US-Finanzdesaster rückt immer näher – Funkstille zwischen Parteien
John Boehner, Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus.
Washington – Im US-Streit um Haushalt und Schuldenlimit sind die Fronten härter denn je. Sowohl die Regierung von Präsident Barack Obama als auch die oppositionellen Republikaner machten zum Wochenbeginn klar, dass sie nicht an ein Einlenken denken. Damit rückt das Schreckgespenst einer Zahlungsunfähigkeit der grössten Volkswirtschaft der Welt immer näher.
Stichtag für eine Anhebung der Schuldenobergrenze des US-Haushalts ist der 17. Oktober. Kommt es bis dahin nicht zu einer Einigung, drohen nach Ansicht von Experten möglicherweise katastrophale Folgen nicht nur für die USA, sondern auch für die globale Wirtschaft.
Kritisch dürfte der 31. Oktober werden
Experten gehen nach Angaben der «Washington Post» davon aus, dass die USA ihre Rechnungen nach dem 17. Oktober durch Umschichtungen vielleicht noch zwei Wochen lang bezahlen könnten. Kritisch werde es dann am 31. Oktober, wenn sechs Milliarden Dollar an Zinszahlungen anfielen. Einen Tag später stünden 60 Milliarden Dollar an Rentenzahlungen an.
Im Haushaltsstreit ging der teilweise Verwaltungsstillstand der US-Regierung am Montag in die zweite Woche – ohne dass die Streitparteien in Washington überhaupt direkt über eine Lösung verhandelten. Stattdessen unterstrichen sie in Interviews und via Twitter ihre jeweiligen Positionen. Die Republikaner machen unter dem Einfluss der rechtspopulistischen Tea Party ihre Zustimmung zu einem Übergangshaushalt weiter von Abstrichen an Obamas Gesundheitsreform abhängig. Im Tauziehen um eine Anhebung des Schuldenlimits fordern die Konservativen Einsparungen bei Sozialprogrammen wie den Renten und Medicare, der staatlichen Krankenversicherung für die Älteren.
Boehner droht mit Zahlungsunfähigkeit
Der Präsident und seine Demokraten lehnen es bisher kategorisch ab, den Haushalt und die Erhöhung der Schuldengrenze zu einem Verhandlungsgegenstand zu machen. Der republikanische Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner, sagte, dass die USA damit auf die Zahlungsunfähigkeit zusteuerten. «Das ist der Weg, auf dem wir uns befinden.»
Obama hatte wegen der Streitigkeiten daheim sogar seine Reise zum Gipfel der Pazifik-Anrainerstaaten (Apec) absagen müssen. Sympathien fand er ausgerechnet beim russischen Präsidenten Wladimir Putin. Am Rande des Treffens in Bali sagte er nach russischen Medienberichten: «Ich glaube, ich wäre auch nicht gekommen, wenn ich in seiner Lage gesteckt hätte.
Eine «bedingungslose» Abstimmung über eine Anhebung des Schuldenlimits werde es ebenfalls nicht geben, sagte Boehner. Bis zum 17. Oktober müssen die USA sich auf eine Anhebung der Schuldengrenze einigen, wenn sie ein Abdriften in die Zahlungsunfähigkeit verhindern wollen. Der sogenannte «Default» dürfte für die US-Wirtschaft und die Finanzmärkte verheerende Folgen haben. Deshalb hatten Beobachter zuletzt vermutet, dass die nahende Frist Bewegung in den Streit bringen und die zerstrittenen Parteien von ihren verhärteten Positionen abrücken könnten.
Auf die Frage, wann der seit Tagen andauernde Streit enden könnte, antwortete Boehner: «Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen.»
US-Finanzminister: «Kongress spielt mit dem Feuer»
Zuvor hatte US-Finanzminister Jacob Lew vor katastrophalen Folgen für die Weltwirtschaft gewarnt, sollte das Schuldenlimit der USA nicht bis zum 17. Oktober erhöht werden. «Der Kongress spielt mit dem Feuer, wenn sie die Schuldengrenze nicht anheben», sagte Lew am Sonntag im CNN-Interview. Wenn das Limit von derzeit 16,7 Billionen US-Dollar nicht erhöht wird, kann das Land keine weiteren Schulden aufnehmen.
Die Ratingagentur Moody’s hatte im Falle der Zahlungsunfähigkeit bereits vor «ernsthaften Konsequenzen» gewarnt. Sie bewertet die Kreditwürdigkeit der USA derzeit mit der Top-Note «AAA». Bereits jetzt hält die US-Regierung das Limit nur mit Haushaltstricks ein. Dieser Spielraum ist spätestens im November erschöpft, dann stehen Zinszahlungen in grossem Stil an. Der laufende Streit in Washington dreht sich um das Budget für das Haushaltsjahr 2014, wird aber immer mehr mit dem nahenden Termin zum Schuldenlimit verknüpft.
«Es ist sehr gefährlich. Es ist waghalsig.»
«Wenn wir nicht genügend Zahlungsmittel zur Hand haben, wären die Vereinigten Staaten zum ersten Mal in der Geschichte nicht in der Lage, all ihre Verpflichtungen zu erfüllen», hatte Lew die Kongressabgeordneten zuvor in einem Brief gewarnt. «Es ist sehr gefährlich. Es ist waghalsig», sagte Lew am Sonntag gegenüber CNN.
Der republikanische Senator Ted Cruz beharrte gegenüber CNN darauf, den laufenden Etatstreit vor einer Anhebung des Schuldenlimits beizulegen. Diese Strategie sei «zum Scheitern verurteilt», sagte sein Parteikollege im Abgeordnetenhaus, Peter King, gegenüber dem Sender Fox News am Sonntag. (awp/mc/ps/cs)