Peter Taylor, Aberdeen Asset Management: „Lateinamerika profitiert vom Anstieg des heimischen Konsums“

Peter Taylor, Aberdeen Asset Management (Bild: AAM)

London – Eine starke Rallye seit Jahresbeginn haben die lateinamerikanischen Aktienmärkte verzeichnet. Wie es weiter geht und wo die besten Chancen bestehen erläutert Peter Taylor von Aberdeen Asset Management.

Peter Taylor, wie schätzen Sie die weitere Entwicklung Lateinamerikas in den nächsten Jahren ein?

Peter Taylor: Lateinamerika ist eine erstaunlich vielfältige Region mit sehr grossen wirtschaftlichen Unterschieden, insbesondere zwischen Mexiko und den südamerikanischen Ländern. Mexiko zieht einen Teil seiner Stärke zurzeit aus der engen wirtschaftlichen Verbindung zu seinem nördlichen Nachbarn, den USA. Das zeigt sich insbesondere bei den Industriegüterexporten. In Südamerika hingegen beruhte die bis vor Kurzem gute volkswirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Länder zum Teil auf ihrer Rolle als führende Rohstoffexporteure. Die Entwicklung nur im Zusammenhang mit dem weltweiten Hunger nach Rohstoffen zu betrachten, wäre aber falsch. Viel interessanter finden wir den Anstieg des heimischen Konsums. Junge, wachsende Bevölkerungen steigern Ertrags- und Kaufkraft und dies wiederum treibt das inländische Wachstum. Damit werden lokale Einzelhändler, Banken und Konsumgüterhersteller interessant. Langfristig wird Lateinamerika attraktiv bleiben, auch wenn es für manche Länder kurzfristig weitere Herausforderungen zu meistern gilt.

«Langfristig wird Lateinamerika attraktiv bleiben, auch wenn es für manche Länder kurzfristig weitere Herausforderungen zu meistern gilt.» Peter Taylor, Senior Investment Manager & Head Corporate Governance im Global Emerging Markets Aktien-Team bei Aberdeen Asset Management

Argentinien und Brasilien sind die wichtigsten Volkswirtschaften Südamerikas: Könnte eine Erholung dieser beiden Länder Ihrer Ansicht nach dem gesamten Kontinent zum Aufstieg verhelfen?

Eine wirtschaftliche Erholung dieser beiden Länder wäre hilfreich, aber die neuen Regierungen in Argentinien und in Brasilien haben noch einige Arbeit vor sich. Für die Region, insbesondere für die regionalen Aktienmärkte, sind die Aussichten Brasiliens weit bedeutender als die Argentiniens.

Welche Aktienmärkte sind Ihres Erachtens heute besonders interessant? Und welche halten Sie für überbewertet oder weniger interessant?

Die lateinamerikanischen Aktienmärkte konnten seit Jahresbeginn eine starke Rallye verzeichnen. In der Region insgesamt gibt es auf Ebene der Einzeltitel aber immer noch interessante Möglichkeiten. Brasilien hat den bei Weitem grössten und tiefsten Aktienmarkt, es gibt hier viele Qualitätsunternehmen mit sehr talentiertem Management, und viele dieser Unternehmen sind im „Novo Mercado“ notiert, einem Marktsegment, an dem höhere Corporate Governance-Standards gelten. Ein anderes Land, das gerne übersehen wird, ist Chile. Hier gibt es eine Reihe gut geführter Unternehmen, bei denen die Bewertungen unter ihre historisch hohen Niveaus gefallen sind.

Welches sind für Sie bei der Aktienauswahl die wichtigsten Makro-Filterkriterien – z.B. Exposure gegenüber dem lokalen Markt, anderen Schwellenländern oder den USA/Europa= Und welches sind andererseits die für Sie wichtigsten Kennzahlen?

Wir verfolgen einen Bottom-up-Ansatz, d. h. wir versuchen gut geführte Qualitätsunternehmen ausfindig zu machen. Wir wissen aber, dass es in Schwellenländern besonders wichtig ist, lokale Gegebenheiten, wie das wirtschaftliche Umfeld und politische Risiken, zu berücksichtigen. Wir machen uns daher unser eigenes Bild von den wirtschaftlichen Bedingungen, indem wir mit den Unternehmen selbst sprechen, anstatt uns auf das Research anderer zu verlassen. So können wir sicherstellen, dass wir genau die übergeordneten Faktoren berücksichtigen, die für unsere Investments am wichtigsten sind. Wenn man die gegebenen Wachstumsmöglichkeiten nutzen und die Unternehmen herausfiltern möchte, die bei den unterschiedlichsten Marktbedingungen eine gute Performance erzielen werden, führt ein Bottom-up-Ansatz unserer Ansicht nach am ehesten zum Erfolg.

Können Sie uns einige Beispiele für diesen Ansatz nennen, indem Sie ein paar Aktien in Ihrem Portfolio analysieren? Können Sie z.B. erläutern, warum Sie eine Ihrer „Top Ten“-Aktien ins Portfolio aufgenommen haben?

Das erste Unternehmen, das mir hier in den Sinn kommt, ist Lojas Renner, ein brasilianisches Warenhausunternehmen, das seinen Kunden in Brasilien ein umfassendes und modernes Einkaufserlebnis bietet. Der Einzelhandelsmarkt Brasiliens ist noch immer fragmentiert und wenig entwickelt und Lojas Renner, das seit seinem Börsengang im Juni 2005 sowohl Verkaufsflächen als auch Umsätze beachtlich gesteigert hat, expandiert weiterhin und treibt die Marktkonsolidierung voran.

Ein anderes von uns favorisiertes Unternehmen ist die mexikanische Bank Banorte. In Mexiko kommen auf 100.000 Einwohner nur 10 Bankfilialen und 30 Geldautomaten, in den USA hingegen sind es 38 Filialen und 138 Geldautomaten. Damit kann auf dem mexikanischen Finanzdienstleistungsmarkt noch einiges Potenzial erschlossen werden. Banorte hat eine starke Marke und sollte als grösste einheimische Bank Mexikos von der Entwicklung des Marktes profitieren. Die Bank hat sich dank ihres konservativen Managements und ihrer soliden Kapitalausstattung während der Finanzkrise vergleichsweise gut geschlagen, und auch wenn es jüngst aufgrund der rückläufigen Weltwirtschaft zur Wachstumsverlangsamung kam, glauben wir, dass sich hier mittelfristig im Zuge der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Werte heben lassen.

Welches sind innerhalb Ihres Portfolios die wichtigsten Sektoren und Länder?

Wir halten auch weiterhin viel von Sektoren, die vom heimischem Wachstum profitieren können, wie Banken und Einzelhändler. Was die Länder betrifft, so haben wir grössere Investments in Brasilien und Mexiko, da es auf diesen Märkten viele Qualitätsunternehmen gibt.

Wie sieht es mit den Fondstransaktionen aus? Wie lange bleibt eine Aktie normalerweise im Portfolio?

Wir investieren langfristig und halten unsere Investments normalerweise weit über fünf Jahre – die Transaktionsrate im Portfolio ist dementsprechend niedrig. (AAM/mc/hfu)

Peter Taylor
ist Senior Investment Manager und Head Corporate Governance im Global Emerging Markets Aktien-Team bei Aberdeen Asset Management in London. Er kam 2007 zu Aberdeen in Singapur und wechselte 2011 nach London. Er hat einen BA in Philosophie, Politk und Ökonomie von der Oxford University und einen MA in Internationaler Ökonomie und Internationalen Beziehungen von der Johns Hopkins University in Washington DC. Peter Tylor ist auch Chartered Financial Analys (CFA).

 

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