Athen – Auf die Griechen kommen noch härtere Zeiten zu: Der griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou präsentierte am Freitag die Eckpunkte eines neuen Sparpakets zur Rettung des pleitebedrohten Landes. Allein bis Ende 2011 müssen demnach mehr als sechs Milliarden Euro gespart werden. «Voraussetzung für die Unterstützung an uns (seitens der EU) ist, dass wir einen Sparplan haben und unsere Ziele erreichen», sagte Papakonstantinou im Fernsehen nach der Zustimmung des Ministerrats zum Sparpaket.
Die Auszahlung der nächsten Hilfszahlung an Athen machen die Europartner, EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) von zusätzlichen Sparschritten und der Privatisierung von Staatsbesitz abhängig. Athen will die Zahl der Staatsbediensteten in den kommenden zwei Jahren im Vergleich zum Jahr 2009 um 150.000 verringern. Dutzende staatliche Behörden und Unternehmen sollen fusionieren, schliessen oder im Falle der Staatsbetriebe privatisiert werden. Zudem soll eine neue Sondersteuer nach dem Vorbild der deutschen Solidaritätssteuer für Einkommen über 12.000 Euro jährlich erhoben werden. Die Kürzungen betreffen Medienangaben zufolge sämtliche soziale Leistungen. Die Rüstungsausgaben sollen weiter gekürzt werden. «Sparen, sparen, Kürzungen und Express-Ausverkauf», titelte die konservative Athener Zeitung «Eleftheros Typos» (Freitag).
Mehrwertsteuersatz soll um 10% steigen
Nach dem Ende der Tourismus-Saison im September soll auch der Mehrwertsteuersatz für Gerichte und Getränke, die in Tavernen und Cafés serviert werden, von derzeit 13 Prozent auf 23 Prozent steigen. Noch mehr Geld müssen unter anderem auch die Besitzer von Immobilien und Luxusautos sowie Jachten und Booten zahlen. Der griechische Staat will durch Privatisierungen und den Verkauf staatlicher Immobilien 50 Milliarden Euro bis 2015 einsammeln. Die Gewerkschaften, speziell die des Staatssektors, kündigten weitere Streiks für den 15. Juni an.
Parlament muss Sparprogramm noch absegnen
Das Sparprogramm muss noch vom Parlament in Athen gebilligt werden. Die entscheidende Abstimmung soll Medienberichten zufolge am 30. Juni erfolgen. Die regierenden Sozialisten verfügen über 156 Mandate im 300 Abgeordnete zählenden Parlament. Die Billigung des Sparprogramms durch das Parlament ist eine der Bedingungen dafür, dass die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Tranche der Finanzhilfe für Griechenland über zwölf Milliarden Euro geben. Kommt das Geld nicht, droht Griechenland die Pleite.
Verhandlungen über Gläubigerbeteiligung dauern an
Die Gespräche auf europäischer Ebene über eine Einbindung privater Gläubiger bei einem zweiten Rettungspaket für Griechenland dauern an. «Wir prüfen Wege, bei denen private Gläubiger auf freiwilliger Basis zustimmen würden, ihr Engagement aufrecht zu erhalten», sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Freitag in Brüssel. Es müsse dabei auf jeden Fall verhindert werden, dass Marktbeteiligte die Einbindung von privaten Gläubigern – das sind vor allem Banken oder Versicherungen – als einen Zahlungsausfall einstuften. Eine der Varianten, die debattiert werden, ist die sogenannte Wiener Lösung, wonach Gläubiger neuen Anleihen kaufen, wenn die alten auslaufen.
Äusserst komplizierte Verhandlungen
EU-Diplomaten sprachen ergänzend von Verhandlungen, die technisch äussert kompliziert seien, denn es werde bei der Rettung von Griechenland Neuland betreten. Je nachdem, ob man Privatisierungserlöse in Griechenland mit einrechne oder nicht, könnte das Paket einen Umfang von 90 Milliarden Euro bis 120 Milliarden Euro haben. Athen hatte bereits von gut einem Jahr ein Paket von Europäern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) von 110 Milliarden Euro erhalten. Die nächste Tranche von 12 Milliarden Euro ist im Juli fällig – Athen braucht sie dringend, freigegeben ist sie noch nicht.
Finanzministertreffen am 14. Juni
Die Finanzminister der 27 EU-Staaten kommen an diesen Dienstag (14.) in Brüssel zu einem informellen Abendessen zusammen. Sie wollen dabei über die Gesetzesvorschläge zur Verbesserung der europäischen Wirtschaftsaufsicht und zur Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes sprechen. Derzeit laufen Verhandlungen dazu mit dem Europaparlament – das sehr umfangreiche Paket soll noch im Juli unter Dach und Fach gebracht werden. Experten halten es für wahrscheinlich, dass am Rande des Sondertreffens auch über die schwere Griechenland-Krise gesprochen werden wird. Aus dem Umfeld des Vorsitzenden der Euro-Finanzminister, Jean-Claude Juncker, hiess es aber, es solle keine Eurogruppe am Dienstag geben. Die nächste Eurogruppe, also ein Treffen der 17 obersten Kassenhüter des Eurogebiets, ist für den 20. Juni in Luxemburg geplant.
EZB will bei Kreditausfall keine griechischen Anleihen akzeptieren
Die EZB wird der deutschen Regierung bei der Beteiligung privater Gläubiger im Fall einer Umschuldung Griechenlands nicht entgegen kommen. «Sollte eine solche Beteiligung als Kreditausfall gewertet werden, dann wird die EZB griechische Anleihen nicht mehr akzeptieren», sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark am Freitag in Frankfurt. Die Ratingagenturen hätten klar gemacht, dass eine substanzielle Beteiligung des privaten Sektors nicht freiwillig sein könne und als Kreditausfall zu werten sei. Die Notenbank habe dann keine Wahl und müsse griechische Anleihen für ihre Refinanzierungsgeschäfte als Sicherheiten ausschliessen.
Schäuble für Beteiligung privater Gläubiger
Insbesondere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht sich für Beteiligung privater Gläubiger aus. Die Regierungsfraktionen haben an diesem Freitag ihre Zustimmung für ein zweites Rettungspaket an die Beteiligung des privaten Sektors geknüpft. «Wir verhandeln nicht mit Regierungen darüber, sondern werden dann unsere Regeln anwenden», sagte Stark. Ein anderes Vorgehen würde die Unabhängigkeit der EZB gefährden. DieEZB habe sich nicht für eine Beteiligung des privaten Sektors ausgesprochen. Er werde daher auch keinerlei Vorschläge für eine Beteiligung des privaten Sektors machen.
Enorme Ansteckungsgefahr für gesamte Eurozone
Die gesamte Diskussion über eine Beteiligung des privaten Sektors bezeichnete Stark als «fruchtlos». Sie sei eine rein politische Diskussion. Griechenland werde bei einer vollständigen Umsetzung des vereinbarten Reformprogramms wieder zahlungsfähig. Viele Akademiker und Finanzexperten würden hier die Fakten ignorieren. Stattdessen lenke die Diskussion über eine Umschuldung von dem Programm in Griechenland ab. Die Risiken bei einem Kreditausfall seien nicht nur für Griechenland gross. Die Ansteckungsgefahren für die gesamte Eurozone sind laut Stark enorm. «Jeder Entscheider sollte sich eine solche Beteiligung zwei Mal überlegen.»
EZB hat Vorkehrungen getroffen
Die Risiken in der Bilanz der EZB sind laut Stark unter Kontrolle. Viele Beobachter würden die Fakten nicht kennen oder ignorieren. So habe die EZB Vorkehrungen getroffen und für riskante Papiere Abschläge verlangt. Auch der Hinweis auf Risiken im Zahlungssystem Target 2 ist laut Stark ungerechtfertigt. «Es handelt sich bei Forderungen zwischen den nationalen Notenbanken nicht um Risikopositionen.» Man müsse hier das Eurosystem als Ganzes betrachten. Ein Risiko für eine einzelne Notenbank bestehe nicht. Insbesondere Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hatte zuletzt mehrfach behauptet, dass erhebliche Risiken im Taget 2-System schlummern würden. (awp/mc/upd/ss)