Retail-Banken: Digitalisierung des Geschäfts geht schleppend voran

Retail-Banken: Digitalisierung des Geschäfts geht schleppend voran
(Bild: © styleuneed - Fotolia.com)

(Bild: © styleuneed – Fotolia.com)

Luzern – Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft hat eine dritte umfassende Studie zum Schweizer Retail Banken-Markt veröffentlicht. Die Experten zeigen auf, dass sich die Banken auch im vergangenen Jahr ziemlich gut entwickelt haben. Sie empfehlen den Institutionen jedoch, sich stärker auf die neuen mobilen Kommunikationsformen und Veränderungen der digitalen Technologien einzulassen und diese zu einem integralen Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle zu machen.

Die «IFZ Retail Banking-Studie» konzentriert sich dieses Jahr auf die folgenden fünf Schwerpunkte: Der erste Teil befasst sich mit den Kommunikationswegen von Schweizer Retail Banken sowie Thesen zur künftigen (technologischen) Entwicklung der Branche. Der zweite Teil stellt die Resultate einer Umfrage zum Thema Mobile Payment bei Bankkundinnen und -kunden vor. Der dritte Teil beinhaltet die jährliche Kennzahlen-Analyse von 91 Schweizer Retail Banken und präsentiert erneut die Top-5-Banken. Der vierte Teil untersucht die Entwicklung des Schweizer Hypothekarmarktes. Der fünfte und letzte Teil der Studie befasst sich mit der Corporate Governance von 65 Schweizer Retail Banken, unter anderem mit der Zusammensetzung von Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten.

Aufholbedarf bei der Kommunikation über digitale Kanäle
Die fortschreitende Digitalisierung wird auch im Retail Banking die Geschäftsmodelle nachhaltig verändern. Kunden führen bereits seit einigen Jahren zahlreiche Transaktionen auf digitalem Weg durch, und neue technologische Entwicklungen werden den Trend, vermehrt Produkte und Dienstleistungen über die Online-Kanäle zu nutzen, weiter verstärken. Mit einer Umfrage bei 210 Geschäftsleitungsmitgliedern von Banken hat das Forschungsteam der Hochschule Luzern eruiert, über welche Kommunikationskanäle Banken in Zukunft mit ihren Kunden interagieren wollen. Es wurde offensichtlich, dass die Möglichkeiten immens sind, aber auch der Aufholbedarf der Banken im Bereich Digitalisierung erheblich ist.  Aus den Antworten der Bankenvertreter lässt sich ableiten, dass sie den digitalen Kanälen auch in fünf Jahren noch keine strategische Bedeutung beimessen und die Digitalisierung an der Kundenschnittstelle aus Bankensicht insgesamt eher unbedeutend bleibt. Ein eigentlicher Paradigmenwechsel in der Kommunikation, in welcher die digitalen Kanäle eine gleich grosse oder gar grössere Bedeutung erlangen wie die analogen, ist in den Aussagen der Entscheidungsträger nicht festzustellen. Studienautor Andreas Dietrich empfiehlt den Retail Banken jedoch, sich stärker auf die neuen mobilen Kommunikationsformen und Veränderungen der digitalen Technologien einzulassen und diese zu einem integralen Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle zu machen: «Banken, welche diesen Schritt nicht oder zu langsam angehen, laufen Gefahr, dass nicht nur ‹direkte› Wettbewerber, sondern auch branchenfremde Anbieter wie Hypothekenvermittler oder Technologie-Unternehmen wie Google, Facebook oder PayPal die Kundenbedürfnisse der nachkommenden Generation besser erfüllen werden.» Auch dass viele Banken in allen (neuen) Kanälen ein wenig aktiver werden wollen, hält Dietrich für den falschen Weg: «Statt nach dem Giesskannenprinzip alle neuen Kanäle zu bearbeiten, ist es sinnvoller, sich in einem ersten Schritt auf die im Zusammenhang mit der Gesamtstrategie der Bank und der Markteinschätzung passendsten Kanäle zu fokussieren.» Aufgefallen ist den Experten ausserdem eine grosse Diskrepanz zwischen der Einschätzung der Bankenvertreter, wie sich verschiedene Innovationen am Markt entwickeln werden, und den eigenen Absichten in Bezug auf die Kanalstrategie.

Kunden möchten mit dem Handy bezahlen – am liebsten über ihre (Haus-)Bank
In einer weiteren Untersuchung befragte das IFZ 413 Bankkundinnen und -kunden zu ihrer Einstellung gegenüber Mobile Payment. Es zeigte sich eine ziemlich grosse Bereitschaft der Kunden, neue Technologien zu nutzen. Rund zwei Drittel aller befragten Personen können sich vorstellen, künftig mit dem Handy zu bezahlen. Interessant ist dabei insbesondere, dass die Umfrageteilnehmenden eine Lösung im Bereich Mobile Payment am liebsten bei ihrer (Haus-)Bank – und weniger bei Apple oder Google – «beziehen» möchten. Die grössten Hemmschwellen für die Nutzung des Handys als Zahlungsmittel sind Sicherheits- und Datenschutzbedenken.

Graubündner Kantonalbank erneut Schweizer Meisterin bei den Kennzahlen
Auch in diesem Jahr wurde ein Ranking der besten Schweizer Retail Banken erstellt. Dafür wurden neun Kennzahlen von 91 Schweizer Retail Banken in den Bereichen Rentabilität, Risiko und Struktur analysiert (für Details: siehe Anhang). Die Graubündner Kantonalbank erzielte im Jahr 2013, wie bereits 2012, insgesamt die besten Werte. Sie glänzt mit der dritthöchsten Gesamtkapitalrendite, einem tiefen Kosten/Ertrags-Verhältnis und einer hohen Eigenkapitalfinanzierung. Nach der Graubündner Kantonalbank folgen die Schwyzer und die Appenzeller Kantonalbank auf den Plätzen zwei und drei. Interessanterweise konnten mit der Ersparniskasse Affoltern i.E. AG und der Caisse d’Epargne de Nyon société coopèrative auch zwei kleine Regionalbanken sehr gute Resultate ausweisen. Das Rating der längeren Betrachtungsperiode von 2009 bis 2013 ist ebenfalls dominiert von Kantonalbanken. Hier fällt besonders die Banque Cantonale de Fribourg mit einem enorm tiefen Kosten/Ertrags-Verhältnis auf (siehe Tabelle im Anhang).

Hypothekenmarkt im Zentrum des Retail Banking Geschäfts
In einem Spezialteil hat das IFZ erstmals die Rolle des Hypothekenmarkts für die Retail Banken genauer betrachtet. «Unsere Studie zeigt, wie zentral dieses Geschäft für die Retail Banken ist. Obwohl die Zinsmargen in den letzten Jahren gesunken sind, konnten sie dank Volumenausweitungen den Zinserfolg stabil halten», resümiert Studienautor Christoph Lengwiler, Leiter des IFZ. Innerhalb der Hypothekenportfolios der Banken sei es jedoch zu markanten Verschiebungen von kürzeren zu längeren Fälligkeiten gekommen. Die Hypothekarmärkte wurden auch im kantonalen Vergleich betrachtet. Dabei erweist sich das Wachstum der Hypotheken je nach Kanton sehr unterschiedlich. Das Spektrum des jährlichen Wachstums reicht von eher tiefen 2,4 bis 2,7 Prozent in den Kantonen Nidwalden, Glarus und Obwalden, hin zu sehr hohen 6,2 bis 6,6 Prozent in den Kantonen Waadt, Genf und Wallis. Eine Analyse der Marktanteile innerhalb der Bankengruppen zeigt, dass die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse insbesondere in den Kantonen Genf, Waadt und Zürich den Markt dominieren. In den meisten Kantonen sind jedoch die Kantonalbanken Marktführer – dies wenig überraschend, da sie gesamtschweizerisch betrachtet mehr als einen Drittel aller Hypotheken vergeben. Die Raiffeisenbanken sind besonders in den Kantonen Jura, St. Gallen und Wallis mit Marktanteilen von 33 bis 38 Prozent stark vertreten.

Verwaltungsräte mit höherer Ausbildung als Geschäftsleitungsmitglieder
Im letzten Teil der Studie analysierte das IFZ unter anderem die Zusammensetzungen der Geschäftsleitungen und der Verwaltungsräte von 65 Schweizer Retail Banken. Auffällig ist, dass die Geschäftsleitungsmitglieder im Durchschnitt ein tieferes Ausbildungsniveau ausweisen als die Verwaltungsratsmitglieder. Mehr als 50 Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder weisen eine Lehre oder höhere Fachausbildung als höchste Ausbildung aus. Bei den Verwaltungsräten hingegen absolvierten etwa zwei Drittel ein Hochschulstudium. Die Vergütungen im Verwaltungsrat sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von rund CHF 5’000.– (DC Bank Deposito-Cassa der Stadt Bern) bis zu CHF 328’000.– pro Mitglied (Banque Cantonale Vaudoise).

Die 200-seitige «IFZ Retail Banking Studie-Schweiz 2014» kostet 290 Franken und kann bestellt werden unter [email protected]. (IFZ/mc/ps)

Hochschule Luzern
Die Hochschule Luzern ist die Fachhochschule der sechs Zentralschweizer Kantone und vereinigt die Departemente Technik & Architektur, Wirtschaft, Soziale Arbeit, Design & Kunst, Musik und ab 2016 Informatik. Rund 5’800 Studierende absolvieren ein Bachelor- oder Master-Studium, knapp 4’200 besuchen eine Weiterbildung. Die Hochschule Luzern ist die grösste Bildungsinstitution in der Zentralschweiz und beschäftigt rund 1’400 Mitarbeitende.

Schreibe einen Kommentar