Lugano – Bei der Raiffeisen Schweiz ist es an der Delegiertenversammlung zu weiteren Abgängen aus dem Verwaltungsrat gekommen. Die Zürcher Alt-Regierungsrätin Rita Fuhrer und der Tessiner Politiker Angelo Jelmini verzichteten angesichts des Unmuts der Delegierten auf eine Wiederwahl. Die Abstimmung über die Décharge-Erteilung für die Führungsspitze wurde zudem verschoben.
«Wir sind mit dem Verwaltungsrat sehr unzufrieden», bestätigte Kurt Sidler als Vertreter der Raiffeisen-Regionalverbände an einer Medienkonferenz im Anschluss an die Versammlung in Lugano. Die Geschehnisse der Jahre 2012 bis 2015 hätten die Delegierten «sehr verärgert». Die Versammlung sei «im Zeichen der Aufklärung der Vergangenheit» aber auch der «Zukunftsfähigkeit» gestanden, betonte derweil Raiffeisen-Vizepräsident Pascal Gantenbein.
Turbulente Monate
Fuhrer und Jelmini hätten mit dem Rückzug ihrer Kandidatur für das Gremium auf die Situation an der Delegiertenversammlung reagiert, sagte Gantenbein. Fuhrer hatte ursprünglich erst 2019 und Jelmini 2020 zurücktreten wollen. Zudem wird nun Philippe Moeschinger im Herbst 2018 und damit früher als geplant zurücktreten. Dagegen wurden mit Rolf Walker und Thomas Rauber zwei neue Verwaltungsräte gewählt.
«Es waren die turbulentesten zwölf Monate in der Geschichte der Raiffeisen-Gruppe», sagte Gantenbein, der sich an der im November 2018 angesetzten ausserordentlichen Delegiertenversammlung für das Amt des Präsidenten bewerben will. Die Glaubwürdigkeit der Raiffeisen-Gruppe habe gelitten, räumte er ein. Die Hauptschuld daran trage Pierin Vincenz.
Neues Vergütungsmodell
Die Abstimmung über die Erteilung der Decharge wird nun auf die ausserordentliche Delegiertenversammlung vom November 2018 oder auf die ordentliche Delegiertenversammlung 2019 verschoben. Damit hätten die Delegierten die Gelegenheit, sich vorgängig ein vollständiges Bild über die Resultate des Verfahrens und der unabhängigen Untersuchung zu machen.
Für heftige Diskussionen sorgten an der Delegiertenversammlung aber auch die Lohnerhöhung der Raiffeisen-Verwaltungsräte um rund 44% im Jahr 2017, wie Kurt Sidler als Vertreter der Regionalverbände sagte. Die Verbandsvertreter hätten gefordert, dass künftig ein «vernünftiger Rahmen» für die Entlöhnung gefunden werde.
Eine Arbeitsgruppe soll nun ein neues Vergütungsmodell erarbeiten, das an der kommenden Versammlung im November zur Abstimmung gebracht werden soll. Dieses werde sicherlich die Publikation eines eigenen Vergütungsberichts beinhalten, hiess es auf Nachfrage.
Untersuchung 2018 abschliessen
Die interne Aufarbeitung der Vincenz-Ära durch eine Untersuchungsgruppe unter Leitung von Professor Bruno Gehrig ist bisher nicht auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten von Pierin Vincenz gestossen. Dabei sei vor allem die Übernahme der Privatbank Wegelin, der späteren Notenstein im Zentrum gestanden, sagte Gehrig an der Medienkonferenz.
Vertieft untersucht worden seien insgesamt etwa zwei Dutzend Beteiligungen. Es sei geplant, diese Analysen bis zur ausserordentlichen Delegiertenversammlung vom November 2018 abzuschliessen. Ausgeklammert wurden allerdings Vorkommnisse um die Raiffeisen-Beteiligung Investnet, die im Zentrum der Strafuntersuchungen der Zürcher Staatsanwaltschaft stehen.
Reaktion auf Finma
Der am Donnerstag bekannt gewordenen harschen Kritik der Finanzmarktaufsicht Finma an den Raiffeisen-Strukturen habe die Genossenschaftsbank zum Teil bereits Genüge getan, gab sich Gantenbein überzeugt. «Solche Dinge wie im Jahr 2015 können heute nicht mehr stattfinden», sagte er.
Die Finma hatte dem Verwaltungsrat in einem Enforcement-Bericht vorgeworfen, die Aufsicht über den ehemaligen CEO Pierin Vincenz vernachlässigt und Interessenkonflikte ungenügend gehandhabt zu haben. (awp/mc/ps)