Zürich – Der interimistische Raiffeisen-Verwaltungsratspräsident Pascal Gantenbein stärkt dem CEO der Bankengruppe, Patrik Gisel, den Rücken. Dieser steht wegen den Anschuldigungen gegen seinen Vorgänger Pierin Vincenz stark unter Druck. Gantenbein kündigte am Freitag vor den Medien eine lückenlose Aufklärung der Vergangenheit an.
Mit seinem Rücktritt übernehme der bisherige Verwaltungsratspräsident Johannes Rüegg-Stürm grosse Verantwortung. Er ermögliche damit, dass die Vergangenheit «unbelastet» abgeklärt werden könne, und mache gleichzeitig den Weg frei für einen Erneuerungs- und Verjüngungsprozess im Gremium, so Gantenbein.
Gemäss Gantenbein erfolgte der Rücktritt Rüegg-Stürms aus freien Zügen: Es habe keine Intervention der Finanzmarktaufsicht FINMA gegeben. Laut dem interimistischen Raiffeisen-Präsidenten sei Rüegg-Stürm weder Teil der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, noch des Enforcement-Verfahrens der Finma.
Aufgabe frei von der Vergangenheit anpacken
Auch Rüegg-Stürm machte an der Medienkonferenz ein kurzes Statement: Dabei sagte er, dass er mit dem Rücktritt seine Bereitschaft zeigen wolle, einen Teil der Mitverantwortung zu übernehmen. Er bedauere die aktuellen Entwicklungen zutiefst. In den letzten Tagen sei im Verwaltungsrat aber sorgfältig definiert worden, wie die aktuelle Krise am besten bewältigt werden könnte. Dabei sei es entscheidend, dass die bevorstehenden Abklärungen durch eine Persönlichkeit verantwortet werde, die diese Aufgabe unabhängig und frei von der Vergangenheit anpacken könne.
Gantenbein, der erst nach dem Rücktritt von Vincenz als Raiffeisen-CEO in den Verwaltungsrat gewählt wurde und dem nun die Rolle zukommt, betonte vor den Journalisten mehrfach, dass es derzeit keine Anhaltspunkte vor, die Gisel belasten würden. Mit diesem Hinweis beantwortete Gantenbein auch alle an Gisel gerichteten Fragen, die sich darauf bezogen, wann dieser über welche Gegebenheiten in der Causa Pierin Vincenz Kenntnis hatte.
Gisel: «Keine Hinweise auf illegales Verhalten»
Gisel selbst sagte lediglich, dass er überzeugt sei, dass der unter ihm initiierte Weg der Entflechtung und der Transparenz der richtige sei. Und er gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass solche Vorkommnisse, wie sie nun ans Licht kommen, dank der verbesserten Corporate Governance nun nicht mehr passieren könnten. Dass die Vergangenheit aufgearbeitet werde, begrüsse er. Und er betonte einmal mehr: «Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf ein illegales Verhalten.»
Laut Gantenbein soll nun neben dem Verfahren der Staatsanwaltschaft und dem Enforcement-Verfahren der Finma auch eine externe Partei mandatiert werden, um die ganzen Vorgänge im Auftrag der Bankengruppe aufzuarbeiten. Derzeit würden die Abklärungen laufen, wem das Mandat gegeben werden könne.
Dabei sei es einerseits wichtig, dass die Person oder das Anwaltsbüro in keiner relevanten Weise in Vergangenheit mit Raiffeisen zu tun hatte. Anderseits müsse die Partei auch über die notwendigen zeitlichen Ressourcen verfügen, das Ganze schnell aufzuarbeiten. Wir können es uns nicht leisten, drei Jahre in dieser Angelegenheit herumzueiern», sagte Gantenbein.
Rüegg-Sturm seit 2011 im Amt
Raiffeisen hatte am Donnerstagabend bekannt gegeben, dass Rüegg-Stürm sein Amt per sofort niederlege. Begründet wurde dieser Schritt mit den jüngsten Entwicklungen in Zusammenhang mit dem eingeleiteten Strafverfahren gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz sowie dem noch immer laufenden Verfahren der Finanzmarktaufsicht Finma gegen Raiffeisen Schweiz. Angesichts dessen sei «dies ein wichtiger Schritt, um die Glaubwürdigkeit von Raiffeisen Schweiz langfristig zu erhalten», hiess es in der Mitteilung vom Donnerstagabend.
Der 1961 geborene HSG-Professor präsidierte den Verwaltungsrat im 50%-Pensum seit 2011. Ins Gremium berufen wurde er 2008. Sein interimistischer Nachfolger Gantenbein wurde 2017 als unabhängiges Mitglied in das Aufsichtsgremium von Raiffeisen Schweiz gewählt. Gantenbein, Professor für Finanzmanagement an der Universität Basel, ist zuvor vom Verwaltungsrat zum Vizepräsidenten ernannt worden.
Rüegg-Stürm hatte noch vergangenen Sonntag in einem Zeitungsinterview gesagt, er wolle zwei weitere Jahre als Präsident antreten. Das gegenwärtige Management mit Raiffeisen-Chef Gisel nahm er in Schutz und bestritt, dass der Verwaltungsrat zu wenig genau hingeschaut habe.
Vorwurf der persönlichen Bereicherung
Vincenz sitzt seit letzter Woche in Untersuchungshaft. Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher ungetreuer Geschäftsbesorgung. Vincenz soll bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Investmentgesellschaft Investnet ein Doppelspiel gespielt und persönlich abkassiert haben. (awp/mc/pg)