Zürich – Die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) sind ein hilfreiches Rahmenwerk, um zu bewerten, ob Unternehmen einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten, sagt Analyst Michael van der Meer.
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- Unternehmen müssen sich als Teil eines grösseren, vernetzten Systems verstehen
- Traditionelle Portfoliomodelle werden dieser Tatsache nicht ausreichend gerecht
- Die SDGs sind ein nützliches Rahmenwerk zur Umsetzung eines weiterreichenderen Ansatzes
Van der Meer, Senior Sustainable Investing Analyst für Emerging Markets bei RobecoSAM, ist überzeugt, dass die 17 UN-Ziele, die von der Abschaffung der Armut bis zur Bekämpfung des Klimawandels reichen, ein nützliches Rahmenwerk zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Unternehmen sowie eine herausragende Anlagechance darstellen. Schliesslich gelte heutzutage: «Kein Unternehmen ist eine Insel» oder, anders ausgedrückt, heutige Unternehmen sind keine autarken, isolierten Einheiten, sondern Teil eines verflochtenen Systems.
Robeco und RobecoSAM haben einen dreistufigen Prozess entwickelt, um den potenziellen Beitrag von Unternehmen zu den SDGs zu berechnen.
Wie Van der Meer erläutert, sind Unternehmen, die einst nur ihre eigenen Interessen im Blick hatten, schrittweise weniger eigennützig geworden. Viele aber seien sich ihrer Nachhaltigkeitsverpflichtung immer noch nicht ausreichend bewusst.
Grösseres wirtschaftliches Ökosystem
«Anfangs hatten die Unternehmen noch ein firmenzentriertes Weltbild, in dem sie ihre Existenzberechtigung ausschliesslich in der Gewinnmaximierung sahen und gutes Verhalten als Vermeidung staatlicher Strafgelder verstanden», schreibt er in einem Artikel für das RobecoSAM Yearbook 2019.
«Mit der Zeit sind sich die Unternehmen auch ihrer Rolle als Akteure in einem grösseren wirtschaftlichen Ökosystem zunehmend bewusst geworden und haben begonnen, sich an grundlegenden Prinzipien der unternehmerischen Nachhaltigkeit zu orientieren. Allerdings wurde dies lange mit Philanthropie gleichgesetzt. Jetzt beginnen die Unternehmen zu erkennen, dass ein vollständig integrierter Nachhaltigkeitsansatz — der nicht zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und strategischen Entscheidungen trennt — eine Voraussetzung für ihren langfristigen Erfolg ist.»
«Um langfristig die von ihnen benötigten Renditen zu erzielen, müssen sich Investoren auch darüber im Klaren sein, dass Unternehmen in einem von unterschiedlichen, sich wechselseitig bedingenden Variablen geprägten Umfeld tätig sind. In diesem Zusammenhang können die SDGs als hilfreiches Rahmenwerk dienen, das es einfacher für Investoren macht, den langfristigen gesellschaftlichen Wert der Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen zu bewerten. Nur Unternehmen, die einen derartigen gesellschaftlichen Mehrwert erbringen, sind ausreichend anpassungsfähig, um langfristig erfolgreich zu sein – und damit ein nachhaltiges Investment.»
«Vermeintliche kurzfristige Ineffizienzen – wie zum Beispiel über dem Mindestlohn liegende Löhne, die zu mehreren SDGs wie ‘Keine Armut’, ‘Menschenwürdige Arbeit’ und ‘Gute Gesundheit und Wohlbefinden’ beitragen – stärken Portfolios langfristig und sollten daher bei Anlageentscheidungen berücksichtigt werden.»
Reduktionismus vermeiden
Ein Problem, das auch Van der Meer sieht, ist die Breite und Komplexität der SDGs, die eine effektive Prioritätensetzung – vor allem für nationale Regierungen – erschwert. Gleichzeitig verfolge die Finanzindustrie häufig einen ‘reduktionistischen’ Ansatz, bei dem ein komplexes Phänomen auf eine Analyse der Summe seiner Teile reduziert wird. Weder das eine noch das andere sei hilfreich für langfristige Investitionen in vielschichtige Themen, die sich in vielen Bereichen überschneiden.
«Eine gängige Annahme der traditionellen Finanztheorie ist, dass Investments unabhängig und unkorreliert sind», sagt er. «Diese Denkweise kommt in unternehmensspezifischen Analysen zum Ausdruck, zum Beispiel in der isolierten Anwendung von Cashflow-Modellen. Derartige Modelle sind einfach umzusetzen, haben aber den Nachteil des kurzfristigen Zeitfensters (3-5 Jahre), wodurch langfristig wirkende, nicht-lineare Ereignisse gewöhnlich nicht berücksichtigt werden.»
«Mit der Erkenntnis, dass sich verschiedene Anlagewerte unterschiedlich verhalten und unterschiedlich miteinander agieren, ist die moderne Portfoliotheorie (MPT) hier einen Verständnisschritt weiter gegangen. Dieses Verständnis grundlegender wechselseitiger Abhängigkeiten bezeichnen wir heute als konventionelle Finanztheorie. Ein weiterer, noch weitergehender Analyseansatz ist zum Beispiel die Betrachtung des Einflusses von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG-Faktoren) auf die erwartete Rendite.»
«Universal Owner»
Eine laut Van der Meer zunehmend wichtige Institution für die Abstimmung der Anliegen und Ziele von Investoren und Gesellschaft sind die «Universal Owner» – institutionelle Investoren wie Pensionsfonds mit breit diversifizierten, langfristig ausgerichteten Portfolios, die als Gesamtheit einen grossen Teil der Anlagen an den globalen Kapitalmärkten halten.
«Es heisst, dass Universal Owner ein überproportionales Interesse an der Nachhaltigkeit ihrer Portfolios haben, weil sie nicht nur heute, sondern im Grunde genommen auf ewig Renditen erwirtschaften müssen», sagt er. «In den USA zum Beispiel teilen Investoren mit derartigen langfristigen Verbindlichkeiten (mit Laufzeiten von über zehn Jahren) fast die Hälfte des inländischen Aktienmarktes unter sich auf.»
«Letztlich aber hat die Gesellschaft als direkter und indirekter Begünstigter der Entscheidungen der Universal Owner (oder Halter ihrer Verbindlichkeiten) ein Interesse an der Fähigkeit dieser Institutionen, eine nachhaltige Rendite auf ihr investiertes Kapital zu erwirtschaften.»
Lesen Sie den vollständigen Artikel ‘Kein Unternehmen ist eine Insel: Die SDGs als Brücke in die Zukunft für das moderne Portfoliomanagement’ oder registrieren Sie sich, um das vollständige Yearbook herunterzuladen. (RobecoSAM/mc/ps)