Riad – Der saudische Ölgigant Aramco hat den bisher grössten Börsengang hingelegt und das Technologie-Schwergewicht Apple als wertvollstes Unternehmen der Welt abgelöst. Am ersten Handelstag an der saudischen Wertpapierbörse Tadawul am Mittwoch wurden Aktien des Staatskonzerns unter dem Symbol 2222 zum Preis von 35,2 Riyal (9,39 Dollar) gehandelt. Das entsprach dem festgelegten Tageslimit von zehn Prozent über dem Ausgabepreis von 32 Riyal (8,53 Dollar).
Aramco nahm durch den Verkauf von lediglich 1,5 Prozent seiner Anteile zunächst 25,6 Milliarden Dollar ein. Damit brach das Unternehmen den Rekord der chinesischen Handelsplattform Alibaba aus dem Jahr 2014 für den grössten Börsengang. Alibaba hatte 25,03 Milliarden Dollar erzielt. Berücksichtigt man die Inflation, entspricht das heute etwa 27 Milliarden Dollar.
Einnahmen könnten auf 29,4 Mrd Dollar steigen
Durch die sogenannte Mehrzuteilungsoption («Greenshoe») kann Aramco bei ausreichend Nachfrage in den ersten 30 Tagen nach dem Börsendebüt aber noch 15 Prozent mehr Aktien ausgeben als ursprünglich angeboten. Einem Investmentbanker der saudischen National Commercial Bank zufolge käme das Unternehmen dann auf Einnahmen von 29,4 Milliarden Dollar, wie der von Saudi-Arabien finanzierte Nachrichtenkanal Al-Arabija berichtete.
«Mit dem heutigen Beginn des Handels von Aramco-Aktien fügt das Unternehmen einen weiteren Erfolg zu seiner Liste an Errungenschaften hinzu», sagte der Aramco-Vorsitzende Jassir al-Rumajan zum Handelsbeginn. Der Börsengang werde die Führung des Konzerns stärken und gleichzeitig zu mehr Transparenz führen.
Das wertvollste börsennotierte Unternehmen der Welt
Dem Finanznachrichtendienst Bloomberg zufolge kam Aramco am Mittwoch auf eine Bewertung von 1,88 Billion Dollar. Damit zog dar Konzern – als einer der weltgrössten Ölproduzenten gewissermassen ein Sinnbild der «Old Economy» – am Technologiekonzern Apple als wertvollstes börsennotiertes Unternehmen vorbei.
Apple, das die Liste der wertvollsten Konzerne mit Tech-Riesen wie Microsoft, der Google -Mutter Alphabet, Amazon und Facebook dominiert, kommt derzeit auf eine Bewertung von knapp 1,2 Billion Dollar. Aramco ist auch wertvoller als die fünf grössten Ölkonzerne ExxonMobil, Shell, BP, Chevron und Total zusammen.
Bewertung von 2 Billionen Dollar angestrebt
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman hatte ursprünglich eine Bewertung von zwei Billion Dollar angestrebt. Sollten die Kursgewinne vom Mittwoch halten, könnte Aramco diese Marke am Donnerstag erreichen. Energieminister Abdulasis bin Salman hatte beim Treffen des Ölkartells Opec in Wien versichert, dass Aramco diesen Wert noch übertreffen würde. «Ich wette darauf», hatte Bin Salman gesagt.
«Vision 2030»
Der Börsengang ist Teil eines umfassenden Umbaus der saudischen Wirtschaft unter der sogenannten «Vision 2030» von Kronprinz Bin Salman. Wie kaum ein Land ist das Königreich am Persischen Golf auf den Ölhandel angewiesen und will sich schrittweise unabhängiger von dem wertvollen Rohstoff machen. Unter anderem wegen niedriger Ölpreise und bewaffneten Angriffen auf Ölanlagen war der Gang aufs Parkett immer wieder verschoben worden. Im September waren Aramcos Einrichtungen mit Drohnen attackiert worden.
Der grösste Teil Aramcos bleibt beim Börsengang in den Händen des saudischen Staates. Mit 1,5 Prozent hat Aramco so wenig Streubesitz verfügbar gemacht wie kaum ein anderes Unternehmen. Unter den 1000 wertvollsten börsennotierten Unternehmen haben Bloomberg zufolge nur zwei Firmen einen noch kleineren Anteil frei handelbarer Aktien: der Autohersteller Audi (0,36 Prozent, der Rest besitzt die Mutter Volkswagen ) und der Energieversorger EnBW (0,37 Prozent). Die grossen Tech-Konzerne machen dagegen meist über 80 Prozent verfügbar.
Mit dem Handel an der saudischen Börse ist Aramco zunächst stark auf heimische Investoren angewiesen. Nur etwa 15 Prozent der verfügbaren drei Milliarden Aktien sind für institutionelle Anleger aus dem Ausland vorgesehen. Erst 2020 oder 2021 soll ein internationales Angebot folgen. Unbehagen könnte ausländischen Anlegern bereiten, dass Saudi-Arabien wegen der schlechten Menschenrechtslage und dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi international in der Kritik steht. (awp/mc/pg)