Giorgos Papandreou, griechischer Ministerpräsident.
Athen – Nach der umstrittenen Ankündigung eines Volksentscheids und der massiven internationalen Kritik eskaliert der innenpolitische Konflikt in Griechenland. Streitpunkt ist, ob auch über den Verbleib des Landes in der Eurozone abgestimmt werden soll. Finanzminister Evangelos Venizelos distanzierte sich am Donnerstag von Aussagen, die Ministerpräsident Giorgos Papandreou kurz zuvor zu dem Referendum gemacht hatte.
«Die Position des Landes ist im Euro(land). Es ist eine historische Errungenschaft des Landes und kann nicht infrage gestellt werden», betonte Venizelos in einer schriftlichen Erklärung. Die Beteiligung Griechenlands an der Eurozone «kann nicht von einem Referendum abhängig sein». Das Hilfsprogramm müsse so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden, sagte Venizelos. Beobachter werteten dies als eine klare Infragestellung der Macht Papandreous. In der regierenden Sozialistischen Bewegung (Pasok) «kocht die Stimmung», berichteten übereinstimmend griechische Medien. Der Ministerpräsident will noch die Vertrauensfrage im Parlament stellen, die Abstimmung soll am Freitag um Mitternacht über die Bühne gehen. Auch ohne Abweichler hätte er nur eine hauchdünne Mehrheit.
«Griechisches Volk hat Rechte, aber auch Verpflichtungen»
Papandreou hatte in einer eigenen Erklärung angedeutet, die geplante Volksabstimmung mit einem Votum über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone zu verknüpfen. «Ich glaube, das griechische Volk hat die Weisheit und das Wissen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die den Verbleib des Landes in der Eurozone garantieren werden», hiess es in der am Donnerstag in Athen ausgegebenen Erklärung des Regierungschefs. Es werde bei dem Referendum «in der Substanz nicht nur um ein (Hilfs-)Programm gehen». «Es geht darum, ob wir in der Eurozone bleiben wollen oder nicht», unterstrich Papandreou. Dabei habe das griechische Volk Rechte, aber auch Verpflichtungen.
Referendum soll «wahrscheinlich» am 4,. Dezember stattfinden
Zuvor hatte er im französischen Cannes erklärt, das Referendum werde «wahrscheinlich am 4. Dezember» stattfinden. Die Spitzen der Eurozone, darunter Kanzlerin Angela Merkel, hatten sich vor dem G20-Gipfel in Cannes überrascht von der plötzlichen Ankündigung einer Volksabstimmung gezeigt und Papandreou bei einem Gespräch am Mittwochabend massiv unter Druck gesetzt, möglichst rasch für Klarheit zu sorgen. Die Auszahlung der nächsten Hilfszahlungen an das hochverschuldete Land wurde gestoppt. «Papandreou öffnet die Tore der Hölle», titelte das konservative Boulevardblatt «Elefhteros Typos» am Donnerstag.
Krisensitzung «noch heute» verlangt
Venizelos› Kritik schliessen sich immer mehr Minister und Abgeordnete der Sozialisten an. Der griechische Landwirtschaftsminister Kostas Skandalidis forderte schriftlich eine Krisensitzung der Parlamentarier der Partei – und zwar «noch heute». Ein Referendum über den Verbleib des Landes im Euroland habe «keinen Sinn». Auch Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis rief dazu auf, keine Volksabstimmung abzuhalten, sondern das vereinbarte Hilfsprogramm in die Tat umzusetzen. Eine Abgeordnete forderte die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit und erklärte, sie werde dem Ministerpräsidenten am Freitag nicht das Vertrauen aussprechen.
«Herr Papandreou ist gefährlich und muss gehen»
Auch die bürgerliche Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) reagierte scharf auf die Aussagen des Regierungschefs: «Herr Papandreou ist gefährlich und muss gehen», hiess es in einer Erklärung der Nea Dimokratia. Es gebe kein Problem mit dem Verbleib Griechenlands in der Eurozone. «Das einzige Problem ist der Verbleib Papandreous im Amt des Ministerpräsidenten.»
Medienspekulationen: Papademos oder Simitis neuer Premier
Noch bevor Ministerpräsdient Giorgos Papandreou sich zu Rücktrittsforderungen geäussert hat, spekulieren die Medien in Athen über mögliche neue Regierungschefs. Darunter sind der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos. Dies berichtete am Donnerstag der Athener Nachrichtensender «Vima 99,5». Auch der frühere griechische Ministerpräsident Kostas Simitis (1996-2004) sei nach Informationen des Chefs der kleinen ultrakonservativen Partei Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS), Giorgos Karatzaferis, aus Kreisen der EU vorgeschlagen worden, die griechische Regierung zu führen. Eine Bestätigung aus offiziellen Quellen lag nicht vor. Die Büros der beiden mutmasslichen Kandidaten waren für Nachfragen nicht erreichbar. (awp/mc/upd/ps)
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