Zürich – Eine bessere Sicherheitslage und attraktivere Geschäftsbedingungen verleihen der kolumbianischen Erdöl- und Erdgasproduktion nach jahrelanger Stagnation wieder Auftrieb und lassen die Reserven anwachsen.
Von Matthias Müller und Pascal Rohner, Research Analysten der Credit Suisse
Kolumbien hatte schon immer ideale geologische Bedingungen für eine kostengünstige Erdöl- und Erdgasförderung, und es besteht nach wie vor ein bedeutendes Potenzial an unerschlossenen Vorkommen. Die Produktion wurde jedoch während Jahrzehnten durch bewaffnete Konflikte behindert, da Rebellengruppen regelmässig Pipelines sprengten und Mitarbeiter von Erdölfirmen entführten. In den letzten zehn Jahren hat sich die Sicherheitslage jedoch deutlich verbessert, und das Geschäftsumfeld ist wesentlich freundlicher geworden. Zudem wurde 2003 mit der Gründung der Nationalen Agentur für Kohlenwasserstoffe (ANH) die Grundlage für einen kommerziellen Abbau der reichen Erdölvorkommen des Landes gelegt. Ein Steuersystem mit mehr Anreizen sowie attraktive Vertragsbedingungen, offene Ausschreibungen und mehr soziale Stabilität trugen dazu bei, dass sich neue Unternehmen niederliessen und mehr Auslandsinvestitionen ins Land flossen. Heute kann Kolumbien die Früchte dieser neuen Politik ernten: Die Erdöl- und Erdgasproduktion expandiert nach mehrjähriger Stagnation wieder kräftig, dasselbe gilt für die Reserven.
Leicht zugängliche Onshore-Felder noch wenig erschlossen
Die grössten Erdöl- und Erdgasfelder Kolumbiens liegen auf dem Festland in verschiedenen grossen Becken, wobei das Llanos-Becken mit rund 70 Prozent am meisten zur kolumbianischen Erdölproduktion beisteuert. Die kolumbianischen Onshore-Ressourcen sind einfacher zugänglich als beispielsweise die Offshore-Felder Brasiliens, die unter einer kilometerdicken Salzschicht lagern. Aufgrund des Potenzials in den aktuellen Produktionsregionen erwartet die ANH, dass die durchschnittliche Ölproduktion von 0,7 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2009 auf 1,3 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2015 steigen und sich somit fast verdoppeln wird.
Schnell abbaubar und rentabel
Ein bedeutender Teil des jüngsten Produktionswachstums ist der Erschliessung reicher Ressourcen an schwerem Erdöl zu verdanken. Geologischen Studien zufolge zieht sich ein breiter Gürtel von Feldern mit schwerem Erdöl von Venezuela über Kolumbien bis nach Ecuador. Weil Schweröl für den Transport via Pipeline bearbeitet werden muss (was zusätzliche Pipeline-Investitionen und eine Modernisierung der Verarbeitungsanlagen bedingt), ist der Abbau relativ kapitalintensiv. Andererseits sind Felder mit schwerem Erdöl meistens sehr gross, sie können relativ schnell abgebaut werden, weil sie weniger tief liegen, und die Investitionen bis zum Erreichen der Gewinnschwelle sind niedrig. Ausserdem gehen die ANH und lokale Produzenten davon aus, dass bisher nur ein geringer Teil der Ressourcen erschlossen wurde und schweres Erdöl im nächsten Jahrzehnt zum Motor für eine rasch wachsende lokale Erdölproduktion wird.
Neue Abbaumethoden könnten die Fördermengen ankurbeln
Weil die Gewinnung von schwerem Erdöl kapitalintensiver ist und nur ein relativ kleiner Anteil eines Vorkommens abgebaut werden kann, arbeiten mehrere Unternehmen an der Umsetzung effizienterer Abbaumethoden. Die meisten Methoden zielen darauf ab, das Öl durch Wärmebehandlungen fliessfähiger zu machen. Pacific Rubiales und Petrominerales entwickeln und testen zwei Verfahren mit Fire Flooding (ein Teil des Erdölfeldes wird in Brand gesetzt) und Steam Stimulation (Einspritzen von Druckdampf). Während sich die Fire-Flooding-Technologie noch in einer relativ frühen Entwicklungsphase befindet und eine Anwendung im Industriemassstab noch fehlt, hat sich die Steam Stimulation bei Lagerstätten in Kanada bereits bewährt. Beide Technologien haben das Potenzial, den Anteil an förderbarem Öl bei Feldern mit schwerem Erdöl substanziell zu erhöhen.
Behebung drohender Engpässe in der Infrastruktur
Angesichts des kräftigen Produktionswachstums stösst das lokale Pipeline-System an Kapazitätsgrenzen. In den kommenden Jahren muss deshalb die Infrastruktur deutlich ausgebaut werden. Ecopetrol, die an mehreren grossen Pipelines Beteiligungen hält, will in den nächsten Jahren rund USD 5 Milliarden investieren, um die bestehenden Produktionskapazitäten zu erweitern. Zudem sind mehrere andere Pipeline-Projekte kleinerer Unternehmen im Bau, die schwerwiegendere Engpässe in der Infrastruktur verhindern sollten. (Credit Suisse/mc/hfu)