Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Flugzeugcrash – Industriepolitik geht vor Sicherheit

Zwei Abstürze mit neuen Jets innerhalb von fünf Monaten: Boeing 737 Max 8. (Foto: Boeing)

Von Robert Jakob

Vorschnelle Analysen sind ein Minenfeld. Aber im Risikomanagement ist bekanntlich Vorsicht die Mutter der Porzellankiste. Da kann es schon mal sein, dass Eile geboten ist. Nach dem Flugzeugabsturz von Addis-Abeba mit 157 Toten, dem zweiten Totalverlust einer neuen Boeing 737 Max 8 innerhalb eines halben Jahres unter guten Wetterbedingungen, haben die meisten Luftfahrtbehörden kurz gezögert, dann aber die richtige Entscheidung getroffen. Bis auf weiteres sollen Maschinen der Bauklasse Boeing 737 Max 8 und der verlängerten Version Max 9 nicht mehr fliegen. Schnell reagierten China und Indonesien mit Flugverboten. Mit einiger Verzögerung die europäische Flugaufsicht EASA und in deren Schlepptau die Schweiz: Start, Landung und Überflug sind in ihren Lufträumen verboten.

Lion-Air-Flug 610 kämpfte am 29.Oktober 2018 sieben Minuten lang auf 5000 Fuss buchstäblich wie ein Löwe um eine stabile Flugbahn bevor der Flieger kurz nach dem Start in der indonesischen Hauptstadt Jakarta in den Pazifik stürzte. Auch die am 10. März 2019 abgestürzte Ethiopian Airlines Maschine soll nach Augenzeugenberichten zunächst rauf- und runtergezittert sein, bevor sie sich kopfüber in den Boden bohrte. Aviatikexperten vermuten das Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS), welches bei den MAX-8 und Max-9 der Boeing 737 kritische Flugsituationen erkennen und korrigieren soll, als Ursache. Es bezieht Daten vom Anstellwinkel-Sensor des Flugzeuges und korrigiert vor allem im Steigflug nach dem Start mit Hilfe des Heckhöhenruders zu starke Anstellwinkel des Flugzeugs, da dies sonst zu den in der Luftfahrt gefürchteten Strömungsabrissen führen kann. Die Folge sind unkontrollierbare Flugzustände. Eine bei Profi- und Hobbypiloten bekannte Abhilfe besteht in der Korrektur des zu steilen Anstellwinkels durch Nicken des Luftfahrzeuges nach unten. Offenbar führt das Boeing-System dieses Manöver im Zweifelsfall mittels MCAS automatisch aus, ohne dass die Piloten davon eine vernünftige Rückmeldung bekommen, was zu einer kybernetischen Fehlerkaskade zwischen Flugzeugsoftware und Pilotenreaktion führen kann (für eine detaillierte Darstellung siehe: https://theaircurrent.com/aviation-safety/what-is-the-boeing-737-max-maneuvering-characteristics-augmentation-system-mcas-jt610/).

Boeing spricht seine Software von aller Schuld frei und verspricht „ein jetzt schon sicheres Flugzeug noch sicherer zu machen“. Man setzt offenbar auf weitere Software-Updates oder hofft, dass das Problem woanders (am besten wohl bei den Piloten) liegen möge. Völlig unverständlich belässt es die US-Luftfahrtbehörde FAA in der Zwischenzeit mit der uneingeschränkten Flugerlaubnis der fraglichen Maschinentypen über dem amerikanischen Luftraum.

Trump hält sich ehrenwerten Rückzug offen
Auch wenn die Frage, ob es zwischen dem Absturz der Lion-Air-Maschine vom 29. Oktober und dem des Ethiopian Air-Jets von diesem Sonntag einen Zusammenhang gibt, noch nicht abschliessend beurteilt werden kann, ist grosse Gefahr in Verzug. Hier Industriepolitik zu betreiben und Boeing vor Umsatzeinbussen zu schützen (im Nachgang zum neuerlichen Absturz einer B737 Max hat Lion Air eine ausstehende Bestellung für weiter Flugzeuge dieses Typs storniert) statt auf Nummer sicher zu gehen, ist fahrlässig, um nicht zu sagen ruchlos. Boeing-Boss Dennis A. Muilenburg soll Trump in einem persönlichen Telefonat auf die Sicherheit der neuen Flugzeuge eingeschworen haben. Doch selbst der amerikanische Präsident äussert sich vorsichtig: «Airplanes are becoming far too complex to fly. Pilots are no longer needed, but rather computer scientists from MIT. I see it all the time in many products. Always seeking to go one unnecessary step further, when often old and simpler is far better,» schreibt er auf Twitter und spricht sich damit indirekt für Piloten statt Software aus.

Laut New York Times übernehmen Boeing-Mitarbeiter bei der Zertifizierung für die Sicherheitsstandards auch direkt Aufgaben für die FAA, eine eindeutig zweifelhafte Praxis. Dies mag die Samthandschuhe, mit denen die FAA Boeing anfasst, erklären. Für Boeing geht es zweifellos ans Eingemachte, denn die B737 ist der grosse Hoffnungsträger im Konkurrenzkampf mit Airbus. Nun wollen zahlreiche Airlines ihre Bestellungen rückabwickeln und konsultieren ihre Juristen. Gross ist jedenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass die Blackbox von Ethiopean Airlines ET 302 ähnlich erratische Flugbewegungen aufgezeichnet hat wie Lion-AIR JT 610. Dann dürfte es leichter werden, aus geschlossenen Verträgen auszusteigen.


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