Vítor Bento, CEO Banco Espírito Santo (BES).
Lissabon – Rekordverluste haben die Krise bei der Grossbank BES in Portugal drastisch verschärft und das Land erst zweieinhalb Monate nach Verlassen des EU-Rettungsschirmes wieder ins Zittern gebracht. Die Banco Espírito Santo hatte Mittwochnacht für das erste Halbjahr ein Minus von 3,57 Milliarden Euro gemeldet. So viel Geld hatte nach Medienangaben noch kein portugiesisches Unternehmen in so kurzer Zeit in den Sand gesetzt. Am Donnerstag stürzte der BES-Aktienkurs in Lissabon zeitweilig um über 50 Prozent weiter in den Keller.
Die portugiesische Zentralbank teilte unterdessen mit, jüngst entdeckte Fakten deuteten auf mögliche «rechtswidrige Handlungen» der Ende Juni abgesetzten Unternehmensführung hin. Man prüfe die Einleitung rechtlicher Schritte, hiess es. Der Banker-Clan Espírito Santo, der als Hauptaktionär über die Espírito Santo Financial Group (ESFG) 20 Prozent des BES-Kapitals hält, wurde am Donnerstag von der Notenbank bis auf weiteres vom Stimmrecht ausgeschlossen.
Der neue Bankpräsident Vítor Bento kündigte noch in der Nacht zum Donnerstag eine Kapitalaufstockung an. Es gebe viele Interessenten aus dem Privatsektor, versicherte er. Die Kernkapitalquote (Tier 1) der BES war im Zuge der Krise auf fünf Prozent gefallen, damit lag sie zwei Punkte unter der von der Notenbank gesetzten Mindestgrenze.
Vorgänger unter Geldwäschereiverdacht
Auf Druck der Zentralbank, die das Institut von den Problemen der Gruppe Espírito Santo (GES) abschirmen wollte, war Ökonom Bento zum Nachfolger von Ricardo Espírito Santo Salgado ernannt worden. Dieser hatte 22 Jahre an der BES-Spitze gestanden. Der 70-Jährige war nach seiner Ablösung wegen Geldwäsche festgenommen, dann gegen Kaution von drei Millionen Euro wieder auf freien Fuss gesetzt worden.
Der Rekordverlust sei auf ausserordentliche Faktoren zurückzuführen, so die BES. Allein die Wertminderungen und Rückstellungen für Schadensmöglichkeiten hätten mit 4,25 Milliarden Euro negativ zu Buche geschlagen, hiess es.
Eine für Donnerstag anberaumte ausserordentliche Generalversammlung war inmitten von Gerüchten über Rekordverluste kurzfristig abgesagt worden. Dort sollte die neue Führung abgesegnet werden. Als Grund für die Absage wurde unter anderem angegeben, dass ein Antrag des Banken-Hauptaktionärs ESFG auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens vom Handelsgericht in Luxemburg angenommen worden sei. Die ESFG, die 20 Prozent des BES-Kapitals hält, hatte Insolvenz beantragt, weil sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann.
Schwere Imageschaden
Die Krise um die BES füge der gesamten portugiesischen Wirtschaft einen schweren Imageschaden zu, sagte der angesehene Analyst Pedro Lino der Nachrichtenagentur Lusa. Positiv sei aber, dass eine Rettung der BES mit Steuergeldern bisher nicht in Erwägung gezogen werde. TV-Kommentatoren äusserten die Befürchtung, man sei wohl lediglich am Beginn eines neuen, heftigen Sturmes.
Der Aktienkurs der BSE war in den vergangenen Wochen im Zuge der Probleme bereits um rund 75 Prozent eingebrochen. Nachdem der Handel mit der Aktie zunächst für zwei Stunden ausgesetzt worden war, verlor die Bank am Donnerstag schon gleich nach Wiederaufnahme des Handels mehr als 50 Prozent. Der Aktienwert des Unternehmens fiel damit erstmals auf unter eine Milliarde. Das Minus ging dann bis mittags aber zurück und pendelte sich bei 25 bis 30 Prozent ein.
Die Angehörigen der BES-Gründerfamilie gelten als die «Rockefellers» Portugals. Der Banker-Clan Espírito Santo ist eine der wohlhabendsten und einflussreichsten Familien im Land. Ihr Firmenkonglomerat ist unter anderem in den Bereichen Finanzen, Versicherungen, Tourismus und Landwirtschaft tätig. (awp/mc/ps)