Zürich – Die Denkfabrik Avenir Suisse hat einen neuen Anlauf für die Privatisierung von Schweizer Staatsunternehmen lanciert. Wie der wirtschaftsliberale Think-Tank am Montag in einer Studie zeigt, sind die Risiken für die Steuerzahler vielerorts enorm und bei einigen Aktivitäten des Staates könnte die Effizienz durchaus gesteigert werden.
Die Liste der Sündenfälle bei Staatsunternehmen ist gemäss einer Publikation von Avenir Suisse vom Montag lang. Die Verfehlungen reichen von milliardenschweren Verlusten bei Schweizer Energieunternehmen sowie in der Bankenwelt über teure Eskapaden im Ausland in der Telekombranche bis hin zu haufenweisen Interessenkonflikten zwischen Staatsunternehmen und der Politik.
Enorme Geldvernichtung
Namentlich sprechen die Wissenschafter die Milliardenabschreiber des Swisscom-Konzerns bei Auslandsbeteiligungen wie der deutschen Debitel sowie bei der italienischen Firma Fastweb an.
Auch der Wertverlust von 1,8 Milliarden Franken beim Energiekonzern Axpo am Werk Linth-Limmern, der Wertzerfall beim Kanton Bern an der BKW-Beteiligung von fast 3 Milliarden Franken sowie der Einbruch der Marktkapitalisierung um rund 70% auf nur noch 2,9 Mrd CHF bei Alpiq kamen bei der Präsentation der Studienresultate vor den Medien zur Sprache. Und kein Ruhmesblatt ist auch die Berner Kantonalbank BEKB, denn die Rettung des Geldhauses kostete den Kanton in der Vergangenheit schon mal rund 2,6 Mrd.
Der Staat sollte sich daher gemäss der Studie aus vielen seiner Aktivitäten zurückziehen und die Beteiligungen privatisieren. Das hätte aus Sicht von Avenir Suisse drei Vorteile: Erstens reduzierten sich die finanziellen Risiken für die Steuerzahler. Zweitens gingen Marktverzerrungen durch den Eingriff des Staates zurück. Drittens verschwänden Interessenskonflikte, weil der Staat – wie das Beispiel Swisscom eindrücklich zeigt – nicht gleichzeitig als Eigentümer, Regulator und Kunde auftreten würde.
Volksvermögen an die Bürger geben
Wie sollte die Schweiz vorgehen? Das Land könnte die Privatisierungserlöse einerseits zum Schuldenabbau oder andererseits für Steuersenkungen verwenden.
Hauptautor der Studie, Samuel Rutz, rechnete am Montag am Beispiel einer Veräusserung der Swisscom-Beteiligung vor, dass der Bund dadurch rund 13% seiner Schulden von 108 Mrd CHF zurückzahlen und somit die Finanzierungsausgaben markant senken könnte. Alternativ hätten beim Verkauf der Swisscom-Papiere laut Rutz auch für jeden Bürger eine Steuergutschrift von rund 1’600 CHF oder drei Swisscom-Aktien gewunken.
Im Fall von BKW hätte die Privatisierung Ende 2015 die Bürger jeweils um rund 1’000 CHF an Steuerzahlungen entlastet oder jede Person hätte 53 BKW-Aktien erhalten.
Keine Garantie auf Rentabilität
Das Argument, man fordere die Veräusserung von Tafelsilber, lassen die Verfasser der Studie nicht gelten. Es bestehe schliesslich keine Garantie, dass Staatsunternehmen auf ewig rentabel seien oder stets einen gut funktionierenden ‹Service public› anböten. Für Letzteres sei die Eigentumsfrage ohnehin nicht entscheidend, denn viele Staatsaufgaben könnten auch über Konzessionen oder Leistungsaufträge von Privatfirmen erbracht werden.
Avenir Suisse hob am Montag an der Medienorientierung hervor, dass eine ideologiefreie und sachlich unaufgeregte Diskussion um das Firmenportfolio des Bundes sowie der Kantone geführt werden soll. Das Land müsse schnellstmöglich erneut in eine Debatte etwa um das Teilmonopol in der Unfallversicherung oder etwa um die Registrierung von Nutztieren mit 66 Vollzeitstellen als eine notwendige Staatsaufgabe einsteigen.
Auf Gemeindeebene mahnen die Wissenschaftler zudem mehr Transparenz an. Diese sei unabdingbar, weil ohne eine genaue Aufstellung über die Firmenbeteiligungen kaum eine sinnvolle Diskussion zur Veräusserung der Aktiva geführt werden könne.
Keine risikolosen Goldesel
Besonderen Erfolg bei der Privatisierung verspricht sich die Denkfabrik bei staatlichen Engagements wie Swisscom, Postfinance, den SBB oder etwa den Kantonalbanken, die per Gesetz letztlich immer von den Steuerzahlern gerettet werden müssten.
Staatsunternehmen seien eben keine risikolosen Goldesel, betonte daher Wissenschafter Rutz vor den Medien. Viele Staatsbetriebe müssten sich ausserdem als Folge der Globalisierung neu ausrichten und dabei sollte gleichzeitig die Frage nach dem Sinn einer staatlichen Eigentümerschaft zur Sprache kommen.
Die Diskussionen sollten obendrein auch den Rüstungskonzern Ruag einbeziehen, der 2015 rund 63% seines Umsatzes von rund 1,7 Mrd CHF im Ausland erwirtschaftete und jenseits der Landesgrenzen 16 Standorte unterhält. Und schliesslich dürften auch staatliche Einrichtungen wie Skyguide, das Bundesamt für Metrologie METAS oder das Schweizer Nationalgestüt keine Tabuthemen bei der Privatisierungsfrage darstellen. (awp/mc/upd/ps)