Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Deutschland – die Rezession ist bereits da
Von Robert Jakob
Es wäre unverantwortlich, wenn staatliche Behörden in Panik machen würden. Daher sind die beruhigenden Worte aus ihrem Munde immer kritisch zu hinterfragen. Denn es nützt nichts, die Augen zu verschliessen. Der wichtigste Handelspartner der Schweiz befindet sich bereits in einer Rezession.
Nach der häufigsten Definition liegt eine Rezession dann vor, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinander folgenden Quartalen nicht wächst. Deutschlands Industrie hat ein fürchterliches Q2 hinter sich. Ein Industrieunternehmen nach dem anderen schockte mit einer Gewinnwarnung – mit Daimler, BASF und Henkel als prominente Beispiele. Das deutsche Bruttoinlandprodukt krebste von April bis Juni um 0,1 Prozent zurück. Das dritte Quartal ist gerade zur Hälfte rum und wird nicht besser ausfallen. Der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil bastelt bereits an einem Gesetz, dass den Zugang zu Kurzarbeitergeld erleichtert. Das zeigt, wie ernst die Lage tatsächlich ist.
Miese Indikatoren
Viele Schwalben fliegen tief: Konjunkturerwartungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind im August auf den tiefsten Stand seit Dezember 2011 gefallen. Das Stimmungsbarometer fiel um 19,6 Punkte auf minus 44,1 Zähler, teilte das ZEW am Dienstag in Mannheim mit. Der von der Industrie ausgehende Abschwung droht nun den Dienstleistungssektor mitzureissen. Der Stimmungsindikator der Dienstleister in der Europäischen Union hat gerade seinen tiefsten Stand in anderthalb Jahren erreicht. Lag er anfangs 2018 noch bei 18, steht er jetzt bei 10,6. Wenn nun der Arbeitsmarkt wegbricht, wird auch die Konsumlaune, die nicht zuletzt wegen der niedrigen Zinsen jahrelang die Wirtschaft gestützt hat, einen Schlag abbekommen.
Trump wird zum Rettungsanker
Der toxische Cocktail aus Brexit, Italiensorgen und Handelskrieg hat seine Wirkung voll entfaltet. Der Hauptschuldige des Abschwungs, Donald Trump, wird in dieser Situation gleichzeitig zum Rettungsanker der Börsianer. Der Grund sind die anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA.
Trump präsentiert sich am allerliebsten als mächtiger Macher und hat die FED offen zu einer Zinssenkung aufgefordert, der sie in einem ersten und sicher nicht letzten Schritt gefolgt ist. Tiefere Zinsen sind gut für die Börsen. Trumps Bilanz als Präsident ist mager. Sein einziger Pluspunkt ist eine florierende US-Wirtschaft. Man mag sich darüber streiten, ob und wenn ja, welchen Anteil er daran hat. Aber eins ist sicher. Er kann sich vor den anstehenden Wahlen weder eine schwache Börse noch eine schwache Wirtschaft leisten. Er braucht für seine Wiederwahl einen starken Arbeitsmarkt und weiterhin Kurse auf Rekordniveau, da bei zahllosen Amerikanern die Höhe der Rente direkt an von den einheimischen Aktienkursen abhängt. So wollen es die zahllosen aktienbasierten Pensionspläne. Geht der amerikanischen Wirtschaft die Luft aus, kann sich auch Trump nicht mehr aufplustern. Er wird die FED daher zu weiteren Zinsschritten drängen. Ob das genügt, die Abwärtsspirale zu stoppen, wird sich erst gegen Ende des Jahres zeigen.
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Zum Autor:
Robert Jakob ist promovierter Naturwissenschaftler und Buchautor und arbeitete sowohl in der Grundlagenforschung als auch für Verlage, Versicherungen und Banken. Seit Jahrzehnten ist der Wissenschaftler und Kommunikationsspezialist ein ausgewiesener Kenner der Finanzszene. Er leitete nicht nur die Redaktion des Swiss Equity Magazins (einem Tochterunternehmen der NZZ), sondern dortselbst auch das Team der Aktienanalysten.