St.Gallen – Die Affäre rund um den ehemaligen Chef Pierin Vincenz hat das Image der drittgrössten Schweizer Bank ramponiert. Nun will Raiffeisen Schweiz mit einer internen Untersuchung das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen.
Raiffeisen Schweiz wolle die Ära Vincenz konsequent aufarbeiten und die Ergebnisse daraus transparent machen, teilte das Geldhaus am Mittwoch mit. Die unabhängige Untersuchung habe zum Ziel, die Beteiligungskäufe von Raiffeisen Schweiz oder ihrer Tochtergesellschaften, die seit 2005 getätigt wurden, auf allfällige Unregelmässigkeiten zu überprüfen.
Ausgenommen seien Unternehmen und Transaktionen, welche bereits im Rahmen der Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft Zürich direkt untersucht würden. Falls dabei strafrechtliche-, aufsichtsrechtliche-, zivilrechtliche oder ethische Aspekte aufkommen, werde Raiffeisen entsprechende Massnahmen ergreifen. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) sei über dieses Vorgehen informiert.
Bruno Gehrig als Chefermittler
Für die interne Untersuchung setzt die Bank den Schweizer Manager und Wirtschaftsprofessor Manager Bruno Gehrig als unabhängigen Chefermittler ein. Ihm zur Seite steht ein Team der Zürcher Anwaltskanzlei Homburger.
«Ich werde die Resultate der Untersuchung unabhängig und ohne Rücksicht auf interne Betroffenheit würdigen», schreibt Gehrig in einer Stellungnahme. Seiner Rolle komme eine besondere Bedeutung zu, da auch der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung Gegenstand der Untersuchung sind, hält Gehrig fest.
Gehrig profilierte sich in langjährigen Verwaltungsratsmandaten bei verschiedenen Schweizer Firmen. So war der 71-Jährige unter anderem Verwaltungsratspräsident der Fluggesellschaft Swiss und des Versicherers Swiss Life, Vizepräsident des Pharmakonzerns Roche, UBS-Verwaltungsrat sowie Mitglied der Bankenkommission. Derzeit ist er Vorstandsmitglied des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse.
Bank hält an Gisel fest
In der Affäre rund um den ehemals gefeierten Raiffeisen-Boss war auch der aktuelle Raiffeisen-Chef Patrik Gisel in die Kritik geraten. Der langjährige Weggefährte von Vincenz geniesst aber weiterhin den Rückhalt des Verwaltungsrats.
Laut Interims-Präsident Pascal Gantenbein gebe es bislang keine Anhaltspunkte, die Gisel wegen irgendwelcher Transaktionen belasten. Das zeige auch ein von der Finma in Auftrag gegebener Bericht, sagte Gantenbein Anfang März vor den Medien. Gisel und seine Crew würden deshalb das «volle Vertrauen der Verwaltungsrates» geniessen.
Gisel selber sagte, dass er zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf ein allfälliges illegales Verhalten gehabt habe. Der bisherige Verwaltungsratspräsident Johannes Rüegg-Stürm trat hingegen Anfang März überraschend per sofort zurück. Um die aktuelle Krise beizulegen, habe er sich zu diesem Schritt entschlossen, begründete er seinen Entscheid.
Vincenz weiter in U-Haft
Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Vincenz wegen möglicher ungetreuer Geschäftsbesorgung. Der langjährige Chef der Bankengruppe soll bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Investmentgesellschaft Investnet ein Doppelspiel gespielt und persönlich abkassiert haben.
Aduno reichte im letzten Dezember, Raiffeisen im Februar Anzeige gegen Vincenz ein. Vincenz war deswegen Anfang März verhaftet worden und sitzt damit nun schon über einen Monat in Untersuchungshaft.
Die Finma ihrerseits stellte Interessenskonflikte beim Management fest im Zusammenhang mit bedeutenden Beteiligungen. Sie hat das Verfahren gegen Vincenz aber inzwischen aufgegeben, hingegen läuft das parallele Enforcementverfahren zu Themen der Corporate Governance gegen die Raiffeisen Schweiz weiter. (awp/mc/pg)