Krankenkassen wollen mit neuem Verband mit einer Stimme sprechen
Bern – Die grössten Krankenversicherer der Schweiz wollen mit einer Stimme sprechen und haben deshalb einen neuen Branchenverband gegründet. Den Ausschlag habe der Streit um den ambulanten Tarif gegeben, sagte KPT-Chef Thomas Harnischberg. Der neue Verband soll nun die Branche einen.
Der neue Verband werde Anfang 2025 seine Arbeit aufnehmen und das bestehende Duopol zweier Dachverbände beenden, hiess es am Donnerstag in einer Mitteilung des neuen Verbandes. Das Projekt hat Thomas Harnischberg, CEO der Krankenkasse KPT, zusammen mit anderen Krankenkassenchefs angestossen.
«Irgendwann reicht es»
Angesichts der Uneinigkeit zwischen Santésuisse und Curafutura habe etwas geschehen müssen. «Irgendwann reicht es», sagte Harnischberg am Donnerstag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Den Ausschlag für den Schritt gegeben habe der Streit um den künftigen ambulanten Tarif. Bei diesem grossen Dossier seien unterschiedliche Auffassungen besonders schlimm, sagte Harnischberg. Es gebe aber auch noch andere umstrittene Dossiers.
Ihm sei es wichtig, dass die Krankenkassen-Branche mit einer Stimme spreche. Gerade mit Blick auf künftige Diskussionen wie jene um Einheitskassen sei es an der Zeit, etwas Neues auf die Beine zu stellen, sagte er. Die Politik habe zu verstehen gegeben, dass unterschiedliche Sichtweisen aufs gleiche Thema nicht sein könnten.
«Führung wird entscheidend sein»
Der Name des neuen Verbandes ist noch nicht bekannt und ebenso wenig dessen Spitze. Laut Harnischberg hat zurzeit die Besetzung der operativen Führung Vorrang. Die Geschäftsführung werde öffentlich ausgeschrieben. «Dann werden wir sehen, was hereinkommt». Es gelte, eine geeignete Person zu finden, um den Verband zu gestalten.
Der Gesundheitsökonom Willy Oggier hält den neuen Krankenkassenverband für grundsätzlich begrüssenswert. «Entscheidend wird sein, wer den neuen Verband gestalten wird», sagte er der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Verharrten die Streithähne in den Schützengräben, ändere sich nichts. Denn diese hingen mit den Personen zusammen, die die derzeitigen Verbände Santésuisse und Curafutura geprägt hätten.
Ein Verband und nicht drei als Ziel
Dass die Führung von Santésuisse oder Curafutura die Führung des neuen Verbandes übernehmen könnte, sei zwar nicht auszuschliessen, aber eher unwahrscheinlich, sagte Harnischberg. Erst in zweiter Linie soll das Präsidium des neuen Verbandes besetzt werden.
Curafutura und dem politischen Teil von Santésuisse gibt Harnischberg keine Überlebenschancen: «Ziel ist es, dass es einen Verband gibt und nicht einen dritten», so Harnischberg.
Eine Lösung gesucht werden müsse aber für operative Einheiten von Santésuisse wie zum Beispiel die Tarifsuisse AG. Selbst sieht sich Harnischberg in der Rolle der Person, «die alles angestossen hat», aber nicht als «Tätschmeister». Das Projekt sei partnerschaftlich aufgegleist worden und solle im Konsens weiterentwickelt werden.
Gründungsmitglieder des neuen Verbandes sind die Kassen Assura, Atupri, Concordia, CSS, EGK, Groupe Mutuel, Helsana, KPT, ÖKK, Sanitas, Swica, Sympany und Visana. Die bestehenden Mitgliedschaften bei Santésuisse beziehungsweise Curafutura würden beendet.
Die Gründungsmitglieder vertreten zurzeit bereits über 90 Prozent der Grundversicherten der Schweiz. Der Beitritt zum neuen Verband steht laut Mitteilung weiteren Krankenversicherern offen.
Ringen um Tarifstruktur
Der Bundesrat entschied am Mittwoch, die veraltete Tarifstruktur für ambulante ärztliche Leistungen namens Tarmed per Anfang Januar 2026 abzulösen. Er genehmigte die neue Einzelleistungstarifstruktur Tardoc sowie die ersten ambulanten Pauschalen.
Seit Jahren hatten Versicherer, Spitäler und Ärzteschaft um einen neuen Ärztetarif als Ersatz für den veralteten Tarmed gerungen, mit dem Spitäler und Ärzte abrechnen. Die Ärzteverbindung FMH und der Krankenkassenverband Curafutura schlugen die Tarifstruktur Tardoc vor, der Verband Santésuisse war nicht mit an Bord. (awp/mc/ps)