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Zürich – Viele Banken setzen ihre Ressourcen zu einseitig nur für den Unterhalt ihrer IT-Systeme ein. Die erstmals publizierte Studie «IT in Swiss Private Banking 2013» von Ernst & Young zeigt, dass die strategische Weiterentwicklung der IT-Systeme vernachlässigt wird.
Banken sehen sich hinsichtlich Datensicherheit, Vertraulichkeit und der Einhaltung der regulatorischen Vorschriften mit wachsenden Anforderungen an ihre IT-Systeme konfrontiert. In der Studie «IT in Swiss Private Banking» von Ernst & Young wurden deshalb die eingesetzten Kernbankensysteme analysiert, welche die Kernprozesse der Banken innerhalb der Informationstechnologie abbilden.
Viele mittelgrosse und grossen Banken scheuen Initialaufwand
Gemäss der Befragung setzen zwei Drittel der Banken im Kernbankensystem eine Standardsoftware ein. Je 17 Prozent arbeiten mit selbst entwickelten Lösungen beziehungsweise mit externen Softwarekomponenten, die den betriebseigenen Anforderungen angepasst wurden. Die Hälfte der grossen Banken setzt standardisierte Lösungen ein, bei mittleren Instituten sind es 60, bei kleinen 78 Prozent. «Kleinere Banken haben meist keine andere Wahl als Standardlösungen einzusetzen. Der Aufwand für eine Eigenentwicklung ist mit dem verfügbaren IT-Personal nicht zu bewältigen. Doch scheuen auch viele mittelgrosse und grosse Banken den erheblichen Initialaufwand, um eigene Lösungen zu entwickeln», sagt Robert Rümmler, Senior Manager im Bereich Financial Services Advisory von Ernst & Young Schweiz.
Keine Kostenersparnis mit Standardsoftware
Mit reinen Kostenüberlegungen lässt sich die Entscheidung für Standardlösungen aber nicht erklären. Banken, die beim Kernbankensystem auf Standardsoftware setzen, geben rund 15 Prozent ihrer gesamten operativen Kosten für die IT aus, dabei fallen insbesondere die Lizenzgebühren ins Gewicht. Bei Banken, die selbst entwickelte Kernbankensysteme verwenden, beträgt der IT-Kostenanteil nur rund 11 Prozent. «Dass viele mittlere und grosse Banken trotz höherer Kosten auf Standardlösungen setzen, hat uns überrascht. Möglich ist, dass sie die Mehrkosten in Kauf nehmen, weil sie auf diese Weise die Komplexität ihrer IT-Landschaft reduzieren wollen. Wer auf Eigenentwicklungen verzichtet, bindet weniger personelle Kapazitäten und kann sich auf andere Dinge konzentrieren», sagt Robert Rümmler.
Grenzen des Outsourcings
61 Prozent der befragten Banken verwalten ihr Kernbankensystem selbst. 11 Prozent lagern ihre IT, 28 Prozent der Banken lagern ganze Geschäftsprozesse an Drittanbieter aus. Die Studie zeigt auf, dass Outsourcing nicht automatisch zu tieferen Kosten führt. Banken, die den Betrieb ihres Kernbankensystems auslagern, geben dafür rund 15 Prozent ihrer Gesamtkosten aus. Werden einzelne Geschäftsprozesse ausgelagert, liegen die Kosten bei 15.3 Prozent. Das interne Management des IT-Systems weist mit rund 14.6 Prozent den tiefsten Kostenanteil auf.
Tiefe Löhne für IT-Personal
Im Schnitt machen IT-Mitarbeitenden 9 Prozent des gesamten Personalbestands einer Bank aus. Mit 12 Prozent liegt der Anteil an IT-Personal bei jenen Banken am höchsten, die ihr Kernbankensystem selber entwickeln. Institute, die auf Standardlösungen setzen, beschäftigen nur rund 7 Prozent ihrer Angestellten im IT-Bereich. Die Befragung macht auch deutliche Lohnunterschiede innerhalb der Banken sichtbar: der Lohn eines IT-Mitarbeitenden entspricht im Schnitt 65 Prozent eines Durchschnittsalärs ihrer Bank.
«Die Diskrepanz bei den Löhnen ist erstaunlich, insbesondere angesichts der wachsenden Bedeutung, welche der IT im Private Banking zukommt. Institute, die sich mit ihrer IT im Markt differenzieren wollen, sollten sich deshalb überlegen, ob die Lohnunterschiede noch gerechtfertigt sind», sagt Andreas Toggwyler, Partner im Bereich IT Advisory Financial Services bei Ernst & Young Schweiz.
Compliance und Datensicherheit im Vordergrund
Gemäss der Studie verwenden die Banken einen Grossteil ihrer IT-Mittel für den Unterhalt ihrer Systeme. 73 Prozent der gesamten IT-Kosten werden für das Tagesgeschäft, die restlichen 27 Prozent für Systemanpassungen ausgegeben. Banken, die ihre Kernbankenlösungen selbst entwickeln, geben mit rund 36 Prozent am meisten für die erforderlichen Anpassungen aus. Die künftigen IT-Ausgaben werden für Compliance und die Sicherheit der Daten eingeplant. Mit 96 Prozent der befragten IT-Verantwortlichen, plant eine überwiegende Mehrheit das IT-Budget für 2013 in erster Linie für die Erfüllung der regulatorischen Anforderungen einzusetzen. 87 Prozent nennen zudem die Verbesserung der Datensicherheit als weiteren Schwerpunkt, während nur gerade 4 Prozent der Befragten ihren Fokus auf Social Media legen.
Ausrichtung des Geschäftsmodells auf die Zukunft
«Die Banken konzentrieren sich darauf, den regulatorischen Vorschriften zu genügen und die Daten sicher zu halten. Es ist auffällig, dass kaum weitergehende Ambitionen geäussert werden. Das heisst, die Banken verzichten darauf, durch Innovationen im IT-Bereich neue Kapazitäten zu schaffen, neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln und die Kundenzufriedenheit dadurch zu erhöhen. So verpassen sie die Chance, sich durch Informatik-Dienstleistungen zu differenzieren, sei es im E-Banking oder in anderen Bereichen, um so neue Einnahmen zu generieren.
Langfristig gesehen genügt es aber nicht, die Systeme am Laufen zu halten und die IT-Kosten im Griff zu haben. Wer die IT als Werttreiber versteht, kann die Datenbasis für sämtliche Businessentscheide verbessern und einen Beitrag dazu leisten, das Geschäftsmodell auf die Zukunft auszurichten», sagt Andreas Toggwyler.
Informationen zur Studie
Die Studie «IT in Swiss Private Banking 2013» basiert auf einer Befragung, die Ernst & Young im zweiten Halbjahr 2012 durchgeführt hat. Dabei wurden IT-Verantwortliche von 24 Banken befragt, davon 16 Privatbanken, 4 Universalbanken und 4 Institute mit einem breiten Mix von Kunden und Produkten (hybrides Geschäftsmodell). Bei den Befragten handelt es bei 46 Prozent um kleine Institute (verwaltete Vermögen kleiner als CHF 5 Mrd.), bei 29 Prozent um mittelgrosse (Vermögen von CHF 5 bis 15 Mrd.) und bei 25 Prozent um grosse Institute (Vermögen von CHF 15 bis 100 Mrd.). Alle befragten Banken haben ihren Sitz in der Schweiz oder unterhalten hier massgebende Aktivitäten. Die mehrheitlich auf der Basis persönlicher Interviews erarbeitete Studie ist in dieser Form zum ersten Mal durchgeführt worden. Die Studie steht auf der Website unter www.ey.com/ch zum Download zur Verfügung.