Dennis Snower. (Foto: IfW)
Kiel – Für die internationale Konjunktur bestehen nach Ansicht des Ökonomen Dennis Snower grosse Risiken. «Das liegt zum einen daran, dass die Geldpolitik extrem expansiv ist», sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft der Deutschen Presse-Agentur. «Und wir haben die Möglichkeit einer weiteren Finanzkrise nicht gebannt, weil wir die Anreize bei den systemrelevanten Finanzinstitutionen nicht geändert haben.» Diese könnten weiter in guten Zeiten Gewinne einstreichen und sich in schlechten darauf verlassen, dass der Steuerzahler sie rettet. Wegen der hohen Verschuldung könne das System zusammenbrechen.
«Zudem haben wir das Problem der finanziellen Monokultur», sagte Snower. Viele Finanzinstitutionen machten mehr oder weniger dasselbe. «Die Fragilität des Systems hat nicht nur damit zu tun, dass Unternehmen too big to fail sind. Es gibt auch Unternehmen, die too common to fail sind.» Wenn jeder dasselbe mache, könne es einen Einbruch geben, wenn die Geschäfte nicht nachhaltig genug aufgestellt sind, erläuterte der IfW-Präsident.
Fehlende Strukturpolitik
Nach seiner Ansicht ist Europas Finanzpolitik zu wenig nachhaltig und transparent. Die EU vermittle zwar den Eindruck, sie habe das im Griff. «Aber man weiss nicht genau, inwiefern ein Land den Fiskalpakt tatsächlich einhalten wird. Daher befürchte ich, dass die Fiskalregel ohne grosse Konsequenz ignoriert werden kann.» Problematisch sei auch das Fehlen einer Strukturpolitik, die Wachstum gewährleistet. «So gibt es keinen Mechanismus, der automatisch zum Beispiel Bildung fördert, um ein hohes Wachstum zu erreichen.» Dafür könnten EU- Strukturfonds und die Europäische Investitionsbank genutzt werden.
«Die Unsicherheit ist gross»
«Dies alles sind grosse Risiken», resümierte Snower. Er sage nicht einen Einbruch für 2014 voraus. «Aber die Unsicherheit ist gross.» Der IfW-Präsident erwartet, dass die Wirtschaft in den entwickelten Ländern in den nächsten zwei Jahren viel langsamer wächst als vor der Krise und in den Schwellenländern mehr als doppelt so schnell. «Aber das ist auch langsamer als in der Vergangenheit.» Auch Deutschland dürfe sich nicht zurücklehnen: «1,25 oder 1,5 Prozent Wachstum sind nicht viel. Aber wir fühlen uns extrem gut, weil es uns viel besser geht als anderen Ländern.» Irgendwann werde die Öffentlichkeit aber merken, dass das Wachstum zu gering ist und die nächste Generation weniger Chancen haben wird. «Damit wird man fertig werden müssen.»
Fehlgeleitete Kapitalströme
Die Niedrigzinspolitik führe dazu, dass Kapitalströme fehlgeleitet werden und Risiken steigen. «Das kann als Begründung dafür genommen werden, weiter expansiv Geldpolitik zu betreiben. Diese solle nicht geradestehen für eine falsche Fiskal- und Strukturpolitik – das tut sie aber.» Nötig sei eine gesetzlich verankerte Fiskalregel, die automatisch greift, wenn eine Regierung ihre Vorgaben nicht einhält. «Dann würden automatisch die Mehrwertsteuer steigen und nach dem Rasenmäherprinzip die Staatsausgaben fallen.» Diese Regel könnte in guten Zeiten den Staat zum Sparen zwingen und in schlechten die Wirtschaft unterstützen.
Einen Systemfehler sieht Snower darin, dass Länder sich mit hohen Schulden kurz- und mittelfristig einen unerschwinglichen Lebensstandard erlauben können. «Und dann will man das Problem lösen, indem Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit drosseln soll, damit sich andere erholen können.» Das sei nicht plausibel, sagte Snower zu Kritik am deutschen Exportüberschuss. «Besser wäre, den Systemfehler anzugehen und transparente Insolvenzkriterien für Länder einzuführen: «Ein Land, das bei Einhaltung seiner Fiskalregel pro Kopf nicht wächst, ist meines Erachtens insolvent.» Ihm könnte die EZB kein Geld borgen; es müsste seine Finanz- und Realwirtschaft restrukturieren. (awp/mc/pg)