Peter Taylor, Senior Investment Manager Aberdeen Asset Managers. (Foto: pd)
Herr Taylor, wie würden Sie das Ziel und den Investmentprozess des Aberdeen Global – Latin American Equity Fund beschreiben?
Peter Taylor: Wir arbeiten mit einem Bottom-up-Investmentprozess, der auf einer disziplinierten Beurteilung von Unternehmen durch Besuche vor Ort beruht. Wir führen für jedes Unternehmen, in das wir investieren, eigenes Research durch und investieren grundsätzlich erst dann, wenn wir sein Management kennengelernt haben. Jede Aktie, in die wir investieren, muss zwei wesentliche Kriterien erfüllen – Qualität und Preis. Risiko bedeutet für uns nicht nur der Kauf eines schwachen Unternehmens, sondern auch ein zu hoher Preis für ein gutes. Wir sind langfristig orientierte Investoren und betrachten die Beziehung zu jedem Unternehmen, in das wir investieren, als Partnerschaft. Wir verfolgen einen Ansatz für globale Investments und halten uns daran – unabhängig davon, wie sich das wirtschaftliche Umfeld entwickelt.
Hat sich dies im Lauf der Zeit geändert?
Im Rahmen unserer breiter angelegten Schwellenländer-Aktienportfolios tätigen wir schon seit den 1980er Jahren Anlagen in Lateinamerika. 2009 eröffneten wir eine Niederlassung in São Paulo, Brasilien. Wir sind der Ansicht, dass Teammitglieder vor Ort sein müssen, um das wirtschaftliche Umfeld hautnah zu erleben und ständig über die Entwicklungen des Unternehmens auf dem Laufenden zu bleiben. Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, wenn diese expandieren.
Wird der Investmentprozess von makroökonomischen Faktoren beeinflusst?
Obwohl wir reine Bottom-up-Stock-Picker sind, müssen wir dennoch dem makroökonomischen Kontext der Unternehmen Rechnung tragen. Zwar berücksichtigen wir bei den Anlageentscheidungen für unsere Portfolios keine makroökonomischen Prognosen, wohl aber die wirtschaftlichen Aussichten, denn wir erstellen für unsere Unternehmen Gewinnprognosen. Bei extremen Rahmenbedingungen wie in Venezuela oder – noch bis vor Kurzem – in Argentinien halten wir keine oder nur sehr kleine Positionen aufgrund der miserablen wirtschaftspolitischen Steuerung dieser Länder.
«Obwohl wir reine Bottom-up-Stock-Picker sind, müssen wir dennoch dem makroökonomischen Kontext der Unternehmen Rechnung tragen.»
Haben Sie zuletzt wesentliche Veränderungen am Portfolio vorgenommen? Falls ja, welche? Falls nicht, warum nicht?
Der brasilianische Markt verzeichnete zuletzt eine ausgeprägte Rallye aufgrund der Hoffnung, der Regierungswechsel könne doch schneller eintreten als erwartet und dem politischen Tauziehen ein Ende setzen, damit die dringend erforderlichen Reformen zur Belegung der Wirtschaft endlich umgesetzt werden können. Unser Eindruck ist jedoch, dass der Markt – zumindest auf kurze Sicht – wohl zu voreilig reagiert hat.
Tatsächlich dürfte das Amtsenthebungsverfahren langwierig sein und die Wirtschaft weiter stark schrumpfen. Sobald sich die erste Euphorie der Investoren gelegt hat und Ernüchterung eintritt, müssen sie den zuletzt gewonnenen Boden unserer Ansicht wahrscheinlich teilweise wieder abgeben. Deshalb haben wir die Rallye zur Reduzierung von Positionen in den Portfolios genutzt. Wir halten jedoch noch immer eine im Vergleich zur Benchmark übergewichtete Position in Brasilien.
Wie hat sich der Fonds entwickelt und warum?
Die Performance des Fonds lag in den letzten fünf Jahren im Grossen und Ganzen auf Benchmarkniveau. Bedauerlicherweise fiel der Markt jedes Jahr um rund 13% zurück. Die Region hatte in den letzten Jahren mit heftigem Gegenwind zu kämpfen – sinkende Rohstoffpreise, Verlangsamung des Wachstums, Sorgen über steigende US-Zinsen und politische Skandale. Dennoch bleiben wir im Hinblick auf das Potenzial der Region optimistisch.
Welche Aktien/Sektoren/Positionen des Fonds haben sich gut entwickelt?
Langfristig betrachtet, erzielte der mexikanische Konsumsektor praktisch die besten Ergebnisse im performancestärksten Markt der Region. So konnten unsere beiden mexikanischen Flughafenbetreiber Asur und OMA eine beeindruckende Zunahme ihrer Passagierzahlen und ihres nicht mit dem Fluggeschäft generierten Umsatzes verbuchen.
Welche Aktien/Sektoren/Positionen haben die Performance belastet?
In den letzten Jahren litten die Rohstoffunternehmen zwangsläufig unter dem Einbruch der globalen Rohstoffpreise. Glücklicherweise halten wir nur eine sehr geringe direkte Exposure im Rohstoffsektor. Dennoch sind wir Aktionär des Eisenerzproduzenten Vale, der die Fondsperformance bis vor Kurzem belastet, sich dieses Jahr aber erholt hat.
«Trotz der schwarzen Wolken, die den Konjunkturhorizont auf kurze Sicht noch eintrüben, bleibt der langfristige Investment Case für Lateinamerika intakt.»
Wie sieht Ihr Ausblick für 2016 aus?
Die lateinamerikanischen Märkte haben sich in den letzten Wochen nicht zuletzt aufgrund der Schnäppchenjagd der Anleger und der Anzeichen, dass die Preise von Rohöl, Eisenerz und anderer Rohstoffe die Talsohle hinter sich haben, von Tiefständen erholt. Darüber hinaus erhielten viele Schwellenländerwährungen, insbesondere aber der brasilianische Real, Auftrieb durch die Sorgen um die Verfassung der US-Wirtschaft und die Erwartungen hinsichtlich einer gemässigteren Gangart der Federal Reserve in puncto Zinserhöhungen. Der brasilianische Markt wurde ausserdem durch die sich andeutenden Fortschritte bei der Bewältigung der politischen Skandale beflügelt, von denen das Land seit über einem Jahr erschüttert wird.
Während die Wachstumsverlangsamung in China die Exporte zahlreicher lateinamerikanischer Länder belastet, verzeichnen einige Staaten aufgrund des Einbruchs der Importe eine Verbesserung ihrer Zahlungsbilanzen.
Trotz der schwarzen Wolken, die den Konjunkturhorizont auf kurze Sicht noch eintrüben, bleibt der langfristige Investment Case für Lateinamerika intakt – eine günstige Demografie und die wachsende Mittelschicht bilden aussichtsreiche Wachstumsvektoren, die für die Region als attraktives Investment für diversifizierte Portfolios plädieren.