Peter Bänziger, Chief Investment Officer Belvalor AG

Peter Bänziger, Chief Investment Officer Belvalor AG

Von Martin Raab, Derivative Partners AG, www.payoff.ch

payoff im Gespräch mit Peter Bänziger, Chief Investment Officer Belvalor AG, über Notenbankspiele, den überverkauften Ölmarkt, Rohstoffabstinenz, einen wiedererstarkenden Euro und Glaubenskriege bei der Vermögensverwaltung.

payoff: Herr Bänziger, die US-Notenbank hat uns allen ja noch ein vermeintliches Weihnachtsgeschenk gemacht. Erwarten Sie von der FED eine Fortsetzung der schrittweisen Leitzinserhöhung?

Peter Bänziger: Ja, ich glaube, 2016 werden zwei weitere Schritte zu je 0,25% folgen. Mehr dürfte angesichts des starken USD und der weiteren Lockerung durch die EZB und die Bank of Japan schwierig werden. Die damit verbundene Absicht, wieder zu einem «marktgerechten» Zinsumfeld zurückzukehren, ist aber positiv. Entscheidender für mich ist die Entwicklung der langfristigen Zinssätze – bei den zehn- und 30-jährigen Renditen in den USA zeichnet sich eine Zinswende ab.

Was heisst das für den US-Aktienmarkt im neuen Jahr?

Die homogenen Aufwärtstrends an den wichtigsten Aktienmärkten sind vorbei. Die Markttechnik hat sich in den letzten Monaten verschlechtert. Weil auch der US-Aktienmarkt in etwa fair bewertet ist, sehe ich vorläufig eine Fortsetzung der hohen Selektivität und auch der Volatilität. Der US-Markt behält wegen der hohen Innovationskraft im Technologiesektor seinen Reiz.

«Homogene Aufwärtstrends an den wichtigsten Aktienmärkten der Welt sind vorbei»

Mit Blick auf die Wechselkurse: Welche Entwicklungen könnten sich beim Zusammenspiel von Dollar, Franken und Euro anbahnen?

Ich erwarte aus der Sicht des CHF-Anlegers stabilere Währungsverhältnisse als 2015. Obwohl der CHF langfristig eine starke Währung bleiben wird, erwarte ich für 2016, dass er sich gegenüber den wichtigsten Fremdwährungen tendenziell abwertet. Viel Dynamik ist aber noch nicht zu erkennen. Entgegen dem Konsens könnte sich der EUR gegenüber dem USD erholen.

Sichern Sie die Portfolien Ihrer Kunden in punkto Währung ab – und falls ja direkt im Produkt oder via Overlay?

Wir gehen Währungsrisiken bewusst ein (z.B. bei extremen Abweichungen gegenüber der Kaufkraftparität) oder wir sichern das Fremdwährungsrisiko via Forwards ganz oder teilweise ab. Im Obligationenbereich benutzen wir in der Regel Direktanlagen und gegenüber der Referenzwährung abgesicherte Kollektivinstrumente.

Welchen Eindruck macht Ihnen der europäische Aktienmarkt in der Eurozone derzeit?

Die europäischen Märkte sind fair bewertet, wobei die Aufwärtstrends in den Indizes abgebrochen wurden. In Europa findet man aber immer noch viele günstig bewertete Qualitätsaktien mit hoher Dividendenrendite. Darauf würde ich 2016 setzen.

Haben Sie dort eine Sektorpräferenz oder konkrete Favoriten?

Unser Anlageprozess beinhaltet keinen generellen Sektoransatz – zu unterschiedlich sind die Bewertungen und das Marktmomentum einzelner Titel. Günstig bewertet und mit positivem Trend fallen die Versicherer auf (Allianz, Axa, Munich Re, aber auch die mittelgrossen Schweizer Werte).

«Wir halten kaum mehr Positionen in Rohstoffen.»

Die zu Unrecht gebeutelten Daimler sind für mich ebenfalls ein Kauf. Als Contrarian könnte man den einen oder anderen Öltitel (zu)kaufen, wie Royal Dutch oder Statoil. Generell bevorzugen wir Unternehmen mit stabilen Margen, deren Eigenkapitalrendite ihre Kapitalkosten nachhaltig übertreffen.

…welche Schweizer Titel finden Sie mit Blick auf die nächsten Monate als besonders kaufenswert?

Ich finde ein Portfolio aus in etwa gleich gewichteten dividendenstarken Werten vielversprechend (Swiss Re, Swiss Life, Bâloise, SGS, Cembra Money Bank, BCV, Roche, Novartis, Nestlé)

Shorten Sie auch mal Aktientitel direkt oder mit Derivaten – oder fokussieren Sie Long-Only?

Wir gehen keine direkten Short-Positionen in Einzeltiteln ein. Zeitweise sichern wir unsere Engagements teilweise via Indexfutures oder Put-Optionen ab.

Wie bilden Sie das Thema Rohstoffe in Ihren Portfolien aktuell ab?

Wir halten kaum mehr Positionen in Rohstoffen. Eine Ausnahme sind direkte Goldbestände, die wir «durchhalten» und aktiv bewirtschaften. Grundsätzlich investieren wir direkt in Unternehmen – eine Opportunität sind Ölaktien mit gesicherten Dividenden.

Welche Szenarien oder Vermutungen haben Sie zum Ölpreis im neuen Jahr und der Auswirkung auf den Finanzmarkt?

Der Trend in den Ölpreisen ist immer noch negativ, wobei der Markt so stark überverkauft ist wie er bei Preisen über USD 120 überkauft war. Ich rechne mit einer nachlassenden Dynamik in der Abwärtsbewegung und vorerst mit einer Bodenbildung um 35-40 Dollar. Erst eine Umkehr des physischen Angebotsüberhanges wird zu einem Wiederanstieg führen.

Abschliessend: Wie sehen Sie als Investmentstratege eines Multi Family Office die Diskussion um den Mehrwert von aktiver Portfoliobewirtschaftung und die Passivierung der Kernanlagen?

Die Diskussion ist schon fast ein Glaubenskrieg. Ich sehe das Ganze entspannt: Wir benutzen passive und aktive Produkte, je nachdem, welche Ziele wir mit der Investition verfolgen. Der wichtigste aktive Entscheid fällt ganz am Anfang: Die Festlegung der passenden Benchmark für die zu investierende Anlageklasse und ob diese währungsgesichert oder ungesichert in die strategische Asset Allocation aufgenommen wird.

Herzlichen Dank für das Interview.

Der Gesprächspartner:
Peter Bänziger (56) ist seit Juli 2015 CIO und Partner beim unabhängigen Vermögensverwalter BELVALOR AG in Zürich. Zuvor war er elf Jahre Mitglied der Geschäftsleitung und CIO bei Swisscanto, wo er die Gesamtverantwortung für Anlagephilosophie und -strategie, deren Kommunikation, das Produktmanagement und die Performance der Produktpalette innehatte. Von 1994 bis 2004 arbeitete er bei der ehemaligen Bank Leu AG als Leiter Institutionelle Anleger. Seine Lehr- und Wanderjahre absolvierte er beim Schweizerischen Bankverein (SBV), mit Stages in Genf, Luxemburg und New York. Er ist eidg./europ. dipl. Finanzanalytiker/Vermögensverwalter. Zudem erwarb er ein MBA Option Wealth Management der Universität Genf und ein Executive MBA der Carnegie Mellon University/Tepper School of Business in Pittsburgh.

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