Redwheel: Wie Investoren Emotionen vermeiden
Die Reaktion des Marktes auf Nachrichten kann stark schwanken. Deshalb ist es wichtig, sich an den Prozess zu halten und bei Investitionsentscheidungen nicht von Emotionen leiten zu lassen. Ein Beispiel dafür ist die Mode-Aktie Tapestry.
von Nick Clay, Portfoliomanager der Redwheel Global Equity Income Strategy
Tapestry ist die Muttergesellschaft der Modemarken Coach und Kate Spade. Als wir in Tapestry investierten, war unsere These, dass sich der Grossteil des Unternehmens (Coach) weiter gut entwickeln würde, während der kleinere Teil (Kate Spade, rund 20 Prozent) einen Turnaround benötigt. Damit gehörte die Anlage fest zu unserer Kategorie «Profit Transformation». Denn die Bewertung liess nicht erwarteten, dass diese Trendwende in absehbarer Zeit eintreten würde und die anständige Bilanz machte die Investition aus Sicht des Risiko-Ertrags-Verhältnisses attraktiv, wenn man die Bandbreite der potenziellen Ergebnisse berücksichtigte.
Kurzsturz nach Übernahme-Ankündigung
Am 10. August 2023 kündigte Tapestry dann seine Absicht an, Capri Holdings zu kaufen – die Muttergesellschaft von Michael Kors, Versace und Jimmy Choo. Der umstrittene Deal sieht vor, dass Tapestry pro Aktie 57 US-Dollar in bar bezahlt. Dies führte zu einem Einbruch des Aktienkurses um etwa 16 Prozent an diesem Tag, gefolgt von einem weiteren Rückgang um rund 23 Prozent. Insgesamt kam es zu einem Rückgang von etwa 35 Prozent als Reaktion auf die Ankündigung. Da kommen Emotionen hoch, die alles andere als erfreulich sind!
Die Anlagethese sollte auf den Kopf gestellt werden. Doch war es wichtig, sich an den dafür vorgesehenen Prozess zu halten und unsere Reaktion nicht von Emotionen bestimmen zu lassen. Mit anderen Worten: Wir wendeten unseren Prozess auch auf Capri an, um die Wahrscheinlichkeit und die Bandbreite der Ausgänge für die neu kombinierte Gruppe zu verstehen. Das Ergebnis war eine Palette an Ergebnissen, die eine signifikante Verschiebung des Risiko-Ertrags-Verhältnisses zeigten: Von ursprünglich 20 Prozent des Geschäfts, die saniert werden mussten, ist der Anteil auf deutlich über 50 Prozent gestiegen. Dabei sind alle drei Marken von Capri betroffen – Michael Kors, Versace und Jimmy Choo.
Schulden nehmen die Zeit
Bei der Sanierung dieser Marken handelt sich um einen bewährten Prozess. Er besteht darin, die Abhängigkeit von den Grosshandelskanälen zu verringern und stattdessen direkt an die Verbraucher zu verkaufen. Trotzdem war das Ausmass diesmal grösser als normal. Beispielsweise werden etwa 30 Prozent des Umsatzes von Michael Kors derzeit noch im Grosshandel erzielt – vor zehn Jahren waren es etwa 50 Prozent. Zum Vergleich: Best-in-Class-Marken erzielen nur etwa 10 Prozent ihres Umsatzes über den Grosshandel.
Unsere Erfahrungen aus früheren Investments haben gezeigt, dass vorhandene Schulden dem Unternehmen die Zeit nimmt. Dieser Deal könnte die Verschuldung von Tapestry um das 5-fache des EBITDA erhöhen. Das bedeutet, dass das Unternehmen nicht nur eine grosse Umstrukturierung auf sich nimmt, die den Grossteil des Geschäfts ausmacht. Es muss auch schnell erfolgreich sein, da die Schulden getilgt werden müssen. Das erhöht das Risiko weiter.
Einschätzung komplett geändert
Wir haben eine zweite Lektion gelernt: Eine erhöhte Verschuldung kann die Fähigkeit eines Unternehmens beeinträchtigen, in schwierigen Zeiten eine Dividende aufrechtzuerhalten. In diesem Szenario wird es immer wahrscheinlicher, dass ein Unternehmen gezwungen ist, die Dividende zu kürzen, um die Gläubiger zu besänftigen. Dadurch erhöht sich das Risiko nochmals. Wir sind daher der Ansicht, dass sich die Bewertung der potenziell kombinierten Gruppe verschlechtert hat.
Bis zum Abschluss der Transaktion öffnete sich jedoch ein Zeitfenster, in dem Coach (und Kate Spade) als eigenständige Unternehmen weitaus günstiger gehandelt wurden als vor dem Kursrückgang. Damit bestand die Gefahr eines Gegenangebots – wenn jemand Coach als Marke haben wollte, dann war dies der richtige Zeitpunkt, um zu handeln. Dann änderte der Markt seine Einschätzung komplett und liess die Aktien vom Tiefststand vom 1. November 2023 bis zum Höchststand am 28. Februar 2024 um rund 82 Prozent steigen – höher als vor der Ankündigung des Angebots für Capri Holdings!
Was hat sich eigentlich geändert, um diese Erholung zu rechtfertigen? Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass der Deal nicht doch noch zustande kommt. Zwar hat Tapestry weiterhin gute Zahlen gemeldet, aber Capri eher nicht. Stellt dies also eine grosse Chance dar? Je schlechter Capri gehandelt wird, desto grösser ist das Turnaround-Potenzial? Die Stimmung ändert sich, vor allem aufgrund des Aktienkurses! Das Elend vom November ist lange vorbei.
Die Disziplin in unserem Prozess schützt uns vor solchen Stimmungsschwankungen am Markt. Wir glauben, dass die Erholung des Aktienkurses von Tapestry das Risiko-Ertrags-Verhältnis nur noch weiter zu Ungunsten der Anleger verzerrt und das Risiko eines Gegenangebots beseitigt hat. Auch wenn sich die Stimmung am Markt so schnell ändert wie der Modegeschmack und man nun glaubt, dass die Jimmy Choos perfekt passen, haben uns unsere Disziplin – und nicht unsere Emotionen – dazu veranlasst, die Choos stehenzulassen und Tapestry abzustossen. (Redwheel/mc)