Zürich – Nach einem robusten Jahresbeginn mit nachlassender Inflation, zweistelligen Renditen an einigen Aktienmärkten und Anleiherenditen, die ein 15-Jahres-Hoch erreichten, sind die vom Natixis Center for Investors Insight Ende Juni befragten Ökonomen und Anlagestrategen zuversichtlicher, dass eine globale Rezession im zweiten Halbjahr ausbleiben wird. 50 % der Befragten stufen das Risiko demnach als gering ein, bleiben aber zugleich vorsichtig und erwarten, dass der Gegenwind für die Investmentmärkte und damit die Unsicherheit wieder zunimmt.
Im November 2022 glaubten bei einer Umfrage von Natixis Investment Managers noch 59 % der institutionellen Anleger, dass eine Rezession im Jahr 2023 «unvermeidlich» sei, und 54 % sagten, eine Rezession sei «absolut notwendig», um die Inflation zu dämpfen*.
Inflationssorgen lassen etwas nach
Trotz der sich mittlerweile abschwächenden Preissteigerungen sind fast drei Viertel (72 %) der Befragten besorgt, dass die Inflation länger als erwartet anhalten könnte, und 38 % glauben, dass die Zinsen länger als erwartet hoch bleiben könnten. Dementsprechend glauben sie nicht, dass die von den Notenbanken angestrebten Inflationsraten vor 2025 erreicht werden, und 9 % sind sogar der Meinung, dass dies auch bis mindestens zum Jahr 2026 noch nicht der Fall sein könnte. Zugleich halten jedoch nur 22 % der befragten Strategen die Inflation in der zweiten Jahreshälfte für ein «hohes Risiko».
Anleger sollten bei anhaltendem Gegenwind nicht selbstzufrieden sein
Gefragt nach den grössten Risiken für Wirtschaft und Märkte im zweiten Halbjahr, sehen die Strategen in den geopolitischen Entwicklungen (72 %) und in der Zentralbankpolitik (72 %) den stärksten Gegenwind. Ein Viertel (25 %) der Strategen glaubt jedoch nicht, dass sich die Geopolitik auf die Märkte auswirken wird, sondern sieht sie lediglich als “Hintergrundlärm”.
Die Entwicklung der Unternehmensgewinne stellt für 66 % der Befragten einen potenziellen Gegenwind dar, 25 % sind jedoch optimistisch und meinen, dass die Gewinne in der zweiten Jahreshälfte als Katalysator wirken könnten.
«Die Inflation kühlt sich ab, aber wir sind noch nicht über den Berg. Stark gestiegene Preise bei Waren und Dienstleistungen, aber auch die geopolitischen Spannungen dürften noch einige Zeit für höhere Zinsen sorgen. Unter uns Strategen herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass wir wohl erst 2025 die von den Notenbanken angestrebten Inflationsraten sehen werden», so Mabrouk Chetouane, Head of Global Market Strategy, Solutions, Natixis IM.
Chancen erkennen
Unter Abwägung der Chancen und Risiken für die Investmentmärkte sind 34 % der Befragten der Ansicht, dass die USA für den Rest des Jahres am besten positioniert sind, und 22 % glauben, dass entweder Japan oder die Schwellenländer (ohne China) die Gewinner sein werden. Nur 16 % glauben, dass Europa der führende Markt sein wird, und nur 6 %, dass es China sein wird. Keiner der Strategen setzt auf das Vereinigte Königreich. Es besteht ein starker Konsens darüber, dass Large Caps (81 %) besser abschneiden werden als Small Caps (19 %), was zum Teil auf die strengeren Kreditstandards zurückzuführen ist, die im Zuge der Bankenkrise im ersten Quartal festgelegt wurden.
Die Strategen sind hin- und hergerissen, ob Value oder Growth bis zum Jahresende besser abschneiden wird – sie sehen ein Verhältnis von 50:50.
Anleihenmärkte: Langläufer vs. Kurzläufer
Nach 15 Jahren niedriger und negativer Renditen kehrten Anleihen im Jahr 2023 als Anlageklasse zurück.
Gefragt nach ihren Aussichten für das 2. Halbjahr:
- glauben 47 %, dass die Renditen von US-Schatzpapieren am Jahresende bei 3,5 – 4 % liegen werden
- sehen 41 % einen Rückgang der Zinsen, wobei 28 % einen Rückgang der 10-jährigen Staatsanleihen auf 3 % bis 3,5 % erwarten.
- glauben 13%, dass die Zinssätze auf 2,5%-3% steigen könnten
Für Investoren in festverzinsliche Anlagen ist jedoch weiterhin Vorsicht geboten:
- Je 38 % sind besorgt über Zahlungsausfälle und Herabstufungen von Unternehmen
- Nur 13 % der Strategen sind über die Entwicklungen bei Verbraucherkrediten und auf den Immobilienmärkten besorgt, aber 69 % sehen in potenziellen Fehlern der Zentralbanken ein Risiko (53 % mittleres Risiko, 16 % hohes Risiko).
Alles in allem glauben 56 % der Befragten, dass Anleihen mit langer Laufzeit bis Ende 2023 besser abschneiden werden als Anleihen mit kurzer Laufzeit.
Aktienmärkte: Rallye wird sich wahrscheinlich abkühlen
Die Aktienmärkte erholten sich in der ersten Jahreshälfte, was vor allem auf das Wiederauftreten der Technologiebranche zurückzuführen war. Der NASDAQ verzeichnete eine Rendite von 30 % – das beste erste Halbjahr in der 52-jährigen Geschichte des Index. Die durch die Begeisterung für künstliche Intelligenz (KI) ausgelöste Rallye im Technologiesektor verhalf auch dem S&P 500 zu einem Anstieg von 15,91 %. In Japan sorgten Unternehmensreformen und die Konzentration auf nachhaltiges Wachstum dafür, dass der Nikkei-Index bis zum 30. Juni um 27,91 % zulegte – der grösste Anstieg seit 33 Jahren.
Jedoch geht niemand davon aus, dass sich die Tech-Rallye verstärken wird, weniger als ein Drittel (31 %) erwartet, dass sie sich «stetig fortsetzen» wird, und 6 % der Strategen sind der Meinung, dass die «Blase platzen wird”. Die Hälfte der Strategen ist der Meinung, dass sich die
Aktienmärkte im zweiten Halbjahr allgemein abkühlen und die Kurse sinken werden, um die Fundamentaldaten widerzuspiegeln.
Speziell zur KI befragt, glauben zwar 88 %, dass sie bisher unentdeckte Anlagechancen erschliessen kann, und 69 %, dass sie den Day-Trading-Handel beschleunigen wird, aber 100 % der befragten Strategen glauben, dass sie potenziell betrügerisches Verhalten verstärken wird.
“Das Jahr 2023 ist für Anleger bisher überraschend positiv verlaufen. Dennoch sollten sie auf den anhaltenden Gegenwind achten um nicht in Selbstzufriedenheit verfallen. Die Inflation ist in den meisten Industrieländern von einer allgegenwärtigen Sorge zu einer überschaubaren Situation geworden. Dennoch könnte es noch einige Zeit dauern, bis die ehrgeizigen Ziele der Zentralbanken erreicht sind.
Big Tech hat den Aktien in der ersten Jahreshälfte zu einem kräftigen Aufschwung verholfen, deswegen sind die meisten über die Unternehmensgewinne im zweiten Halbjahr besorgt. Sie erwarten, dass der Aufschwung bis zum Jahresende nachlässt. Die Erfolge des ersten Halbjahres könnten sich verflüchtigen, aber unsere versammelten Experten glauben, dass sich immer noch gute Chancen bieten, wenn man genau hinschaut”, so Timo H. Paul, Managing Director und Leiter deutschsprachige Schweiz bei Natixis IM.
Den vollständigen Bericht mit den Umfrageergebnissen gibt es hier. (Natixis/mc/ps)