Berlin – Neobroker haben in den vergangenen Jahren mit aggressiver Werbung viele Schlagzeilen gemacht, aber offenbar keine nachhaltige Begeisterung bei potentiellen Aktienkäufern ausgelöst: Nach einem starken Anstieg von Erst-Aktionären bei den unter 30jährigen ist im vergangenem Jahr in dieser für die „Neos“ wichtigsten Zielgruppe kaum noch etwas passiert, die Zahlen stagnieren nahezu.
Dies ergibt die aktuelle Auswertung des Deutschen Aktieninstitutes. Woran kann das liegen?
Mit dem Handy Aktionär spielen verliert schnell den Reiz
Der Aktienkauf kostet nichts und kann Dank einer Highend-App auch schnell erledigt werden, wenn gerade auf die nächste U-Bahn gewartet wird. Mit diesen Versprechen ist es den Neobrokern offenbar gelungen, zunächst viele Neugierige auf die Plattformen zu locken. Der Reiz „mal eben ein paar Aktien zu kaufen“ ist bei Technologie-affinen Menschen sicher groß. Aber die beiden Hauptargumente der Neobroker sind in den vergangenen Monaten immer kritischer in der Öffentlichkeit diskutiert worden:
- „Aktienkauf kostet nichts“: Das dies nicht sein kann ist mit minimaler betriebswirtschaftlicher Kompetenz nachvollziehbar, schließlich machen die neuen Trader wie „Trade Republic“ Millionenprofite. Diese werden durch Provisionen verdient, die eine Aktienverkäufer für die Vermittlung eines Kauf- oder Verkaufsauftrags an den Neobroker zahlt. Die Frage, ob deswegen ein Aktienkäufer möglicherweise nicht den besten möglichen Kurs bekommt sondern der Neobroker dort kauft, wo die für ihn höchste Provision verdient werden kann, ist bis heute nicht geklärt. Die Europäische Union hat sogar überlegt, diese Provisionspraxis gesetzlich zu verbieten.
- „Aktienkauf immer und überall“: Technisch ist dies zumeist möglich, obwohl es bereits Fälle gab, in dem Trading Apps den Kauf oder Verkauf bestimmter Titel blockierten. Verbraucherschützer sehen bei dem „Aktienkauf nebenbei“ große Risiken für den Anleger. Stephanie Heise, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: „»Es kann passieren, dass die Kunden sich, eben weil es so schnell und unkompliziert geht, zu einem Kauf oder Verkauf hinreißen lassen, den sie vielleicht doch besser hätten durchdenken sollen. Dadurch ist das Risiko größer, sich nicht an selbst gesetzte langfristige Strategien zu halten.»
Studie der Uni Frankfurt: Smartphonehandel ist riskant
Das der schnelle App-Kauf von Aktien mehr (teure) Spielerei als eine strategische Anlage-Strategie ist bestätigt eine Untersuchung von Prof. Dr. Andreas Hackethal (Goethe-Universität Frankfurt), an der auch die TU München und eine US-Universität beteiligt waren. Ausgewertet wurden für die Studie 22 Millionen Transaktionen von 180’000 Anlegerinnen, die über das Smartphone abgewickelt wurden. Das Ergebnis: Wer anfängt, übers Smartphone zu traden, wird unvorsichtiger, neigt zu Impulskäufen, legt sein Geld riskanter und in Wertpapiere mit stark schwankenden Kursen an. Der eigentlich Aktionärs-untypische schnelle An- und Verkauf ist ganz im Interesse der Neobroker, denn nur mit möglichst viel Handelsaktionen verdienen sie Geld. Bemerkenswert: Die Wissenschaftler stellten fest, dass diese zu riskanten Aktiengeschäfte auch dann weiter betrieben werden, wenn der Anleger wieder zum Desktop-Rechner als Handelsinstrument zurückkehrt. Offenbar verändert sich durch das blitzschnelle An- und Verkaufen von Fonds und Aktien das Anlageverhalten dauerhaft. Von dem klassischen Börsianer-Tipp, nach dem Einstieg in einen Wert diesen mindestens sechs Monate gar nicht mehr zu betrachten, ist der Anleger dann weit entfernt. Das Resümee der Uni Frankfurt: Online-Trading führt zu „wenig effizient gestalteten Depots“.
Zwischen Zocken und teuren Hausbanken: Gibt es Alternativen?
Die Aktionärsquote in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren langsam gestiegen ist, aber bleibt noch weiter hinter der in der Schweiz, Großbritannien oder Schweden zurück. Eine Ursache ist sicher die Gebührenpolitik der klassischen Hausbanken, die für jeden Aktienkauf nach wie vor hohe Beträge in Rechnung stellen. Wer aber trotzdem für seinen nachhaltigen Vermögensaufbau nicht auf Aktienkäufe verzichten möchte findet Alternativen. RTL hat im März unter Aufsicht des TÜV fünf Online-Trader nach zahllosen Kriterien auf den Prüfstand gestellt, von Cryptohopper über die Sparkassen-Broker-App bis zu Flatex. Auf dem ersten Rang landete mit einer glatten „1“ der Berliner Online-Trader „Agora direct“, der bereits seit 2003 auf dem Markt ist – also lange bevor es Neobroker gab. Hier wurden vor allem die transparenten (und günstigen) Preise für den Handel sowie die zahllosen Handelsplätze gelobt, auf denen der Online-Trader für seine Kunden Aktien kaufen kann. Das es hier tatsächlich noch eine telefonische Kundenbetreuung – kein Callcenter – gibt, wurde ebenso positiv vermerkt.
Im vergangenem Jahr haben 280.000 Anleger der Börse den Rücken zugekehrt, so das Deutsche Aktieninstitut. Der Hype um die Neobroker hat offenbar nicht dazu beigetragen, aus den Deutschen ein Volk von Aktionären zu machen. (AG/mc/hfu)