Bankiervereinigung verliert mit Raiffeisen gewichtiges Mitglied

(Foto: Raiffeisen)

St. Gallen – Bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) ist es zum Eklat gekommen. Mit der Raiffeisen-Gruppe hat ein gewichtiges Mitglied den Austritt aus dem Branchenverband der Schweizer Banken per Ende März 2021 bekanntgegeben. Die drittgrösste Bankengruppe der Schweiz will ihre Interessen laut eigenen Angaben künftig eigenständig vertreten.

Die Bankenbranche und die Interessen der verschiedenen Akteure auf dem Schweizer Finanzplatz hätten sich in den vergangenen Jahren stark verändert, begründete Raiffeisen den Entscheid am Dienstag in einer Mitteilung.

Getroffen worden sei der Austrittsentscheid nun als Folge der neuen Raiffeisen-Strategie, sagte Verwaltungsratspräsident Guy Lachappelle gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Allerdings sei die Mitgliedschaft bei der Bankiervereinigung schon seit langem ein intern diskutiertes Thema gewesen.

Streitpunkt Regulierung
Mit dem Austritt von Raiffeisen eskaliert eine seit Jahren schwelende Unzufriedenheit der inlandorientierten Banken innerhalb des Branchenverbands. Diese kritisieren beim Branchenverband ein zu starkes Gewicht der international ausgerichteten Grossbanken sowie der Privatbanken.

Inhaltlich gehen die Positionen dabei insbesondere in der Frage um die Übernahme internationaler Regulierungen und Standards durch die Schweiz klar auseinander. Grossbanken oder Privatbanken seien eben sehr stark am Marktzugang ins Ausland interessiert und hätten diesbezüglich auch eine «grössere Opferbereitschaft» als die Inlandbanken, sagte Lachappelle: «Das ist ein Konflikt, der sich seit Jahren durch die Diskussionen zieht.»

Keineswegs sei der Austritt als eine «Sparübung» gemeint, betonte der Raiffeisen-Präsident. Der Mitgliederbeitrag von Raiffeisen belaufe sich auf einen «einstelligen Millionenbetrag». Diese Mittel werde die Raiffeisen-Gruppe nun aber anders einsetzen. Laut dem jüngsten SBVg-Jahresbericht betrugen die Mitgliederbeiträge für den Zeitraum von Januar 2019 bis März 2020 insgesamt 26 Millionen Franken.

Reform unterwegs
Die Bankiervereinigung reagierte am Dienstag mit Bedauern auf den Austrittsentscheid. Der Verband habe erst im September neue Governance-Strukturen beschlossen, bei denen gerade auch die Anliegen der Inlandbanken adressiert worden seien, sagte SBVg-Geschäftsführer Jörg Gasser zur Nachrichtenagentur AWP. Es sei «umso enttäuschender», dass Raiffeisen nicht habe abwarten wollen, wie sich die Reform auswirke.

Der Verband betonte gleichzeitig die Offenheit für die Mitgliedschaft von «Raiffeisenbanken und deren Mitarbeitenden». Die Bankiervereinigung sehe sich auch weiterhin als «führende und repräsentative Stimme» der Bankenbranche als Ganzes – wobei sie sich «sowohl für attraktive Rahmenbedingungen im Inland als auch für optimale internationale Finanzbeziehungen» einsetzen wolle.

Kein Stellenabbau
Für die SBVg werde der Austritt insgesamt keine «dramatische Folgen» haben, sagte Gasser. Er sei überzeugt, dass die Bankiervereinigung ihr bisheriges Leistungsniveau aufrechterhalten könne. Es sei aber zu früh zu sagen, wie der SBVg mit dem wegfallenden Mitgliederbeitrag von Raiffeisen umgehen werde: Dass es deswegen zu einem Personalabbau bei der SBVg kommen könnte, glaube er aber nicht. Der Verband beschäftigt rund 55 Mitarbeitende.

Er gehe auch nicht davon aus, dass weitere Banken die SBVg verlassen würden, sagte Gasser. Es scheine aber ein «allgemeines Phänomen» zu sein, dass es vermehrt zu Austritten aus Wirtschaftsverbänden komme, so der Geschäftsführer mit Verweis auf jüngste Mitglieder-Austritte beim Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse und dem Schweizerischen Versicherungsverband (SVV). Offenbar würden Partikularinteressen oft stärker gewichtet als der «Blick für das Grosse und Ganze».

Raiffeisen habe den Austritt nicht mit anderen Inlandbanken abgestimmt, sondern den Entscheid bewusst nur für sich selbst getroffen, sagte derweil Raiffeisen-Präsident Lachappelle. Er gehe zwar davon aus, dass auch andere Banken ihre Mitgliedschaft überprüften, dabei könnten sie aber durchaus zu anderen Schlüssen als die Raiffeisen-Gruppe kommen. (awp/mc/ps)

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