Frankfurt am Main – Die grossen Notenbanken versuchen zunehmend, der nervösen Stimmung an den internationalen Finanzmärkten etwas entgegenzusetzen. Nachdem bereits die US-Notenbank Fed am Freitag ihre geldpolitische Handlungsbereitschaft signalisiert hatte, zogen am Montag die Zentralbanken Grossbritanniens und Japans nach. Die Europäische Zentralbank (EZB) gab sich zurückhaltender: Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte, man sei wachsam und vorbereitet, dürfte aber nicht die Ruhe verlieren.
EZB-Vizepräsident Luis de Guindos erklärte in London, die Notenbank stehe bereit, nötigenfalls zu handeln. «Wir bleiben wachsam und werden alle Daten genau beobachten», erklärte der Spanier. Das neuartige Virus habe zusätzliche Unsicherheit für die Wachstumsaussichten mit sich gebracht. Der geldpolitische Rat der Zentralbank sei bereit, alle verfügbaren Instrumente gegebenenfalls anzupassen, bekräftigte de Guindos.
An den Börsen sorgte der verbale Balsam der Währungshüter nur vorübergehend für Beruhigung. Nach teils deutlichen Kursgewinnen an den asiatischen und zunächst auch an den europäischen Börsen, gab es zuletzt in Europa wieder Verluste. Als sicher empfundene Anlagen waren ebenfalls wieder gesucht, nachdem sie in den frühen Handelsstunden abgestossen wurden. In der vergangenen Woche waren viele Börsen wegen der Angst vor den Folgen der Virus-Krise eingebrochen.
Powell: Risiko für wirtschaftliche Entwicklung
Bereits am Freitag hatte die amerikanische Notenbank in einem seltenen Schritt eine kurze ausserplanmässige Erklärung von Notenbankchef Jerome Powell veröffentlicht. Darin heisst es, die US-Wirtschaft sei zwar weiterhin in einer starken Verfassung. Allerdings stelle das Coronavirus ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung dar. «Die Federal Reserve beobachtet die Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Aussichten genau. Wir werden unsere Instrumente einsetzen und angemessen handeln, um die Wirtschaft zu unterstützen.»
Am Montag zog die japanische Zentralbank mit einer ähnlichen Erklärung nach. Notenbankchef Haruhiko Kuroda signalisierte darin ebenfalls geldpolitische Unterstützung. Die globalen Finanz- und Kapitalmärkte seien zuletzt instabil gewesen. Grund sei die wachsende Unsicherheit wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus. Die Bank of Japan werde die Entwicklung genau verfolgen, ausreichende Liquidität zu Verfügung stellen und Finanzstabilität gewährleisten.
Zusätzliche Liquidität für japanisches Finanzsystem
Nur wenig später liess die Notenbank ihren Worten Taten folgen: Über den übergangsweisen Ankauf von Staatsanleihen versorgte sie das nationale Finanzsystem mit zusätzlicher Liquidität. Den Banken wurde der Erwerb von Staatsanleihen im Wert von 500 Milliarden Yen (etwa 4,2 Milliarden Euro) angeboten. Es war die erste vergleichbare Aktion seit dem Jahr 2016.
Auch die Bank of England gab am Montag eine kurze Erklärung ab. Ein Sprecher der Bank sagte, die Zentralbank arbeite mit dem Finanzministerium und den internationalen Partnern zusammen, um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Schritte unternommen würden, um die finanzielle und geldpolitische Stabilität zu erhalten. Es würden alle Entwicklungen beobachtet und die Auswirkungen auf das Wachstum analysiert.
Fed mit grösstem Zinssenkungsspielraum
Ob und wie die Notenbanken tatsächlich reagieren werden, ist offen. An den Finanzmärkten wird die deutlichste Reaktion noch der US-Notenbank Fed zugetraut. Denn sie verfügt unter den grossen Notenbanken noch über den grössten Zinssenkungsspielraum. In der Eurozone und Japan, aber auch in Grossbritannien liegen die Leitzinsen wesentlich tiefer, teils sogar unter der Nulllinie.
Ungeachtet dessen gilt es als fraglich, wie weit geldpolitische Unterstützung in der Corona-Krise überhaupt helfen kann. Denn das Hauptproblem liegt nicht im Finanzsystem, sondern in der Realwirtschaft: Weil in China grosse Teile der Wirtschaft stillstehen und sich das Virus auf weitere Länder ausbreitet, sind die internationalen Produktions- und Lieferketten gestört. Wichtige Vorprodukte finden ihren Weg deshalb nicht die Fabriken der Hersteller, was die Produktion hemmt. Gegen derartige Störungen können geldpolitische Hilfen wenig ausrichten. (awp/mc/pg)