Swiss GAAP FER bieten mittelgrossen Schweizer Unternehmensgruppen und Schweizer KMU seit vielen Jahren einen auf sie ausgerichteten Rechnungslegungsstandard. Dieser blieb über die Jahre von grösseren Änderungen verschont. Jüngst verabschiedete der Standard-Setter jedoch in zwei Bereichen wesentliche Neuerungen und Ergänzungen. Welche das sind und was es neu zu beachten gilt, zeigen wir im Artikel.
Von Dr. Thorsten Kleibold, Partner und Revisionsexperte bei OBT
Die Swiss GAAP FER bezwecken eine aussagekräftige Rechnungslegung nach dem «True & Fair View»-Prinzip. Bewertungen haben nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu erfolgen. Für stille Reserven – wie in der obligationenrechtlichen Jahresrechnung – ist daher grundsätzlich kein Raum.
Der Standard trägt den Bedürfnissen von Schweizer Unternehmen Rechnung, sei es bei der Bilanzierung von Vorsorgeverpflichtungen oder bei branchenspezifischen Themen im Versicherungs- oder im Non-profit Bereich. Zahlreiche Wahlrechte ermöglichen zudem eine auf das einzelne Unternehmen zugeschnittene Rechnungslegung.
Jüngst sind jedoch wesentliche Präzisierungen und Neuerungen verabschiedet worden. Die zuständige Fachkommission hat die bestehenden Regelungen zur Konzernrechnung angepasst, ferner wurden erstmalig präzise Rechnungslegungsvorschriften für sogenannte Zuwendungen der öffentlichen Hand erlassen. Die aufgeführten Änderungen gelten zwingend ab dem 1. Januar 2024. Sie können das künftige Bilanzbild massgeblich beeinflussen und sollten daher frühzeitig im Rahmen der Abschlussgestaltung berücksichtigt werden.
Konzernrechnung – Knackpunkt Goodwill
Die Konzernrechnung umfasst die Jahresabschlüsse der Obergesellschaft (Holding) und ihrer Tochtergesellschaften, Gemeinschaftsorganisationen und sogenannt assoziierten Organisationen. Tochtergesellschaften werden dabei voll konsolidiert. Bei einer entsprechenden Akquisition sind die übernommenen Aktiven und Verbindlichkeiten per Zeitpunkt des Kontrollerwerbs zu aktuellen Werten zu bilanzieren. Dabei müssen unter gewissen Bedingungen auch bisher nicht erfasste, für den Kontrollerwerb entscheidungsrelevante, immaterielle Vermögenswerte identifiziert und bilanziert werden. Dies können etwa Markennamen oder Rezepturen sein.
Eine positive Differenz zwischen den Kosten einer Akquisition und den übernommenen, neu bewerteten Nettoaktiven ist als Goodwill zu bilanzieren. Es ist weiterhin zulässig, den Goodwill mit dem Eigenkapital zu verrechnen – allerdings nur im Zeitpunkt des Erwerbs. Die Verrechnung führt zu einer Reduktion des Eigenkapitals, belastet damit aber in der Folge den Konzernerfolg nicht mehr, da entsprechende Goodwill-Abschreibungen, die nach Swiss GAAP FER über einen Zeitraum von im Regelfall fünf bis im Ausnahmefall maximal 20 Jahren zu erfolgen haben, entfallen.
Goodwill mit dem Eigenkapital verrechnen – ja oder nein
Wird der Goodwill mit dem Eigenkapital verrechnet, müssen allerdings zunächst die bereits angesprochenen bisher nicht erfassten, für den Kontrollerwerb entscheidungsrelevanten immateriellen Vermögenswerte identifiziert und erfasst werden. Darauf kann nur verzichtet werden, wenn auf die Goodwill-Verrechnung mit dem Eigenkapital verzichtet wird, der Goodwill also in seiner vollen Höhe aktiviert wird. Aus Unternehmenssicht ist daher die Frage, welche Option gewählt werden soll, von grosser Relevanz.
Auch im KMU-Segment wird der Kaufpreis bei einer Akquisition zuweilen an künftige Ereignisse geknüpft und kann daher zu einem späteren Zeitpunkt noch ändern. Von künftigen Ereignissen abhängige Kaufpreisbestandteile (Earn- outs) sind nach Swiss GAAP FER Teil der Anschaffungskosten zum Erwerbszeitpunkt, sofern ein Mittelabfluss an den Verkäufer wahrscheinlich ist. Die Folgebewertung bedingter Kaufpreisbestandteile erfolgt zu jedem Bilanzstichtag, wobei Veränderungen eine Anpassung des Goodwills zur Folge haben. Zudem müssen bilanziell abgegrenzte sowie nicht bilanzierte Kaufpreisbestandteile im Anhang offengelegt werden.
Zuwendungen der öffentlichen Hand – Einfluss auf das Bilanzbild
Bereits in der Zeit vor Corona richtete allein der Bund Subventionen in der Höhe von 42 Milliarden Franken aus (Rechnung 2019). Diese erreichen damit einen Anteil von 59 Prozent der jährlichen Bundesausgaben. Knapp die Hälfte dieser Mittel in der Form von Abgeltungen, Finanzhilfen, Zuschüssen oder Subventionen entfallen auf den Bereich der sozialen Wohlfahrt. Namhafte Zuwendungen der öffentlichen Hand fliessen daneben in die Bereiche Bildung und Forschung, (öffentlicher) Verkehr und Landwirtschaft. Die Zuwendungen der öffentlichen Hand sind gerade während der Coronapandemie stark angestiegen, zu nennen sind etwa die Härtefallentschädigungen für besonders betroffene Unternehmen und Branchen.
Die Swiss GAAP FER haben nun erstmals Regeln für den Umgang mit derartigen Zuwendungen im Jahresabschluss publiziert. Dabei werden vermögens- wertbezogene und erfolgsbezogene Zuwendungen unterschieden.
Zuwendungen der öffentlichen Hand – Unterschiede
Vermögenswertbezogene Zuwendungen sind an die Bedingung geknüpft, dass das Unternehmen investiert. Die Zuwendung ist daher entweder mit der Investition zu verrechnen oder als passive Rechnungsabgrenzung auszuweisen. Im zweiten Fall wird die Investition somit zu ihrem vollen Wert bilanziert. Nicht monetäre vermögenswertbezogene Zuwendungen der öffentlichen Hand (zum Beispiel Grund und Boden) müssen bei Zugang zu aktuellen Werten bilanziert werden.
Erfolgsbezogene Zuwendungen der öffentlichen Hand sind etwa Aufwands- zuschüsse oder Abgeltungen. Sie sind als sonstige betriebliche Erträge zu erfassen. Dies erfolgt im Verlauf der Perioden, in denen die Organisation die entsprechenden Aufwendungen erfasst. Eine unmittelbare Ertragsverbuchung im Zeitpunkt der Kostengutsprache ist daher häufig nicht möglich.Teilweise erfolgen Zuwendungen der öffentlichen Hand auch als Naturalleistungen. Diese nicht monetären Zuwendungen sind ebenfalls zu berücksichtigen, im Anhang zu erläutern, und der Wert der erhaltenen Leistungen muss offengelegt werden. (OBT/mc/hfu)