkten den Beschlüssen des Erstrats.
Gegen Eigenkapitalquote im Gesetz
Versuche der Ratslinken und der SVP, die Vorlage in ihrem Sinne zu verändern, blieben erfolglos. Gescheitert ist etwa ein Vorschlag der SP, im Gesetz festzuhalten, dass systemrelevante Grossbanken künftig eine Eigenkapitalquote von mindestens 10 Prozent auf allen Aktiven halten müssen. Gemäss den Vorschlägen des Bundesrats sollen die Grossbanken eine Eigenkapitalquote von 19 Prozent ausweisen: Dieser Prozentsatz bezieht sich aber nur auf die risikogewichteten Aktiven. Für die SP liegt das Problem aber gerade in den Risikoeinschätzungen der Banken. Diese hätten sich als in der Finanzkrise als falsch erwiesen.
Nach Ansicht der SVP ist der SP-Vorschlag nicht finanzierbar: Die Grossbanken müssten so ihr Eigenkapital von derzeit 80 Milliarden auf 230 Mrd erhöhen. Dieses Geld müssten sie auf dem Kapitalmarkt aufnehmen, was nicht realistisch sei. Folge wäre, dass die Banken ihr Geschäftsvolumen reduzieren und damit die Kreditvergabe drosseln würde.
Kein Eingriff in Lohnpolitik
Weiter lehnte der Nationalrat einen Antrag der Grünen nach einer speziellen Bankenabgabe ab. Systemrelevante Grossbanken sollten künftig zur Abgeltung der faktischen Staatsgarantie, von der sie profitieren, eine Abgabe bezahlen. Abgelehnt wurden ferner direkte Eingriffe in die Lohnpolitik der systemrelevanten Grossbanken ab. Die Linke wollte im Gesetz festschreiben, dass bei solchen Banken die variablen Lohnbestandteile (Boni) nicht mehr als die Hälfte der festen Vergütungen betragen dürfen.
BR soll nicht bestimmen, welche Banken systemrelevant sind
Abgelehnt wurde auch ein Kommissionsantrag mit der Forderung, dass der Bundesrat bestimmen soll, welche Banken systemrelevant sind. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dass dies die Nationalbank tun soll. FDP, SP und Grüne sorgten dafür, dass sich der Bundesratsvorschlag durchsetzte. Die Debatte wird am Montag fortgesetzt. Zur Diskussion steht inbesondere noch die Abschaffung der Stempelsteuer auf Obligationen. Mit diesem Instrument will der Bundesrat die Kapitalbeschaffung der Banken erleichtern. (awp/mc/ps)