Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Das Kreuz mit dem Bayer-Kreuz

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Das Kreuz mit dem Bayer-Kreuz
Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender Bayer AG. (Foto: Bayer)

Von Robert Jakob

Als Bayer den Agrarkonzern Monsanto für 66 Milliarden Dollar übernahm, waren zwei Dinge klar. Erstens: 66 Milliarden sind eine riesige Menge Geld und kein Schnäppchenpreis für den amerikanischen Saatgut- und Schutzmittel-Konzern. Und zweitens: Es handelt sich um ein Hochrisikoprojekt.

Bayer brauchte nach mehreren Spin-offs seines Chemiegeschäfts (Lanxess und Covestro) einen weiteren hochmargigen Ertragspfeiler zur Ergänzung seines Pharmabusiness‘.

Der ehemalige Finanz- und Strategie-Chef Werner Baumann lies sich dabei stark von der Strategie und weniger von den wirtschaftlichen Gefahren treiben, als er, frisch gewählter CEO, seine Duftmarke setzte. „Für Bayer beginne nach der zügigen Neuausrichtung mit der Konzentration auf das Geschäft rund um die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze eine neue Ära“, lobte ihn sein Aufsichtsratschef Werner Wenning bei der Inauguration. Nun steht Baumann mit dem Rücken zur Wand und muss sich hinter seinem Aufsichtsrat als Mitträger des Monsanto-Geschäfts verschanzen.

In der Presse am Wochenende verteidigt der CEO ausdrücklich den umstrittenen Deal als richtigen Schritt in die Zukunft. Für Monsanto-Aktionäre hat er sich bereits gelohnt. Für Bayer-Shareholder gar nicht. Die Aktie steuert Richtung Mehrjahrestiefs. Klar ist: Bayers generelle strategische Stossrichtung ist richtig. Aber beim Monsanto-Deal war man schlicht und ergreifend blauäugig.

Bayer wird gerade gekreuzigt
An Monsanto scheiden sich seit drei Jahrzehnten die Geister. Einerseits führt der grössere Ertrag bei Monokulturen zu einer verbesserten Ernährungslage der Weltbevölkerung, andererseits führt der Anbau von Pflanzenwüsten die Bauern in die Abhängigkeit von Politik, Saatgutlieferanten und Chemie. Monsanto war in der Vergangenheit nicht gerade zimperlich, was die Durchsetzung eigener Interessen anbelangte. Da wurde kräftig Lobby-Arbeit betrieben, und wegen der geringsten Verletzung der eigenen Pflanzenpatente wurden selbst Kleinbauern rabiat vor Gericht gezerrt. Greenpeace behauptete sogar plakativ, Monsanto wolle die globale Landwirtschaft vollständig unter seine Kontrolle bringen. Die hochwirksamen Unkrautvernichtungsmittel der Marke «Roundup» mit dem Wirkstoff Glyphosat wurden, aller Warnungen und Anfeindungen zum Trotz, stets gepusht. Die Monsanto-Anwälte hielten ihrem Geldgeber erfolgreich den Rücken frei. Aber jetzt hat Bayer den schwarzen Peter geerbt.

Nach dem teuren Deal schlauer
Je wirkungsvoller eine Chemikalie ist, desto häufiger kann es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Das war bei Glyphosat schon seit über vier Jahrzehnten klar und hätte Teil einer genauen Risikoabwägung vor dem Monsanto-Deal sein müssen. Der Markenname „Roundup“ suggeriert ja geradezu umfassende, durchschlagende Wirkung. Sonst hätte ihn Monsanto nicht für seine Unkrautvernichtungsmittel gewählt. Ein Rundumschlag ist aber auch per Definition „unspezifisch“. Das kann halt böse ins Auge gehen, wenn nicht das Unkraut, sondern ein anderer Organismus damit in ausreichender Dosis in Berührung kommt.

Richtig auf den Äckern angewendet ist Glyphosat für den Menschen nicht schädlich. Niemand soll es verschlucken, einatmen oder gar einreiben. Aber die amerikanischen Kausalhaftungsgesetze sind streng, und die Gerichte, die über Schuld oder Unschuld entscheiden, sind Jurys. Die dort sitzenden Geschworenen sind in der Regel keine Toxikologen oder Onkologen, und vor allen haben die Jury-Mitglieder jetzt nicht einen US-Konzern, sondern eine deutsche Firma auf der Anklagebank. Das senkt die Hemmschwelle. Dass die Deutsche Bundesregierung glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel vorläufig weiter erlaubt und sich schützend vor Bayer stellt, ist nur ein schwacher Trost. Amerikanische Anwälte haben, nachdem Bayer nun in einem weiteren Fall zu horrend hohen Schadensersatzzahlungen verurteilt wurde, eine lukrative Geldquelle angezapft. Sie werden jetzt fleissig ihre eigenen Äcker bestellen. Die Causa Bayer wird, ähnlich wie Roundup, eine lange Geschichte haben.


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